EnergieDer Algier-Effekt treibt den Ölpreis über 50 Dollar
Energie ist wieder deutlich teurer geworden. Der Preis für Rohöl steigt über 50 Dollar je Fass – der Preis für Heizöl in Deutschland über 50 Cent je Liter. Woran liegt das?
19.08.2016, von CHRISTIAN SIEDENBIEDEL
© DPABei dem nächsten Treffen der Erdölexport-Länder Ende September soll über Preisobergrenzen für Rohstoffe diskutiert werden.
Wer an einem etwas kühleren Abend in letzter Zeit überlegt hat, schon mal Heizöl für den Winter zu kaufen, dem ist womöglich aufgefallen: Seit dem 2. August geht es mit dem Heizölpreis fast täglich aufwärts. Am Freitag erreichte der Preis je Liter nach Angaben des Internetportals Heizoel24, für das immerhin 500 Ölhändler in Deutschland ihre Daten liefern, mit rund 51 Cent zumindest die „Zone“ eines Jahreshochs. Über den Sommer hatten die Preise deutlich nachgegeben, wohl vor allem wegen des starken Rückgangs der internationalen Rohölpreise, allerdings auch aufgrund hoher Lagerbestände und geringer Verkäufe. Dies war insbesondere in der Nähe der großen süddeutschen Raffineriestandorte Karlsruhe und Ingolstadt zu spüren.
Auch beim Benzin sind die höherenÖlpreise wahrzunehmen, wenn auch noch nicht in diesem Maße. Nach Zahlen der Markttransparenzstelle des Bundeskartellamtes kostete Diesel zuletzt im Durchschnitt wieder mehr als 1,07 Euro je Liter, Super (E10) stieg über 1,265 Euro je Liter. Das war eine Aufwärtsbewegung gegenüber den Vorwochen – aber noch keine sehr auffällige.
Hintergrund der höheren Energiepreise ist eine bemerkenswerte Rallye der Rohölpreise: Der Preis der Nordseesorte Brent hat die Grenze von 50 Dollar je Fass (159 Liter) wieder überschritten und notierte am Freitagnachmittag bei 50,62 Dollar. Die amerikanische Sorte West Texas Intermediate (WTI) kostete rund 48 Dollar je Liter. Bei Preise haben seit Monatsbeginn wieder deutlich zugelegt. Ausgehend vom Monatstief beträgt der Aufschlag durch die anhaltende Preisrallye nunmehr rund 20 Prozent. Anfang August hatte der Brent-Preis noch unter 42 Dollar gelegen.
Das Ausmaß der Schwankungen des Ölpreises in letzter Zeit ist auffällig. 2014 und 2015 war der Preis sehr stark gefallen, von mehr als 100 Dollar je Fass auf gut 28 Dollar Anfang dieses Jahres. Von Januar bis Juni 2016 war er dann wieder gestiegen, auf mehr als 53 Dollar. In der zweiten Junihälfte und im Juli war Öl aber wieder deutlich billiger geworden, bis auf weniger als 42 Dollar. Das hatte sogar die Aktienmärkte, vor allem in Ländern mit großen Ölförder-Unternehmen und -Dienstleistern, in Mitleidenschaft gezogen. Und jetzt, im August, steigt der Ölpreis wieder auffällig stark.
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Mit Schwankungen in der Konjunktur, also stark schwankender Nachfrage nach Öl, ist dieses extreme Auf und Ab kaum zu erklären. Die wirtschaftliche Entwicklung, und auch die Entwicklung an anderen Märkten und Börsen, ist deutlich ruhiger verlaufen. Dahinter steckt wohl vor allem Spekulation – und zwar Spekulation auf das Verhalten der Ölförderländer.
Treffen der erdölexportierenden Länder eventuell nicht erfolgversprechend
Im Augenblick ist die große Frage, ob es jetzt doch eine Verständigung zwischen Ölförderländern über ein „Einfrieren“ („Freeze“) der Ölfördermenge gibt. Ende September soll ein informelles Treffen der Mitglieder der Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) in Algier, der Hauptstadt von Algerien stattfinden. Opec-Präsident Saleh Al Sada, der Ölminister von Qatar, hatte das Treffen Anfang August einberufen. Und seither steigt der Ölpreis. Auch Absprachen mit anderen Ländern, allen voran Russland, sind dabei im Gespräch.
