Argentiniens Wirtschaftsreformen
Macris riskante Wette
Die mutige Reformpolitik von Mauricio Macri hat erstmals einen Rückschlag erlitten. Das könnte seiner Popularität schaden. Macri muss nun mehr denn je auf eine rasche Belebung der Konjunktur hoffen.
Seit seinem Amtsantritt vor acht Monaten mutet der argentinische Präsident Mauricio Macri der Bevölkerung in kurzer Zeit so viele radikale Wechsel zu, dass den Argentiniern davon fast schwindlig wird. Dabei hat er in dieser kurzen Zeit in wirtschaftlicher Hinsicht extrem viel zum Positiven gewendet.
Der ehemalige Unternehmer und Bürgermeister von Buenos Airesstartete im Dezember ein Reformprogramm, das er zuvor im Wahlkampf angekündigt hatte: Er gab den Wechselkurs des Peso frei und beendete die Devisenkontrollen. Er öffnete das Land für den Handel, reduzierte die Exportsteuern auf Agrarprodukten und strich die Subventionen für öffentliche Tarife wie Strom, Gas und Transport. Er löste das Schuldenproblem mit den Hedge-Funds in New York, welches das Land fünfzehn Jahre von den internationalen Finanzmärkten isoliert hatte; Argentinien ist nun wieder kreditwürdig im Ausland. Macri startete ausserdem eine Steueramnestie. Er hofft, 60 Milliarden Dollar wieder in den offiziellen Geldkreislauf einschleusen zu können. Selten zuvor haben Präsidenten in Lateinamerika solche grundsätzlichen Massnahmen mit ähnlicher Dynamik umgesetzt.
Doch jetzt hat Macri erstmals einen Rückschlag erlitten: Der Oberste Gerichtshof hat einstimmig die Erhöhung der Gaspreise vom April dieses Jahres als rechtswidrig verurteilt, weil die Regierung nicht die vorgeschriebenen öffentlichen Anhörungen für eine Preiserhöhung beachtet habe. Dieser Einspruch der Justiz gegen das Vorgehen des Präsidenten wird nicht der letzte bleiben: Unternehmen, aber auch Privatpersonen werden nun klagen, dass die Bus- und Strompreise ebenfalls angehoben wurden ohne Anhörungen. Das wird die Regierung erhebliche Popularität kosten. Für Macri ist dies riskant: Im Kongress hat er keine Mehrheit. Bisher konnte er vor allem mit Charme und Chuzpe überparteiliche Allianzen schmieden, oder er regierte per Dekret. In der Aufbruchsstimmung nach seinem Antritt war das möglich. Bis jetzt ist Macri noch erstaunlich populär.
Doch die Unterstützung in der Bevölkerung könnte bald deutlich schwinden, und zwar vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Stagnation des Landes. Argentiniens Wirtschaftsleistung dürfte dieses Jahr um etwa 1,6 Prozent sinken. Bereits jetzt sind die Realeinkommen durch die hohe Inflation, die Abwertung und die Tariferhöhungen geschrumpft. Wenn nicht bald die Anzeichen auf Wachstum stehen, könnte die Stimmung in Argentinien schnell umschlagen. Dann würde Macri die Macht verlieren, um notwendige Reformen fortzusetzen.
Macri weiss, dass weder der Konsum noch der Staat die Konjunktur beleben können. Nur Investitionen vermögen dauerhaft Arbeitsplätze zu schaffen und die Kaufkraft wieder zu steigern. Doch die Unternehmen halten sich zurück. Noch trauen sie dem Frieden nicht in dem Land, dessen Regierung sie über fast eineinhalb Jahrzehnte schlecht behandelt hat. Die nächsten Monate werden zeigen, ob Macris Wette aufgeht und die Konjunktur anspringt. Sollte er scheitern, wäre das nicht nur für Argentinien tragisch. Ganz Lateinamerika blickt derzeit zum Pampaland – als neuer Hoffnung auf dem Kontinent.
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