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Samstag, 17. Januar 2015

Ölpreis auf Talfahrt Die Neuauflage des Preiskrieges Der aktuelle Preissturz am Ölmarkt ist dem von 1985/86 erstaunlich ähnlich. Damals gingen die Saudis als Sieger aus dem Preiskrieg hervor. Wird die Geschichte sich wiederholen?

Wiederholt sich die Geschichte? Der Kursverlauf ähnelt dem Verfall im Jahr 1985/86



Ölpreis auf TalfahrtDie Neuauflage des Preiskrieges

Der aktuelle Preissturz am Ölmarkt ist dem von 1985/86 erstaunlich ähnlich. Damals gingen die Saudis als Sieger aus dem Preiskrieg hervor. Wird die Geschichte sich wiederholen?

© DPAVergrößernWelche Entwicklungen bringt der niedrige Ölpreis mit sich? Kommen jetzt wieder dicke Autos in Mode?
Es ist im Moment die Millionen-Dollar-Preisfrage auf den Finanzmärkten: Wie weit kann der Ölpreis noch sinken? Prognosen gibt es viele, doch so sehr sie sich auch unterscheiden, sie eint ihre Unschärfe. Die Internationale Energieagentur sieht nach dem starken Verfall des Ölpreises um etwa 60 Prozent auf aktuell knapp 50 Dollar je Barrel (159 Liter) nun Zeichen einer Trendwende. Sie begründete ihre Prognose am Freitag in Paris damit, dass die Nicht-Mitglieder des Ölpreiskartells Opec ihre Fördermengen in diesem Jahr nicht so stark anheben dürften wie zunächst angenommen.
Die Rohstoffanalysten von Goldman Sachs kommen zu einer komplett anderen Einschätzung: Sie vermuten, dass der Markt erst dann sein Gleichgewicht finden wird, wenn der Ölpreis für längere Zeit um 40 Dollar je Barrel pendelt. Das sei aber erst 2016 der Fall. Anfang dieser Woche senkte Goldman Sachs seine Schätzung für den Jahres-Durchschnittspreis von 73,75 Dollar je Barrel (159 Liter) auf 47,15 Dollar zurück - ein spektakulärer Schritt. Die Citigroup rechnet hingegen mit einem Durchschnittspreis von 62,50 Dollar in diesem Jahr. Nobuyuki Nakahara, ehemaliger Energiemanager und Vorstandsmitglied der japanischen Notenbank, hält einen Rückgang der Preise auf bis zu 20 Dollar je Barrel für möglich.
Was ist aber richtig? Der Ölpreis hängt an Entwicklungen und Entscheidungen, die nur schwer abzusehen sind. Da ist einerseits die Nachfrageseite, also die Entwicklung der Weltwirtschaft und vor allem die Frage, wie sich die sinkenden Energiepreise auf das Verhalten der Konsumenten auswirken. Kommen jetzt wieder Spritschlucker in Mode anstatt verbrauchsarme Fahrzeuge? Noch schwerer sind jedoch die Entwicklungen auf der Angebotsseite vorauszusagen.
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Der Ölpreis hängt entscheidend davon ab, ob sich die Opec in diesem Jahr doch zu einer Drosselung der Produktion durchringt, oder ob es dabei bleibt, dass Saudi-Arabien nicht eingreifen wird, „auch wenn der Ölpreis auf 20 Dollar fällt“, wie der saudische Ölminister Ali Al-Naimi Ende vergangen Jahres gesagt hat. Die größte Unbekannte ist jedoch, wie gut die noch junge Schieferölbranche in den Vereinigten Staaten den negativen Preisschock verkraften wird.
Infografik / Erdölpreis© F.A.Z.VergrößernWiederholt sich die Geschichte? Der Kursverlauf ähnelt dem Verfall im Jahr 1985/86
Am Markt heißt es meistens, dass die Schieferölproduzenten 70 Dollar je Barrel brauchen, um kostendeckend zu produzieren, einige Schätzungen liegen aber auch darunter. Allerdings musste der erste Schieferölförderer, WBH Energy, schon Konkurs anmelden. Nach Daten von Baker Hughes, einer der führenden Erdöl-Servicegesellschaften, ist die Zahl der aktiven Bohrungen in der vergangenen Woche um 61 auf 1421 gefallen - der stärkste Rückgang seit 1991.

