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Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser, |
die Einigung von CDU, CSUund SPD auf einen Koalitionsvertrag hätte eigentlich Erleichterung auslösen müssen. Doch weder in der Bevölkerung noch in der Wirtschaft wollte Begeisterung aufkommen. Für Euphorie gibt es tatsächlich wenig Grund. Erstens kann der Mitgliederentscheid der SPD das Projekt Regierungsbildung noch zum Scheitern bringen. Zweitens liefert der Koalitionsvertrag nicht die erhoffte Blaupause, mit der die größte Volkswirtschaft Europas zukunftsfest gemacht wird.
An vielen Stellen des Papiers ist zwar von „neuem Aufbruch“, „neuer Dynamik“ und „Offensiven“ die Rede. Tatsächlich entpuppt sich der Koalitionsvertrag aber als Politik des „Weiter so“. Union und SPD eint vor allem der gemeinsame Wille zu regieren – und nicht der Anspruch, das Land wirklich zu verändern. Grundlegende Reformen sind nicht geplant. Herausforderungen wie die Flüchtlingskrise, die demografische Entwicklung oder die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft werden entweder halbherzig oder gar nicht angegangen.
Stattdessen zeigen sich Union und SPD als Große Koalition der Umverteiler. Nur ist Geldverteilen noch kein Garant für die nachhaltige Sicherung von Wachstum und Wohlstand. Es ist eine Illusion zu glauben, dass mit der Aufstockung der Mütterrente, einem höheren Kindergeld oder zusätzlichen Pflegekräften die Zukunft Deutschlands gesichert werde.
Richtig ist, dass Union und SPD die Investitionen in Bildung und Forschungsowie den Ausbau des Breitbandnetzes aufstocken. In diesen Bereichen ist der Nachholbedarf nicht nur groß, das Steuergeld ist hier auch richtig angelegt. Ansonsten folgt den richtigen Erkenntnissen oft keine konkrete Antwort. So stellen Union und SPD zwar fest, dass sich die globalen Kräfteverhältnisse in den vergangenen Jahren verschoben haben und Europa stärker werden muss. Doch wer im Koalitionsvertrag konkrete Vorschläge sucht, wie Europa wettbewerbsfähiger werden könnte, wird enttäuscht.
Dass Amerika mit einer historischen Steuerreform und China mit Milliardeninvestitionen in künstliche Intelligenz Europain Sachen Wettbewerbsfähigkeit davoneilen, scheint Merkelund Schulz nicht wirklich zu interessieren. Anders ist nicht zu erklären, dass die geplante Steuersenkung von zehn Milliarden Euro erst in drei Jahren und der Rechtsanspruch auf schnelles Internet erst in sieben Jahren umgesetzt werden sollen.
Vollbeschäftigung, volle Staatskassen und erfolgreiche Unternehmen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland Gefahr läuft, den Anschluss an die Länder zu verlieren, die die Zukunftsthemen entschlossen anpacken. Die Erkenntnis, dass Deutschlands Wohlstandkeine Selbstverständlichkeit ist, wird in der Großen Koalition offenbar nicht ernst genommen. Hoffentlich ändert sich das noch.
Ich wünsche Ihnen einen hoffnungsvollen Tag. Herzlichst,
Sven Afhüppe
Chefredakteur |
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