MittelstandsanleihenHeftiges Ringen um die Zeche
Wer muss beim Ausfall von Mittelstandsanleihen auf wie viel verzichten? Anleihegläubiger sehen sich oft übervorteilt. Im Fall Laurèl eskaliert der Konflikt.
16.05.2017, von MARTIN HOCK
Viele Privatanleger haben mit Mittelstandsanleihen schmerzliche Erfahrungen gemacht. In mindestens 46 Fällen verloren sie einen Großteil ihres Investments. Oft genug mussten sie dabei gezwungenermaßen freiwillig verzichten, um das Unternehmen, Arbeitsplätze und – so hieß es immer wieder – einen noch etwas größeren Teil ihres Investments zu retten als dies bei einer Liquidation der Fall gewesen wäre.
Immer wieder gibt es Unmut, weil Anleihegläubiger der Meinung sind, einen ungleich höheren Teil der Lasten schultern zu müssen als Banken, Investoren oder Eigentümer. Untermauern ließ sich das in den seltensten Fällen - denn Gläubigerversammlungen und auf diesen zur Verfügung gestellte Unterlagen werden vertraulich behandelt.
Eskalation bei Laurèl
Dabei gibt es auch immer wieder Streit darüber, wer wann und in welchem Umfang informiert werden muss. Vor kurzem berichtete das im F.A.Z.-Verlag erscheinende Magazin Finance von der Kritik der amerikanischen Investmentbank Houlihan Lokey an der Reederei Rickmers. Diese habe sich gegenüber den Anleihegläubigern zwar auf ein Sanierungsgutachten und eine Liquiditätsanalyse berufen, um sie zur Annahme des Restrukturierungsvorschlags zu drängen. Sie habe diesen allerdings keinen vollen Zugang zu den Unterlagen gewährt.
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Dies sei mittlerweile erfolgt, heißt es. Allerdings ist in der Zwischenzeit die erste Abstimmung ohne Versammlung schon mangels Beteiligung gescheitert.
Selten treten die Meinungsverschiedenheiten so offen zutage wie im Fall des insolventen Modelabels Laurèl. Der Steubing German Mittelstand Fund hatte mit Unterstützung anderer Gläubiger einen Gegenantrag zum Insolvenzplan eingereicht. Durch diesen würden die Anleihegläubiger massiv benachteiligt. Der gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger, Frank Günther vom Restrukturierungsspezialisten One Square, müsse den Plan daher ablehnen.
Wer zahlt weniger?
Der Insolvenzplan sieht zunächst für einige Insolvenzgläubiger eine Barabfindung von 11,2 Prozent der Forderungen vor. Die Anleihegläubiger sollen für ihre Forderungen in Höhe von 21,762 Millionen Euro dagegen 170.000 Stückaktien einer neu zu gründenden Holding erhalten. Bei Gleichstellung mit den anderen Gläubigern würden die Aktien auf diese Weise mit 14,34 Euro bewertet, so der Steubing-Fonds.
Dagegen erhalte aber der Planinvestor, ein Fonds der Gesellschaft Robus Capital, für ein Investment von 425.000 Euro etwa 255.000 Aktien zum Stückpreis von 1,67 Euro - er bekommt damit obendrein die Aktienmehrheit. Zwar habe Robus auch einen Massekredit von 2,22 Millionen Euro gewährt. Den dürfe man aber nicht berücksichtigen. Nicht nur seien bloß zwei Millionen ausgezahlt worden, er sei auch erstrangig besichert und Robus erhalte damit wirtschaftliche Werte von mehr als der Höhe seines Anspruchs.
Mehr noch: Das Management erhalte 75.000 Aktien für sogar nur einen Euro das Stück. „Laurèl hat in den vergangenen Jahren auf operativer Ebene Millionenverluste aufgehäuft. Jetzt soll das Management dafür auch noch belohnt werden?“, wundert sich Ralf Meinerzag, der den Steubing-Fonds managt. Für ihn schneiden die Anleihegläubiger sogar bei einer Liquidation besser ab. Vor rund einem halben Jahr hätten zwei Gutachten die Insolvenzquote auf etwa 13 Prozent beziffert.
Minderheitenmeinung?
Günther hält dagegen: „Wir haben die Argumente gegen den Plan zur Kenntnis genommen und sorgfältig geprüft. In diese Prüfung ist auch ein aktuelles Fortführungsgutachten einer internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingeflossen. Auch wenn einzelne Anleihegläubiger das Angebot als wenig attraktiv empfinden, ist und bleibt der Insolvenzplan die bessere Alternative. Soll ich ein als wenig attraktiv empfundenes Angebot ablehnen, wenn es besser ist als die Alternative und keine weitere Alternative auf dem Tisch liegt? Da mache ich mich ja haftbar.“
Zudem habe man sich angesichts der Bedenken um ein Stimmungsbild bemüht. Die weit überwiegende Mehrheit der bekannten Anleihegläubiger habe sich für den Plan ausgesprochen und sogar entsprechende Weisungen erteilt. Was angesichts der geringen Beteiligung an der Versammlung offen bleibt, ist die Zustimmung in Zahlen.
180 Interessenten, kein Käufer
In den sechs Monaten seit Erstellung der von Meinerzag ins Feld geführten Gutachten habe sich viel geändert. Von 180 Interessenten habe keiner ein belastbares Angebot vorgelegt. Das gilt demnach auch für den chinesischen Investor Shenzhen Oriental Fashion, der die Markenrechte für China erworben hat und auf dem viele Hoffnungen ruhten.
