Bundesverfassungsgericht
Schlossbezirk 3
76131 Karlsrahe
vorab per Telefax Q721 / 9101 - 382
Verfassungsbeschwerden 2 BvR 1390/12,2 BvR 1439/12 und 2 BvR 1824/12
Organstreifverfahren 2 BvE 6/12
Göttingen, 16. Januar 2013
In den genannten Verfassungsbeschwerde-Verfahren und dem Organstreit
übersende ich namens und in Vollmacht der Europäischen Zentralbank die
angekündigte Stellungnahme.
Ergänzend weise ich das Bundesverfassungsgericht daraufhin, dass das Direktorium der
Europäischen Zentralbank am 15. Januar 2013 entschieden hat, weitere Informationen
über die vom Eurosystem im Rahmen des Programms für Wertpapiermärkte (SMP) erworbenen
Bestände an Staatsanleihen zu veröffentlichen. Sie werden sich auf den Nominalwert
und den Buchwert der Oesamtbestände sowie deren durchschnittliche Restlaufzeit
aufgeteilt nach den jeweiligen Mitgliedstaaten, die die Staatsanleihen begeben haben,
beziehen.
Die Informationen, die thematisch unter Gliederungspunkt III. 2 des Schriftsatzes einzuordnen
wären, sind jedoch noch nicht in dieser Stellungnahme enthalten. Die Bekanntgabe
wird im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses der Europäi-
.schen-Zentralbank-für-das.-Geschäftsjahi.2012.am-21.Eebruar20-L3erfolgen.-Ich-werde-..... ...
Sie entsprechend informieren.
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Stellungnahme Europäische Zentralbank 51
4. Drittes Hilfspaket für die Hellenische Republik („Schuldenschnitt“)
Die Mitglieder der Eurogruppe haben sich am 27. November 2012 darauf geeinigt, die
Hellenische Republik mit einem dritten Hilfspaket finanziell zu unterstützen,
Eurogruppe, Statement on Greece, 27. November 2012, der formale Beschluss erfolgte
auf der Tagung der Euro-Gruppe am 13. Dezember 2012, die Stellungnahmen
sind zugänglich unter http://www.eurozone.europa.eu.
Die politische Einigung erwähnt auch Gewinne der nationalen Zentralbanken, die diese
aus den Einkünften der im Rahmen des Programms für Wertpapiermärkte (Securities
Market Programme - SMP) gekauften griechischen Staatsanleihen voraussichtlich erwirtschaften
werden.
Die Mitgliedstaaten der Eurozone erklären, dass sie bereit sind, ab dem Jahr 2013 „einen
Betrag in der Höhe der Zentralbankgewinne, die auf die im Rahmen geldpolitischer Operationen
angekauften griechischen Staatsanleihen zurückzufuhren sind, an Griechenland
abzuführen.“ Die Finanzmittel sollen ausschließlich auf das griechische Sonderkonto
(„segregated account“) fließen,
Eurogruppe, Statement on Greece, 27. November 2012, S. 2, zitiert nach der deutschen
Übersetzung in BT-Drs. I7/11647, S. 6.
Die Mitgliedstaaten beziehen sich in diesem Fall auf Gewinne, die innerhalb des Europäischen
Systems der Zentralbanken aufgrund von Anleihekäufen auf dem Sekundäimarkt
entstehen. Da das SMP und mittelbar auch die Risikoverteilung im Eurosystem Gegenstände
der Verfassungsbeschwerde-Verfahren und des Organstreits sind, ist der genannte
Beschluss der Eurograppe in diese Stellungnahme mit einzubeziehen.
Die sorgfältig gewählte Formulierung im Beschluss der Eurogruppe vom 27. November
2012 zeigt, dass kein Transfer von Finanzmitteln aus dem Europäischen System der Zentralbanken
an die Hellenische Republik stattfinden wird. Die Europäische Zentralbank
und die nationalen Zentralbanken beteiligen sich nicht an dem so genannten „dritten
Hilfspaket“ für die Hellenische Republik, weif jede Form von Zinsauskehrungen öder
Zinssenkungen dem Verbot der monetären Haushaltsfinanzierung durch die Europäische
Zentralbank und die nationalen Zentralbanken (Art. 123 Abs. 1 AEUV) widersprächen.
Stellungnahme Europäische Zentralbank 52
Die Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets haben sich deshalb auch nur dazu verpflichten
können, eine Geldsumme, die den voraussichtlichen Einkünften ihrer nationalen
Zentralbanken entspricht, an die Hellenische Republik garantiert auszuzahlen. Die zu
erwartenden tatsächlichen Einkünfte aus dem SMP werden in den beschriebenen Gewinnausgleich
eingestellt. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe die nationalen
Zentralbanken des Eurosystems ihre Einkünfte aus dem SMP an die nationalen Haushalte
abführen werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren, wie der Gesamtentwicklung
von Einnahmen und Ausgaben und der Bildung von Rückstellungen und Rücklagen ab.
Das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung schließt zugleich aus, dass das Europäische
System der Zentralbanken einem „Schuldenschnitt“ zustimmen würde.
Schorkopf