Freitag, 4. September 2015

Steueramtshilfe bei gestohlenen Daten Die Schweiz unter Druck Der Druck des laufenden Länderexamens zeigt Wirkung. So schlägt der Bundesrat vor, dass die Schweiz auch bei gewissen Fällen von gestohlenen Daten Informationen über Bankkunden ins Ausland liefert.

Steueramtshilfe bei gestohlenen Daten
Die Schweiz unter Druck

Der Druck des laufenden Länderexamens zeigt Wirkung. So schlägt der Bundesrat vor, dass die Schweiz auch bei gewissen Fällen von gestohlenen Daten Informationen über Bankkunden ins Ausland liefert.

Steueramtshilfe: Ein Auslöser der Diskussionen war der Fall HSBC Schweiz. Der Ex-HSBC-Angestellte Hervé Falciani lieferte gestohlene Bankdaten an Frankreich.
Steueramtshilfe: Ein Auslöser der Diskussionen war der Fall HSBC Schweiz. Der Ex-HSBC-Angestellte Hervé Falciani lieferte gestohlene Bankdaten an Frankreich. (Bild: Martial Trezzini / Keystone)
Es ist so etwas wie ein Refrain der letzten sechs bis sieben Jahre: Die Schweiz fühlt sich genötigt, unter ausländischem Druck das steuerliche Bankgeheimnis Schritt um Schritt zu verabschieden. Den neusten Schritt hat der Bundesrat am Mittwoch beschlossen. Demnach soll die Schweiz unter Umständen dem Ausland auch dann Informationen über Bankkunden liefern, wenn das entsprechende Gesuch zur Steueramtshilfe auf gestohlenen Daten beruht. Voraussetzung ist, dass der anfragende Staat die gestohlenen Daten nicht direkt vom Dieb erhalten hat.

Fall HSBC als Beschleuniger

Zu diesem Zweck hat der Bundesrat am Mittwoch eine Revision des Steueramtshilfegesetzes in die Vernehmlassung geschickt. Bezeichnenderweise ist das Gesetz erst seit 2013 in Kraft und soll nun schon zum zweiten Mal revidiert werden. Einen Grundsatzentscheid dazu fällte die Regierung schon diesen Mai.
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Der Bundesrat hatte eine solche Regelung zuerst bereits 2013 vorgeschlagen, die Idee aber damals aufgrund der kritischen Vernehmlassungsantworten zurückgezogen. Ein entsprechender Antrag scheiterte danach auch im Parlament. Dass der Bundesrat nun schon wieder mit dem Gleichen kommt, mag man als Zwängerei interpretieren – es sei denn, die Umstände hätten sich wesentlich verändert. Letzteres versucht die Regierung darzulegen.
Ein Auslöser der Diskussionen war der Fall HSBC Schweiz. Der Ex-HSBC-Angestellte Hervé Falciani lieferte gestohlene Bankdaten an Frankreich. Die Franzosen reichten Daten an Dutzende von Ländern weiter (die Rede ist von etwa dreissig). Unter Beschuss kam die Schweiz danach namentlich von Indien, das aufgrund der HSBC-Daten Hunderte von Amtshilfegesuchen stellte, welche in Bern aufliefen. Dem Vernehmen nach haben zudem auch diverse andere Länder aufgrund der HSBC-Daten Amtshilfegesuche nach Bern geschickt.
Unter Druck steht die Schweiz besonders wegen des laufenden Länderexamens des mit der OECD verbundenen Globalen Forums zur Praxis der Steueramtshilfe. Angesichts der relativ breiten und schon mehrmals auch in Länderberichten genannten Kritik dürfte die Schweiz nach Einschätzung des Bundes ohne Lockerung der Praxis durchfallen – was internationale Peinlichkeiten und Sanktionen nach sich ziehen könnte und die Schweiz letztlich wohl doch zum Einlenken nötigte. Bundesberner Stimmen verweisen oft auf Luxemburg, das im Länderexamen durchfiel und in der Folge die Amtshilfepraxis noch stärker gelockert hat, als es der Bundesrat nun vorschlägt.
Das Dossier ist in der Schweiz ein politischer Aufreger und wird ausserhalb der Linken Ärger auslösen. Der Vorschlag könnte dennoch mehrheitsfähig sein – sofern der Bundesrat zeigen kann, dass das Länderexamen nur mit dieser Massnahme zu bestehen ist. In diese Richtung hatten schon dieses Frühjahr Signale der traditionellen Mehrheitsbeschafferin CVP und auch der Wirtschaftsverbände gedeutet.
Bern erwartet das Schlussverdikt des Globalen Forums für den Frühling 2016. Weil in jenes Verdikt auch Willkür und politische Bewertungen einfliessen werden, gibt es keine Garantien. Hinweise liefern könnte der für diesen Herbst erwartete Länderbericht des Globalen Forums zur Steueramtshilfe von Liechtenstein, das bezüglich gestohlener Daten bis anhin ähnliche Restriktionen kennt wie die Schweiz. Vielleicht kommt diese Rückmeldung noch früh genug für die Schweizer Vernehmlassungsantworten, deren Frist Anfang Dezember abläuft.
Der Bundesrat scheint jedenfalls zu glauben, mit der Revision eine gute Chance zum Bestehen des Länderexamens zu haben. Dies, obwohl die Revision, die erst im Sommer 2016 ins Parlament kommen soll, theoretisch zu spät unterwegs ist, denn die offizielle Untersuchungsperiode für das Länderexamen endete schon im Juni 2015. Der Bund hofft allerdings, dass zum Zeitpunkt des Verdikts des Globalen Forums die Schweizer Vernehmlassungsergebnisse und die bundesrätliche Botschaft genügend Goodwill für die Gesamtbeurteilung schaffen können. Das Parlament dürfte jedenfalls bei seinen Beratungen das Verdikt des Länderexamens bereits kennen – eine pikante Ausgangslage mit unklaren Folgen für das Verhalten der Prüfer wie des Parlaments.

Auch für alte Fälle gültig

Die neuen Regeln wären laut Bundesangaben auch für Amtshilfegesuche gültig, die auf älteren Vorkommnissen beruhen. Von einer echten Rückwirkung könne hier nicht die Rede sein, da es um Verfahrensrecht gehe und nicht um eine Änderung von materiellem Recht. Im Fall UBS hatte das Bundesverwaltungsgericht 2010 ein entsprechendes Urteil gefällt. In der juristischen Literatur ist diese Sichtweise allerdings nicht unumstritten, da bei der Steueramtshilfe formal verfahrensrechtliche Änderungen zu materieller Schlechterstellung von Steuerpflichtigen führen könnten.

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