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Freitag, 25. November 2016

Italien-Referendum "Wendepunkt zwischen Himmel und Hölle" Italien, der neue apokalyptische Reiter

Italien-Referendum

"Wendepunkt zwischen Himmel und Hölle"

Italien, der neue apokalyptische Reiter

Stand: 22.11.2016, 15:30 Uhr
Italien wählt. Eigentlich geht es "nur" um eine neue Verfassung. Uneigentlich geht es bei der Volksabstimmung am 4. Dezember um viel mehr: um Europas politische Zukunft, den Zusammenhalt und um die Zukunft des Euro. Für die Finanzmärkte ein bedrohliches Zeichen.
Investoren blicken nervös dem apokalyptischen Reiter entgegen, der sich da nähert und die Börsenwelt durcheinanderwirbeln könnte: Das Italien-Referendum am 4. Dezember, wenn die Italiener über eine neue Verfassung abstimmen. Das damit verbundene Schreckensszenario heißt "Italexit". Nach dem Brexit-Votum und der überraschenden Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten ist das die neue Horror-Vision. Sollten die Wähler die Reformen ablehnen, könnte das die Regierung in Rom in eine tiefe Krise stürzen.

Italexit nach dem Rechtsruck?

Die Verfassungsreform soll das bisherige System zweier gleichberechtigter Parlamentskammern abschaffen. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi will so die Befugnisse des Senats und der Regionen beschneiden und damit der Zentralregierung mehr Stabilität verleihen. Das Unklare - und auch Problematische - dabei ist aber: Was, wenn Renzis Landleute mit "No" votierten? In den vergangenen beiden Monaten hatte Renzi mehrfach mit Rücktritt gedroht, war dann aber zurückgerudert. Vorige Woche hatte der italienische Ministerpräsident einen Verbleib im Amt dann doch wieder ausgeschlossen, sollte das Volk nicht hinter seinem Vorhaben stehen.
Sollte der 41-jährige Florentiner zurücktreten und sich nicht an der Bildung einer Übergangsregierung beteiligen, könnte das weit reichende Folgen haben. Befürchtet wird nicht nur eine Regierungskrise, die sich negativ auf die sowieso schon lahmende italienische Wirtschaft auswirken würde. "Wenn Renzi das Referendum verliert, fängt das Gebilde Europa an zu bröckeln", sagt der Volkswirt der National-Bank, Dirk Gojny. "Dies könnte nicht nur Italien, sondern die gesamte Euro-Zone destabilisieren", warnte auch Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London. Experten fürchten nämlich, dass dann Rechtspopulisten wie die Protestpartei Fünf Sterne unter der Führung des Komikers Beppe Grillo die Oberhand gewinnen können und sich für einen Ausstieg aus der Europäischen Union stark machen könnten. Renzi gilt als einer der letzten verbliebenen, wichtigen Europa-Freunde in der EU.
"Ein Rückzug Renzis stürzt Italien wieder ins politische Chaos und das mit vielen nicht erledigten Hausaufgaben", sagt Gojny. Die Wirtschaft dort hinkt anderen EU-Staaten hinterher, die Arbeitslosigkeit verharrt seit Jahren bei rund zwölf Prozent. Nachbar Spanien hat zwar viel mehr Arbeitslose, hat die Quote aber in der jüngsten Vergangenheit deutlich gesenkt.

Flucht aus Anleihen

Es gibt noch zu viel "sollte" und "könnte" in diesen Überlegungen, um Ausgang der Wahl und Folgekette abzuschätzen. Glaubt man den Umfragen, steht Renzi am 4. Dezember als großer Verlierer da. Doch was Umfragen wert sind, wissen wir spätestens seit der letzten US-Wahl.
Doch Anleger reagieren schon jetzt, flüchten sowohl aus italienischen Staatsanleihen als auch aus Aktien. "Der Markt sieht dieses Referendum als Wendepunkt zwischen Himmel und Hölle an", sagte Anleihe-Experte Sergio Capaldi von der Bank Intesa Sanpaolo. Die Verkaufswelle italienischer Staatsanleihen hat deren Renditen deutlich steigen lassen. Das drückt die Anleihekurse und macht entsprechend den dortigen Banken zu schaffen. "Gerade die Banken haben einen Großteil davon in den Büchern", sagt Gojny. Seit den Sommer haben sich die Renditen der zehnjährigen Titel auf ein Eineinhalb-Jahres-Hoch von 2,2 Prozent verdoppelt. Ein Anstieg auf drei Prozent, also auf das Niveau vom Frühjahr 2014, ist nach Meinung von Commerzbank-Experten Christoph Rieger möglich.

