Sonntag, 29. Juli 2018
"Jeden Gegner abschrecken"Professor fordert deutsche Atombombe
Die "America First"-Rufe von US-Präsident Trump lösen in Europa tiefgehende Verunsicherung aus. Ein renommierter Kenner der US-Außenpolitik sieht die Zusage militärischen Beistands bröckeln. Deutschland, so heißt es, müsse "zukunftsorientiert denken und handeln".
Der Politikwissenschaftler Christian Hacke hat sich in einem Gastbeitrag für die "Welt am Sonntag" für eine atomare Bewaffnung Deutschlands ausgesprochen. Die Bundesrepublik müsse erstmals seit 1949 ohne nuklearen Schutzschirm der USA auskommen, schreibt Hacke offenbar mit Blick auf die neuen Unwägbarkeiten unter US-Präsident Donald Trump.
Deutschland sei "im extremen Krisenfall heute schutzlos", behauptet er. Deshalb solle die Bundesrepublik "zukunftsorientiert denken und handeln", damit "jeder potenzielle Angreifer nuklear abgeschreckt werden" könne. Hacke lehrte an der Universität der Bundeswehr in Hamburg und an der Universität Bonn. 2008 wurde er emeritiert.
FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff widersprach Hacke umgehend. Zwar sei es notwendig, "über das Thema nuklearer Waffen öffentlich zu diskutieren", sagte er der Zeitung. Deutschland als Atommacht würde nach seiner Auffassung jedoch zu einer weiteren Beschädigung der multilateralen Weltordnung führen - vor allem des nuklearen Nichtverbreitungsvertrags und des Zwei-plus-Vier-Vertrags.
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Widerstand gegen Hackes Vorstoß kommt nicht nur aus der Politik, sondern auch aus den Reihen der Militärs. Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, warnte ausdrücklich vor einer atomaren Aufrüstung in Deutschland. Ein "Alleingang als Nuklearmacht" gefährde die Fundamente unserer Sicherheit, schreibt Kujat in einem Kommentar zu Hackes Beitrag in der "Welt am Sonntag".
Russland würde in einem solchen Fall "ein eurostrategisches, nukleares Gegengewicht aufbauen", erklärt der frühere Bundeswehr-General Kujat. Der Schritt zur Atommacht wäre daher "mit erheblichen sicherheitspolitischen und strategischen Risiken für uns und unsere Verbündeten" verbunden.
Eine nukleare Aufrüstung in Deutschland wäre tatsächlich ein enormer Bruch mit den bisherigen Linien der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik. Als Nato-Mitglied und wichtiger Partner in der Gruppe der westlichen Industriestaaten ist die Bundesrepublik seit Jahrzehnten fest in die gemeinsame Verteidigung eingebunden - unter anderem auch durch die sogenannte "nuklearen Teilhabe".
Mehr Verbündete als nur die USA
Dieses politisch-strategische Konzept sieht vor, dass Bündnispartner ohne eigene Atomwaffen geeignete Flugzeuge und Piloten vorhalten, um im Fall eines Angriffs von außen zur Not auch US-Nuklearwaffen durch Kapazitäten der eigenen Streitkräfte einsetzen zu können. Diese Fähigkeiten sollen die abschreckende Wirkung des atomaren Arsenals auf konventionell gerüstete Staaten wie etwa Deutschland ausdehnen.
Hackes Vorstoß scheint zudem außer Acht zu lassen, dass sich die deutsche Verteidigungspolitik längst nicht nur auf das Nukleararsenal der USA stützen muss. Mit Großbritannien und Frankreich gibt es diesseits des Atlantiks zwei weitere Atommächte, die als enge Verbündete und Nato-Partner im Ernstfall auch militärischen Beistand leisten könnten.
Quelle: n-tv.de , mmo/dpa
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