Montag, 15. Juni 2015

Griechenland-Krise Gespräche vorerst gescheitert Ein «letzter Versuch» zur Überbrückung der Differenzen zwischen Griechenland und seinen Kreditgebern ist am Sonntagabend vorerst gescheitert. Nun liegt der Ball bei der Euro-Gruppe.

Griechenland-Krise
Gespräche vorerst gescheitert

Ein «letzter Versuch» zur Überbrückung der Differenzen zwischen Griechenland und seinen Kreditgebern ist am Sonntagabend vorerst gescheitert. Nun liegt der Ball bei der Euro-Gruppe.
  • von René Höltschi, Brüssel
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Eine Lösung in der Griechenland-Krise ist im Interesse aller Beteiligten. Doch die Zeit drängt.
Eine Lösung in der Griechenland-Krise ist im Interesse aller Beteiligten. Doch die Zeit drängt. (Bild: Imago)
Es habe zwar einige Fortschritte gegeben, aber die Gespräche hätten nicht zum Erfolg geführt: Mit diesen Worten hat eine Sprecherin der EU-Kommission am Sonntagabend die Bilanz dessen gezogen, was die Brüsseler Behörde als «letzten Versuch» von EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker bezeichnet hat. Persönliche Vertreter von ihm und des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras hatten in Abstimmung mit Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IMF) ab Samstag versucht, die Differenzen zwischen Griechenland und seinen Kreditgebern zu überbrücken.

«Erhebliche Lücke»

Nach einem weiteren kurzen Treffen am Sonntagabend hielt die Sprecherin aber fest, es sei eine erhebliche Lücke zwischen den Plänen der griechischen Behörden und den gemeinsamen Forderungen der EU-Kommission, der EZB und des IMF verblieben. Sie bezifferte diese auf 0,5 bis 1,0 Prozentpunkte des Bruttoinlandprodukts (BIP) oder bis zu 2 Mrd. € an permanenten finanzpolitischen Massnahmen auf jährlicher Basis. Darüber hinaus seien die griechischen Vorschläge unvollständig geblieben. Auf dieser Basis müsse nun die Euro-Gruppe (Gremium der Finanzminister der Euro-Staaten) die Diskussion weiterführen. Die nächste reguläre Sitzung der Euro-Gruppe findet am Donnerstag in Luxemburg statt.
«Präsident Juncker bleibt überzeugt, dass mit mehr Reformanstrengungen auf der griechischen Seite und politischem Willen auf allen Seiten vor Ende des Monats noch eine Lösung gefunden werden kann», fügte die Sprecherin an.
Die Kreditgeber und Griechenland streiten seit Monaten über das Reformpaket, das Athen im Gegenzug zur Freigabe von 7,2 Mrd. € an ausstehenden Hilfsgeldern umsetzen müsste. Am 30. Juni läuft der europäische Teil des bisherigen Hilfsprogramms ohne gegenteiligen Beschluss ersatzlos aus, und bereitstehende Gelder würden verfallen. Gleichentags muss Athen eine Rückzahlung von gut 1,5 Mrd. € an den IMF leisten. Es ist unklar, ob Griechenland diese Zahlung ohne externe Hilfe stemmen kann. Und selbst wenn dies gelingt, so werden im Juli und August weitere enorme Zahlungen vor allem an die EZB fällig, die Athen laut einer früheren Einschätzung des IMF kaum mehr aufbringen könnte. Eine Zahlungsunfähigkeit führt nicht automatisch zum Ausscheiden aus der Euro-Zone («Grexit»), aber auf Dauer wäre eine Mitgliedschaft wohl kaum mehr zu halten.
Bisher hatte es in EU-Kreisen stets geheissen, es brauche eine Vereinbarung auf technischer Ebene (ein «staff-level agreement») der griechischen Behörden mit den Experten der EU-Kommission, der EZB und des IMF zu Wochenbeginn, damit die Euro-Gruppe am Donnerstag über das Programm entscheiden könne. Nach der Euro-Gruppen-Sitzung bliebe dann noch knapp genug Zeit, um die restlichen Verfahrensschritte, darunter die Billigung durch nationale Parlamente, rechtzeitig vor Ende Juni unter Dach zu bringen.

Wie geht es weiter?

Ob und wie nun – wie von Juncker erwähnt – doch noch eine Einigung möglich ist, bleibt abzuwarten. Schon der Montag könnte je nach Reaktion der Märkte und der griechischen Bankkunden turbulent werden. Gibt es keine Einigung, müsste sich die Euro-Gruppe wohl bald mit Notmassnahmen wie Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland beschäftigen.
Die Kreditgeber hatten Tsipras letzte Woche eine deutliche Warnungzukommen lassen, wonach er sich rasch bewegen muss, wenn er die drohende Staatspleite abwenden will. Zuvor hatten sie Griechenland einEckpunktepapier mit einer Art «letztem Angebot» vorgelegt. Darin forderten sie unter anderem für die Jahre 2015 bis 2018 Primärüberschüsse im Staatshaushalt (Überschuss vor Zinszahlungen) von 1%, 2%, 3% und 3,5% des BIP. Diese sind aus ihrer Sicht nötig, damit Athen allmählich die enorme Staatsverschuldung abbauen kann. Man könne über den Weg zur Zielerreichung reden, solange man dieselben finanziellen Wirkungen erreiche, signalisierten sie. Die Athener Vorschläge blieben aber bis zuletzt hinter diesen Zielen zurück.

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