Flucht aus Italo-Aktien

Die italienischen Geldhäuser haben ohnehin schon schwer zu tragen. Sie ächzen unter ihrem schätzungsweise 360 Milliarden Euro schweren Paket fauler Kredite. Um ihre Kapitalreserven für künftige Krisen aufzufüllen, planen mehrere Institute gigantische Kapitalerhöhungen. Die Banca Monte dei Paschi di Siena, das älteste Geldhaus der Welt, braucht rund fünf Milliarden Euro zusätzlich.
Die HVB-Mutter UniCredit will sogar bis zu 13 Milliarden Euro einsammeln. Italienische Bank-Aktien standen daher in den letzten Monaten arg unter Druck. Sollte Renzi bei dem Referendum verlieren, wird die Rettung der italienischen Banken schwieriger.
Banca Monte dei Paschi: Kursverlauf am Börsenplatz Frankfurt für den Zeitraum 1 Jahr
Kurs
0,23
Differenz absolut
0,01
Differenz relativ
+2,63%
UniCredit: Kursverlauf am Börsenplatz Xetra für den Zeitraum 1 Jahr
Kurs
1,98
Differenz absolut
-0,01
Differenz relativ
-0,70%
Banco Popolare: Kursverlauf am Börsenplatz Frankfurt für den Zeitraum 1 Jahr
Kurs
1,90
Differenz absolut
0,13
Differenz relativ
+7,27%
Wegen eines möglicherweise drohenden Italexit sind italienische Aktien generell in Ungnade gefallen. In den vergangenen sechs Monaten verlor der Mailänder Auswahlindex mehr als acht Prozent, während der EuroStoxx 50 gut zwei Prozent und der Dax sogar fast acht Prozent zulegte. Die Börse in Spanien, wo es ein monatelanges Regierungschaos gab, steht mit einem Verlust von 1,5 Prozent in dem Zeitraum vergleichsweise gut da. "Die Märkte sind sich des politischen Risikos in Italien mittlerweile sehr stark bewusst", sagt Rieger. Die Analysten der Deutschen Bank rechnen mit weiteren deutlichen Einbußen, sollte Renzi das Referendum verlieren. Selbst die italienische Zentralbank warnte vor turbulenten Zeiten an den Finanzmärkten.
"Zurückhaltung heißt das Gebot der Stunde für die Anleger, was das Thema Europa angeht", sagte Marktexperte Jochen Stanzl vom Brokerhaus CMC Markets. "Die Populisten wittern ihre Chance und schüren die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Eurozone."

Retter Draghi?

Zumindest der Anleihemarkt könnte im Falle eines "No" schnell wieder stabilisiert werden. "Das Glück für Italien ist, dass nur vier Tage nach dem Referendum die EZB tagt und die wird alles daran setzen, dass eine mögliche Verkaufswelle an den Anleihemärkten gestoppt wird", sagt Commerzbank-Analyst Rieger. Daher glaubt der Commerzbank-Analyst nicht, dass die Renditen lange so hoch bleiben werden.
Die Europäische Zentralbank (EZB) kauft seit März 2015 Staatsanleihen und andere Wertpapiere an den Märkten auf, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das auf 1,74 Billionen Euro angelegte Programm soll noch mindestens vier Monate laufen. Experten erwarten, dass die Währungshüter um EZB-Chef Mario Draghi im Dezember eine Verlängerung des Programms um mindestens ein halbes Jahr verkünden.
Aber, das große Aber soll nicht unerwähnt bleiben: Selbst wenn die EZB es schafft, bei einem Renzi-Rücktritt die Nerven der Anleger erst einmal zu beruhigen: Der nächste apokalyptische Reiter kündigt sich bereits an. Die Präsidentschafts-Wahl in Frankreich, bei der es auf ein Duell zwischen den Konservativen und der rechtsextremen Front National hinausläuft. Und was aus Brexit und Trump wird, weiß auch niemand so genau.

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