„Preiskrieg auf dem Ölmarkt“

Ein Blick in die Vergangenheit könnte Aufschluss über die Zukunft geben. Denn der aktuelle Ölpreisverfall ist dem Preissturz von 1985/86 erstaunlich ähnlich. Zwischen November 1985 und Juli 1986 sank der Preis um 67 Prozent von etwa 30 auf 10 Dollar je Barrel - eine ähnliche Dimension wie die Preisentwicklung seit Juni 2014. Zeitungsberichte von damals lesen sich wie die aktuelle Presse - es ist von einem „Preiskrieg auf dem Ölmarkt“ die Rede und von „einem Konjunkturprogramm für die ölimportierenden Länder“.
Dem rapiden Verfall der Ölpreise Mitte der achtziger Jahre war eine ähnliche Entwicklung vorausgegangen wie heute: In den siebziger Jahren erschienen neue Ölförderer auf dem Markt und begannen, der Opec Marktanteile abzujagen. Ölquellen in Mexiko wurden erschlossen, in Alaska und Brasilien. Vor allem überflutete aber das Nordseeöl aus Norwegen und Großbritannien den Markt. Anfang der achtziger Jahre reagierte die Opec mit Produktionskürzungen, um die Preise stabil zu halten. Innerhalb von sechs Jahren fiel ihr Marktanteil von 45 auf 28 Prozent. Vor allem Saudi-Arabien reduzierte seine Förderung drastisch von etwa 10 Millionen Barrel am Tag 1979 auf nur noch 2,3 Millionen Barrel 1985.
Doch es profitierten vor allem die anderen: In der Nordsee und Alaska wurde weiter produziert, während die Saudis - ebenso wie heute - unter einem steigenden Haushaltsdefizit litten. 1986 zogen die Reißleine und setzten die Förderung im Herbst 1985 kurzfristig auf 5 Millionen Barrel hoch. Das Ziel war klar: Saudi-Arabien wollte die neuen Mitspieler aus dem Markt drängen oder sich zumindest mit den neuen Wettbewerbern auf gemeinsame Quoten einigen.

Die Zukunft gehört den Swing-Produzenten

Wahrscheinlich treiben die Saudis gegenwärtig die gleichen Beweggründe um. Die Aussage von Scott Sheffield, Vorstandsvorsitzender von Pioneer Ressources, einem der führenden amerikanischen Schieferölproduzenten legt das nahe: „Wir befinden uns in einem Krieg mit Saudi-Arabien um Marktanteile“, sagte er in einer Telefonkonferenz im November. Auch die Forderung von saudischer Seite, die Produzenten außerhalb der Opec sollten endlich Verantwortung übernehmen, legt diese Vermutung nahe. Denn auch das Ende des Preiskrieges 1985/86 ist bekannt: Sieger waren die Platzhirsche aus dem Mittleren Osten.
Zwar brauchten die Ölpreise fast zwei Dekaden, bis sie zu Beginn des neuen Jahrtausends wegen des steigenden chinesischen Energiehungers wieder anzogen. Aber die Opec erhöhte ihre Marktanteile wieder nahezu auf alte Niveaus. Den größten Schaden hatten die Ölproduzenten in den Vereinigten Staaten: Die Ölproduktion in Oklahoma ging 1986 um mehr als 8 Prozent zurück, in Texas um 7 Prozent. Die Arbeitslosigkeit in den Bundesstaaten stieg auf knapp 10 Prozent. Michael Lynch, Präsident des amerikanischen Analysehauses Strategic Energy und Economic Research beschreibt die Erfahrungen von damals als „Teil des nationalen Gedächtnis, die nicht vergessen sind.“
Doch dass sich die Geschichte auch nach Überwindung des aktuellen Preiskollaps wiederholt, ist unwahrscheinlich. Denn die Schieferölproduktion folgt anderen Gesetzen als die Förderung damals. Eine neue Schieferölquelle zu erschließen geht sehr viel schneller und kostet nur ein Bruchteil dessen, was es kostet, eine Bohrplattform in der Nordsee zu verankern. Deswegen rechnen Marktbeobachter wie Anatole Kaleksky, Chefökonom von Gavekal Dragonomics, damit, dass die Schieferölproduzenten in Zukunft zu Swing-Produzenten werden. Sie passen ihre Förderung schnell den Gegebenheiten des Marktes an und stabilisieren dadurch die Preise. Diese Rolle ist nun frei geworden. Jahrzehntelang hat Saudi-Arabien sie gespielt, doch es weigert sich nun, sie auch weiterhin zu tun. Für den Ölmarkt wäre es ein Paradigmenwechsel.

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