Vor allem im Februar muss sich die Situation demnach rapide verschlechtert haben. Anfang jenes Monats hatte Laurèl noch vermeldet, mehrere Investoren hätten Angebote abgeben und es werde eine Entscheidung zwischen diesen und dem Insolvenzplan getroffen. Berater in diesem Verkaufsprozess war übrigens der gemeinsame Vertreter One Square. Drei Wochen später wurde der Insolvenzplan beschlossen und Laurèl erhielt den Massekredit, von Robus, wodurch das Unternehmen Auslieferungen und Vorbestellungen sicherstellen konnte.
Interessenkonflikt?
Der Zerschlagungswert liege nunmehr deutlich unter dem, was der Insolvenzplan hergebe, sagt Günther, der eine Ungleichbehandlung nicht bestreitet. „Aber wenn es nur einen ernsthaften Investor gibt, dann hat man keine gute Verhandlungsbasis. Und wenn der Investor am Management festhalten will, so ist das Thema des Investors. Ob das als schön oder nicht empfunden wird, darf meine Entscheidung nicht beeinflussen.“ Laurèl selbst stellt klar, dass man Robus seit 2015 als Anleihegläubiger und aktiven Investor kennt. In direkter geschäftlicher Beziehung stehe man aber erst seit dem gewährten Massekredit.
In der gleichzeitigen Rolle als M&A-Berater und gemeinsamer Vertreter mag Günther keinen Interessenskonflikt erkennen. „In beiden Fällen ist die maximale Gläubigerbefriedigung das Ziel. Im Gegenteil, die Wahrnehmung der Interessen aus einer Hand schafft Synergien.“
Am Samstag nahm der Konflikt dann eine unerwartete Wendung. Versammlungsleiter One Square sagte die für Montag anberaumte zweite Versammlung der Anleihegläubiger per Pflichtmitteilung ab. Die Versammlung sei nicht beschlussfähig, weil das Quorum von 25 Prozent der ausstehenden Schuldverschreibungen nicht erreicht worden sei. Meinerzag wundert sich: „Für die erste Gläubigerversammlung hatten sich 37 Prozent des Anleihevolumens angemeldet. Wieso sind es bei der zweiten Versammlung dann plötzlich weniger als 25 Prozent? Nach unseren Informationen hätten die Stimmen von Robus und unsere ausgereicht. Womöglich wollte da jemand nicht, dass es zur Abstimmung kommt.“ Merkwürdig sei die geringe Anmeldezahl schon gewesen, sagt Günther. Aber vielleicht habe ja jemand nicht kommen wollen.
Von den Gegenanträgen erfuhren die nicht-beteiligten Anleihegläubiger unterdessen nichts, da diese nicht veröffentlicht wurden. „Die Anträge trafen erst nach Absage der Veranstaltung ein“, sagt Günther. „Die Anmeldefristen waren lange bekannt, man hätte die Anträge auch früher stellen können.“ In der Tat habe man die Anträge erst nach Absage der Versammlung eingereicht, heißt es dazu von Steubing. Andererseits sei die Pflichtmeldung für eine Absage nicht das richtige Medium. Dies hätte zumindest auf den Internet-Seiten von Laurèl veröffentlicht werden müssen. Das sei aber immer noch nicht der Fall. Ohnehin sei umstritten, ob eine Versammlung überhaupt abgesagt werden könne.
Legitimationsdebatte
Am Dienstag auf der Versammlung aller Gläubiger vor dem Amtsgericht stimmte Günther dem Insolvenzplan als gemeinsamer Vertreter dann zu. Dazu sei er befugt. „Das sieht das Schuldverschreibungsgesetz für diesen Fall so vor“, sagt er. Meinerzag hatte Günther zuvor noch aufgefordert, gegen den Plan zu stimmen. „One Square hat keine Legitimation der Anleihegläubiger, für den Insolvenzplan zu stimmen. Der gemeinsame Vertreter muss alle erforderlichen rechtlichen Mittel ergreifen, um die Bestätigung des Insolvenzplans zu verhindern.“ Schließlich hätten sich die Anleihegläubiger ja für die Gegenanträge aussprechen können. Für die Zustimmung zum Insolvenzplan sei zudem eine Änderung der Anleihebedingungen erforderlich. Dazu sei Günther nicht ermächtigt.
One Square ist laut Referenzen in mehr als der Hälfte der Umschuldungs- und Insolvenzfälle bei Mittelstandsanleihen beteiligt, meistens als Vertreter der Anleihegläubiger. Meinerzag sieht diese Rolle kritisch. „In erster Linie will One Square Geld verdienen. Die Gläubiger sind nicht von Interesse. Das funktioniert immer dann, wenn die Gläubiger schlecht organisiert sind oder nur wenige professionelle Anleger darunter sind.“
Ob mit der Zustimmung vor dem Amtsgericht der Konflikt endet, wird sich zeigen müssen. Zunächst einmal steht die Umsetzung laut Pflichtmitteilung unter aufschiebenden Bedingungen. So sei eine Vereinbarung mit den Finanzbehörden zwar schon weit gediehen, aber noch offen. Auch müsse in den nächsten Wochen die neue Struktur technisch umgesetzt werden.
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