Auch wenn das Treffen offenkundig der Grund ist, warum viele Marktteilnehmer auf höhere Ölpreise wetten und damit den Preis hochtreiben, ist keineswegs gesagt, dass bei dem Treffen irgendetwas herauskommt. Im Gegenteil. Die vergangenen Treffen, etwa im Frühjahr in Doha, der Hauptstadt von Qatar, waren ausgegangen wie das Hornberger Schießen: Insbesondere Saudi-Arabien und Iran, zwei wichtige Förderländer, die um geopolitischen Einfluss im Nahen Osten ringen, hatten sich nicht einigen können. Saudi-Arabien hatte in letzter Minute gesagt, man mache nur mit, wenn Iran mitmache. Und Iran hatte schon vorher gesagt, das Land wolle erstmal wieder auf die Fördermengen aus der Zeit vor den Atomsanktionen des Westens kommen. Immerhin ist das jetzt ungefähr geschafft – das könnte die Chancen verbessern.
Ölanalyst hält Ölpreiswende für unwahrscheinlich
Eugen Weinberg, Ölanalyst der Commerzbank, ist nach den vielen gescheiterten Gesprächen der Ölländer sehr ernüchtert, und glaubt nicht, dass das jetzt die Wende für den Ölpreis ist. Er arbeitet gerade an einer Studie zu dem Thema, die er unter das Motto „Viel Lärm um nichts“ stellen will. Immerhin war es beim Doha-Treffen auch so gewesen, dass der Ölpreis vorher gestiegen war, weil manche darauf spekuliert hatten, dass bei dem Treffen etwas herauskommen könnte. Und als nichts herauskam, fiel der Ölpreis umgehend wieder.
„Wahrscheinlich wird der Preis schon in den kommenden Tagen wieder gen Süden gehen, also sinken, nachdem sich am Markt die Erkenntnis durchsetzt, dass das Treffen in Algerien bedeutungslos ist“, meint Weinberg.
Vielleicht haben die Ölförderländer auch nur begriffen, dass man auch verbal den Preis hoch oder runter treiben kann. So ähnlich, wie das beispielsweise EZB-Präsident Mario Draghi mit dem Euro gemacht hatte. Vor Beginn der Staatsanleihenkäufe hatte Draghi öfter mal in Ansprachen den Euro stark oder schwach geredet – schon seine Worte reichten.
Russland offen für Gespräche über mögliche Preisobergrenzen
In den vergangenen Tagen ließen viele Politiker von Ölländern auf jeden Fall keine Gelegenheit aus, um über mögliche Ergebnisse des Treffens in Algerien zu spekulieren. Russlands Energieministers Alexander Nowak ließ sich zitieren, das rohstoffreiche Land sei offen für Gespräche über mögliche Obergrenzen. Das arme Venezuela wirbt ohnehin für höhere Ölpreise, um seinen Staatshaushalt bestreiten zu können, und auch Saudi-Arabien heizte die Stimmung mit gewissen Andeutungen an. Es müssten in Algier „mögliche Szenarien diskutiert werden, um den Preis zu stabilisieren“, sagte der saudische Ölminister Khalid al-Falih. Der früherer Opec-Präsident Chakib Khelil aus Algerien strich heraus, eigentlich seien aus seiner Sicht alle Bedingungen für eine Einigung über die Drosselung der Fördermengen erfüllt. Schließlich förderten Russland, Iran, Irak und Saudi-Arabien praktisch auf Rekordniveau. Saudi-Arabien soll seine Fördermenge bereits im Juni angehoben haben – und könnte in diesem Monat einen neuen Höchststand erreichen.
Wenn alle Ölländer schon wie verrückt fördern und womöglich schon zum Teil an ihren Kapazitätsobergrenzen sind – dann könnte es für sie leichter sein, sich auf ein Einfrieren der Fördermenge zu einigen. Allerdings würde das dann auch weniger bringen.
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