Der größte Bankraub aller Zeiten - mitten in Europa: Was die zyprische Regierung, gedrängt von den Euro-Staaten, versucht hat, erscheint nicht nur den zyprischen Bürgern, sondern vielen Europäern als Kapitalverbrechen. Die Konfiszierung eines Teils der zyprischen Bankguthaben wäre ein beispielloser Übergriff auf den Besitzstand der Bürger gewesen.
Sie dürfen. Europarechtler sind sich weitgehend einig, dass die Pläne im fernen Zypern weder gegen eine Vorschrift des Europarechts noch gegen die zyprische Verfassung verstoßen. Rein rechtlich wäre ein solcher Milliarden-Coup auch in der Bundesrepublik möglich. Probleme drohen nur, wenn dabei internationale Investitionsschutzverträge verletzt werden.
Keine Erdrosselungswirkung
"Bitter aber eigentumsrechtlich irrelevant" nennt der Europarechtsprofessor Christian Calliess von der Berliner Freien Universität die Geldbeschaffungsaktion. Was von empörten Bankkunden und kritischen Politikern als versuchte "Teilenteignung" der zyprischen Sparer gebrandmarkt wird, ist nicht mehr als eine besonders schmerzhafte Steuer auf Bankguthaben. Eine solche Sonderabgabe kann jeder Staat erheben - wenn er dazu ein ordentliches Gesetz macht, das nicht einzelne Gruppen von Kontoinhabern diskriminiert oder Individuen dermaßen hart trifft, dass ihre wirtschaftliche Existenz bedroht ist. Bei einer Abschöpfungsquote zwischen sechs und zehn Prozent kann aber von einer rechtswidrigen "Erdrosselungswirkung", wie Verfassungsrechtler das nennen, keine Rede sein.
Nationale Eigentumsgarantien stehen staatlicher Besteuerung von Vermögen, soweit sie nicht diskriminierend und nicht unverhältnismäßig ausfällt, nach allgemein gültigem Verfassungsrecht nicht entgegen. Die Europäische Grundrechte-Charta verlangt: "Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden" - doch der Fiskal-Zugriff auf Bankkonten betrifft ebenso wenig das Eigentum wie etwa die deutsche Abgeltungssteuer, die von den Banken zu Lasten der Kundenkonten gleich an den Staat überwiesen wird. Auch die Eigentumsgarantie in einem Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt ausdrücklich nicht vor "der Zahlung der Steuern und sonstiger Abgaben".
Aber gilt nicht das große Versprechen der Europäischen Staaten, dass Bankeinlagen bis zu 100.000 Euro sicher seien? Tatsächlich haben aufgrund einer europäischen Richtlinie sämtliche Mitgliedstaaten entsprechende Garantieerklärungen für die Sparer abgegeben. Doch diese Garantien sollen im Falle einer Bankenpleite gelten. Die Sonderabgabe der Zyprer hingegen sollte eine Bankenpleite ja gerade abwenden - und auf diese Weise die Einlagen der Bankkunden jedenfalls zum größeren Teil retten. "So gesehen", sagt Europarechtler Calliess, "verstößt die Sonderabgabe nicht gegen die Einlagengarantie, sondern sichert ihre Voraussetzungen."
Bits verbinden die Welt
Ein Investor, der sich im Ausland enteignet oder zu hart behandelt sieht, kann den handelnden Staat vor einem internationalen Schiedsgericht in Washington verklagen. Auch Deutschland ist schon mit solchen Klagen überzogen worden - vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall, der sich unter Berufung auf Bits gegen Gewinneinbrüche durch Umweltauflagen wehrte. Auch Zypern ist wie alle anderen Staaten weltweit per Bits verbandelt.Ungemach könnte einem Pleitestaat wie Zypern allerdings von ausländischen Investoren drohen. Die Großanleger, auf deren finanziellen Beitrag der Abgabenplan ursprünglich zielen sollte, haben sich in der Regel durch internationale Verträge abgesichert. Ein dichtes Netz sogenannter Bilateral Investment Treaties (Bits) ist zwischen den meisten Staaten der Welt gespannt. Ein Regelwerk, mit dem sich von Fall zu Fall und von Staat zu Staat Investoren ihr finanzielles Engagement in der Fremde gegen politische Risiken absichern lassen.
Ein Staat, der Zugriff auf die Konten von Investoren nehme, sagt Frank Schorkopf, Völkerrechtsprofessor an der Uni Göttingen, bekomme "ein Problem": Er müsse "damit rechnen, dass er vor einem internationalen Schiedsgericht verklagt wird". Hätte die zyprische Regierung ihren Plan zur Plünderung auch von Firmenkonten durchgesetzt, wäre möglicherweise ein Treffen vor Gericht angesagt gewesen. Die russischen Großinvestoren auf der Pleiteinsel haben sich nämlich schon 1977 durch einen von der damaligen Sowjetunion geschlossenen Vertrag mit Zypern "betreffend die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen" abgesichert.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/warum-der-zugriff-auf-zyprische-bankkonten-legal-ist-a-889957.html
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