NÖRDLINGEN
Wirtschaftskrimi um Strenesse
Eine Holding wollte das Unternehmen und alle 240 Mitarbeiter übernehmen. Nun ist der Kauf geplatzt. Investor und Insolvenzverwalter erheben gegenseitig Vorwürfe. Von Jan Kandzora
Die Rettung schien so nah. Es ist erst ein paar Tage her, dass der Insolvenzverwalter der Strenesse AG, Jörg Nerlich, ankündigte, dass deren Geschäftsbetrieb noch in dieser Woche auf den Investor übergeleitet werden solle. Es wäre der letzte Schritt gewesen, nachdem ein Käufer gefunden war, die Maeg Holding mit Sitz in Amsterdam. Nachdem die Strenesse GmbH gegründet wurde, unter deren Dach der Mode-Hersteller firmieren sollte. Nachdem ein Geschäftsführer für eben jene GmbH kam. Ein letzter Schritt, nach so vielen Schritten in Richtung Rettung.
Doch am Ende brach alles in sich zusammen. Als die Mitarbeiter gestern Mittag zur Betriebsversammlung gerufen wurden, ahnten sie nicht, was sie erwartet. Eigentlich, sagt Nerlich, hätte es „um die offizielle Stabübergabe“ gehen sollen. Darum, dass Strenesse nun endgültig einen neuen Eigentümer hat. Doch kurz vor Beginn der Versammlung, erzählt Nerlich, habe er erfahren, dass der Investor den Kaufpreis nicht zahlen werde. Dabei habe es am Abend vorher noch geheißen, dass gezahlt werden soll. Ohne Vorbehalte. Die Versammlung stand dann unter anderen, dramatischeren Vorzeichen. Nerlich hat nun die Geschäfte übernommen, Strenesse wird damit künftig weiter unter der AG firmieren, auch wenn die GmbH offenbar zuletzt schon den Betrieb führte und auch bereits im Handelsregister eingetragen ist.
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War es so, wie der Insolvenzverwalter es schildert? Klar ist, dass es zuletzt bereits merklich zwischen der Eigenverwaltung der insolventen AG und den Kaufinteressenten knirschte. So schildert die Holding, hinter der die vermögende polnische Familie Kucharczyk steht, die Sachlage auch gänzlich anders. Es habe sich herausgestellt, dass die Angaben über die wirtschaftliche Situation von Strenesse falsch gewesen seien. Auf dieser Grundlage sei „ein wirtschaftlicher Betrieb von Strenesse nicht möglich“, teilt Maeg-Geschäftsführer Mateusz Kucharczyk mit. Zudem sei die Vertrauensbasis zu dem Vertragspartner Strenesse AG beschädigt. Die Investment-Gesellschaft sieht sich getäuscht. Ihre Vorwürfe sind ein Pfund. Hat Strenesse die eigene Situation beschönigt, um an einen Investor zu gelangen, der, sobald er mal detaillierten Einblick in die Bücher hat, einen Rückzieher macht?
Insolvenzverwalter kündigt rechtliche Schritte an
Insolvenzverwalter Nerlich weist das zurück. Darüber hinaus kündigt er rechtliche Schritte an. Es sei eine falsche Tatsachenbehauptung, dass mit inkorrekten Zahlen hantiert worden sei.
Für die Mitarbeiter dürfte nur eine untergeordnete Rolle spielen, warum genau der Kauf nicht zustande kam. Die relevante Nachricht für sie ist, dass ihre Zukunft und die ihres Unternehmens weiterhin ungewiss ist. Die gestrige Mitteilung war für sie ein Schock. Und einer, der plötzlich kam. Als unsere Zeitung gestern das erste Mal in der Zentrale nachfragte, wie die neue Entwicklung aufgenommen wurde, wussten viele Angestellte noch nicht einmal von dem geplatzten Deal.
Wie es mit Strenesse nun weitergeht, ist völlig unklar. Die Eigenverwaltung in der Insolvenz, nach der Strenesse weiterhin selbstständig agieren konnte, wurde vor einigen Tagen aufgehoben. Die Strenesse AG befindet sich seither in einem regulären Insolvenzverfahren. Offenbar war dieser Schritt dazu gedacht, die insolvente AG endgültig abzuwickeln. Nun bedeutet er, dass Insolvenzverwalter Nerlich fortan die Geschäfte leitet. Man werde nun zu anderen Interessenten Kontakt aufnehmen, sagt Nerlich. Aus dem Gläubigerausschuss heißt es, das man zuversichtlich sei, eine Lösung zu finden, die trägt.
Die Lösung mit der Maeg Holding, sie trug nicht.
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