MÄRKTE
Ölpreise im freien Fall – Angst vor Förderschwemme
Aktualisiert Mittwoch, 15. Oktober 2014, 12:21 Uhr
Auch nach dem größten prozentualen Tagesverlust seit drei Jahren ist bei den Ölpreisen auf dem Weg nach unten kein Ende in Sicht. Sah es zwischenzeitlich am Mittwoch zumindest nach einer Stabilisierung aus, zeigt die Richtung am Mittag bereits wieder deutlich nach unten. Im Tagestief von 80,37 Dollar war das Barrel der US-Leichtölsorte WTI kurz davor, mit der 80er Marke die nächste psychologische Unterstützungsmarke zu durchbrechen.
Zuletzt kostete die US-Sorte Anfang September 2011 weniger als 80 Dollar. Bis zu den Tiefs während der Finanzkrise 2008/2009 von knapp über 40 Dollar ist freilich noch viel Luft nach unten. Die Nordseesorte Brent ist so billig wie seit vier Jahren nicht mehr. Hier kostet das Fass nur noch rund 84 Dollar, nachdem es im Sommer noch für rund 110 Dollar gehandelt wurde.
„Es gibt ein gigantisches Ungleichgewicht“
Auslöser des jüngsten Preisrutsches ist die Internationale Energieagentur (IEA), die am Dienstag ihre Prognose für den Anstieg der globalen Ölnachfrage in diesem und im nächsten Jahr nach unten revidierte. Den Bedarf an Opec-Öl sehen die Experten 2015 auf 29,3 Millionen Barrel pro Tag sinken. Weil aber die Opec mehr fördert - laut IAE im September täglich 30,7 Millionen Barrel - werden ohne Produktionskürzungen im kommenden Jahr jeden Tag 1,4 Millionen Barrel Rohöl mehr auf den Markt strömen als benötigt werden.
Ölförderung in Bahrain: Angst vor totaler Unstimmigkeit innerhalb des Produzentenkartells Opec.Associated Press
“Es gibt ein gigantisches Ungleichgewicht”, sagt Anthony Lerner, ein leitender Vizepräsident für Industrierohstoffe beim Broker R.J. O’Brien in New York. “Es gibt keinen Grund, dass das aufhört, solange sich nichts anbahnt, was die Gleichung ändert.”
Kein Ende des US-Schieferöl-Booms in Sicht
Auf eine baldige Einschränkung der Schieferölproduktion in den USA können die Opec-Produzenten dabei nicht hoffen, wie die Rohstoffexperten der Commerzbankausführen. Denn laut der US-Energiebehörde EIA dürfte die Ölproduktion in den drei wichtigsten Schieferölformationen im November um 106 Tausend Barrel pro Tag gegenüber dem Vormonat steigen. Die für die Schieferölproduzenten relevanten Ölpreise lägen inzwischen zwar nur noch bei 75 bis 76 Dollar je Barrel, allerdings benötigen laut IEA nur 4 Prozent der US-Schieferölproduktion Preise von mehr als 80 Dollar, um rentabel zu sein.
In den vergangenen Wochen sind die Ölpreise wegen des hohen Angebots und der schwachen Nachfrage bereits um mehr als 20 Prozent gefallen, weshalb Marktteilnehmer die Opec besonders stark beobachten, deren Mitgliedstaaten rund ein Drittel des weltweiten Ölangebots stellen. In der Vergangenheit hat die Opec auf niedrige Preise mit einer Verknappung der Fördermenge reagiert. Aber die aktuellen Signale ihrer Mitglieder fallen gemischt aus. Saudi-Arabien, der größte Ölproduzent der Gruppe, etwa deutete jüngst an, dass es sich an den niedrigen Preisen nicht stört.
Riesige Verluste für Saudi-Arabien
Aber am Dienstag schrieb der saudi-arabische Prinz al-Walid ibn Talal Al Saud in einem offenen Brief an den Ölminister seines Landes, dass Saudi-Arabien für einen ausgeglichenen Haushalt in diesem Jahr Ölpreise zwischen 80 und 90 US-Dollar je Fass benötige. Die derzeit niedrigeren Preise bedeuteten “einen riesigen finanziellen Verlust für das Königreich”, heißt es in dem Brief
Der Brief könnte unter Rohstoffhändlern die Sorge geschürt haben, dass die Opec-Staaten wegen interner Streitigkeiten möglicherweise nicht an einem Strang ziehen, sagt Andy Lebow, ein leitender Vizepräsident im Bereich Energie beim Broker Jefferies Bache. “Der Markt ist nervös, dass [innerhalb des Kartells] die totale Unstimmigkeit herrscht”, sagt er. Das erkläre “einen Teil des Ausverkaufs”.
Umgekehrt sagte der Iran am Dienstag, dass ein Ölpreissturz seinem Haushalt nicht schaden und nur von kurzer Dauer sein würde, was einige Marktbeobachter überraschte.
Der Preis für Novemberlieferungen der US-Leichtölsorte WTI fiel schnell auf unter 83 Dollar je Barrel, als der Inhalt des saudi-arabischen Briefs bekannt wurde und gab danach noch weiter nach. Am Ende des Tages stand ein Minus von 4,6 Prozent. Die Nordsee-Ölsorte Brent, die als globales Leitmaß am Ölmarkt gilt, verbilligte sich um 4,3 Prozent und erlebte den stärksten Tages-Preisverfall seit September 2011.
Die Bullen kapitulieren
Bereits am Montag waren die Ölpreise so niedrig wie seit Jahren nicht mehr. Die Talfahrt setzte sich dann am Dienstag fort, als die IEA wie bereits in der Woche zuvor die beiden anderen wichtigen Prognose-Gremien - die Opec und die EIA - ihre Vorhersagen für das künftige Nachfragewachstum nach unten korrigiert.
Der Preisabsturz habe Zeichen der Kapitulation getragen, sagt Analyst Tim Evans von Citi Futures. Die Bullen hätten das Handtuch geworfen und die wenigen noch verbliebenen potenziellen Käufer seien erst einmal in Deckung gegangen, um abzuwarten, wie weit der Absturz noch geht. Bis sie sich wieder aus der Deckung trauten, dürfte es einiges an Konsolidierung und Bodenbildung brauchen.
Besonderes Augenmerk kommt nun der wie üblich am Mittwoch anstehenden Bekanntgabe der wöchentlichen US-Lagerbestände an Rohöl und Destillaten durch das American Petroleum Institute bei. Noch mehr Aufmerksamkeit gilt aber den ebenfalls erwarteten Daten der EIA. Analysten rechnen überwiegend mit einem Anstieg der Vorräte. Kein gutes Omen für die Ölpreise
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