BankgeheimnisDen Schweizer Privatbanken fehlt das Schwarzgeld
Einst standen Schweizer Banken für kompromisslose Verschwiegenheit. Doch das gehört auf amerikanischen Druck hin der Vergangenheit an. Seitdem verschwinden viele kleinere Institute vom Markt.
25.08.2016, von JOHANNES RITTER, ZÜRICH
Ob Miami, Málaga oder München – in den edlen Golfclubs dieser Welt tummelten sich einst Vermögensverwalter aus der Schweiz und boten diskret ihre Dienste feil. Teure Filialen im Ausland mussten sie dafür nicht unbedingt aufmachen. Das Bankgeheimnis war Lockruf genug, um die Gelder der reichen Kunden anzuziehen. Doch unter internationalem respektive amerikanischem Druck mussten die Eidgenossen ihr Bankgeheimnis zu Grabe tragen. Darunter leiden die Banken bis heute, denn durch die „Regularisierung“, wie die Aufdeckung unversteuerter Vermögen und Schwarzgelder euphemistisch genannt wird, gingen ihnen zig Milliarden an Kundengeldern verloren.
Während Großbanken wie UBS und Credit Suisse dank ihrer starken Standbeine im wachsenden Geschäft mit vermögenden Kunden in Asien die Abflüsse wenigstens zum Teil kompensieren können, tun sich kleinere Institute sehr schwer. Privatbanken mit einem verwalteten Vermögen von weniger als 10 Milliarden Franken, die nur von der Schweiz aus agieren, hätten größte Schwierigkeiten, an neue Kunden heranzukommen, sagte Christian Hintermann, der bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in der Schweiz für die Beratung von Finanzdienstleistern zuständig ist, vor Journalisten in Zürich.
Mehr zum Thema
Die Basis für diese Einschätzung bildet eine Studie der KPMG und der Universität St. Gallen zur Lage der Privatbanken in der Schweiz. Deren Anzahl ist von 2005 bis Mitte 2016 um gut 35 Prozent auf 117 gesunken. Allein im vergangenen Jahr verschwand jedes zehnte Institut vom Markt, wobei spektakuläre Pleiten ausblieben: In den meisten Fällen wechselten die Kundenberater und das verwaltete Kundenvermögen in das Lager einer anderen Bank. Derartige „Asset-Deals“ haben den Vorteil, dass der Käufer keine unkalkulierbaren Rechtsrisiken (beispielsweise aus noch laufenden Steuerverfahren) übernehmen muss. Auch ausländische Institute wie die Royal Bank of Scotland und Coutts International haben ihre Schweizer Einheiten abgegeben. „Die Konsolidierung in der Branche wird im gleichen Tempo weitergehen. In zwei Jahren werden weniger als 100 Privatbanken übrig sein“, sagte Hintermann. Für diese Auslese ist allerdings nicht nur der forcierte Kampf von Regierungen gegen die Schwarzgeldsünder und Geldwäscher aus aller Welt verantwortlich, sondern ein toxischer Cocktail, der auch vielen Banken außerhalb der Schweiz sehr schlecht bekommt.
Komplexe, regulatorische Hürden
Dazu gehören die komplexen regulatorischen Hürden, die veränderten Ansprüche junger Kunden an die Digitalisierung ihrer Bankgeschäfte sowie natürlich die margenzehrenden Niedrigzinsen. Sehr problematisch für die Vermögensverwalter ist überdies, dass viele Kunden misstrauisch und verunsichert sind und ihr Geld lieber in bar vorhalten, anstatt es in Anlageprodukte zu investieren. Entsprechend gehen die Provisionen zurück. Zugleich müssen die Banken für die Bargeldbestände Strafzinsen in dreistelliger Millionenhöhe an die Schweizerische Nationalbank überweisen.
Auf diese Schwierigkeiten hat jüngst auch die UBS hingewiesen. Die größte Schweizer Bank verwaltet für ihre Kunden ein Vermögen von 1,7 Billionen Dollar und ist damit Marktführer in der Welt. „Ich suche kein Neugeld, auf dem ich kein Geld verdienen kann“, sagte der UBS-Vorstand Jürg Zeltner diese Woche bei einer Tagung in Zürich. Mit anderen Worten: Was nützt es, mit viel Aufwand einen neuen Kunden an Land zu ziehen, wenn dieser nicht bereit ist, sein Geld auch aktiv verwalten zu lassen? Zugleich sprach Zeltner über den enormen Kostendruck in seiner Bank: Die UBS spare Hunderte Millionen Franken in der Vermögensverwaltung ein und habe Hunderte von Entlassungen aussprechen müssen.
Drücken von Kosten
Auch die anderen Schweizer Privatbanken müssen ihre Kosten drücken. Von den 87 Instituten, deren Zahlen in die KPMG-Studie einflossen (wobei die Schwergewichte UBS und Credit Suisse aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit außen vor blieben), mussten zwei Drittel einen Rückgang der Eigenkapitalrendite hinnehmen. Gut ein Viertel schloss mit Verlust ab. Nur sechs Banken gelang es, die Rendite in den vergangenen drei Jahren kontinuierlich zu steigern.
Vor diesem Hintergrund reiche es nicht aus, nur an den Geschäftsmodellen herumzuschrauben. Vielmehr müssten radikale Schritte unternommen werden, sagte Hintermann. Die internen Prozesse müssten viel stärker standardisiert und automatisiert werden. Ferner sprach sich der KPMG-Manager für eine Ausgliederung von kundenfernen Arbeiten (Outsourcing) sowie eine enge Kooperation unter den Banken aus. Gerade die kleinen Institute hätten nicht die Mittel, um in die digitale Auf- und Umrüstung des Geschäfts zu investieren. Als Beispiele für eine Zusammenarbeit hinter den Kulissen nannte er die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und die Produktentwicklung. Die psychologischen Hürden für einen solchen Schritt hin zu einer gemeinsamen Transaktionsbank seien allerdings hoch bei Privatbankiers, die oft über Generationen hinweg als unabhängige Inhaber agiert hätten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen