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Dienstag, 27. Dezember 2016

Ausländische Steuersünder sind auch Menschen und haben ihre Rechte. Dies illustriert ein neues Urteil des Genfer Kantonsgerichts (Cour de Justice). Das Gericht verknurrt mit seinem Entscheid vom 2. Dezember die Schweizer Bank BNP Paribas Suisse dazu, den Auftrag eines französischen Kunden vom Dezember 2013 zur Überweisung seiner Bankguthaben von rund 600 000 € in ein Drittland auch ohne steuerliche Offenlegung auszuführen. Ursprünglich wollte der Kunde eine Überweisung nach Dubai, wenig später wählte er die niederländische Bank ABN Amro in Amsterdam als Bestimmungsort.


Pikantes Gerichtsurteil
Auch Steuersünder dürfen über ihr Konto verfügen

von Hansueli Schöchli
Eine Schweizer Bank muss den Überweisungsauftrag eines französischen Kunden ausführen, auch wenn die betroffenen Gelder unversteuert sind. Dies sagt das Genfer Kantonsgericht.
BNP Paribas hatte sich geweigert, den Auftrag auszuführen, weil der Kunde einer Aufforderung zum Nachweis der ordentlichen Versteuerung der Gelder nicht nachgekommen war. (Bild: Gonzalo Fuentes / Reuters)

BNP Paribas hatte sich geweigert, den Auftrag auszuführen, weil der Kunde einer Aufforderung zum Nachweis der ordentlichen Versteuerung der Gelder nicht nachgekommen war. (Bild: Gonzalo Fuentes / Reuters)


Ausländische Steuersünder sind auch Menschen und haben ihre Rechte. Dies illustriert ein neues Urteil des Genfer Kantonsgerichts (Cour de Justice). Das Gericht verknurrt mit seinem Entscheid vom 2. Dezember die Schweizer Bank BNP Paribas Suisse dazu, den Auftrag eines französischen Kunden vom Dezember 2013 zur Überweisung seiner Bankguthaben von rund 600 000 € in ein Drittland auch ohne steuerliche Offenlegung auszuführen. Ursprünglich wollte der Kunde eine Überweisung nach Dubai, wenig später wählte er die niederländische Bank ABN Amro in Amsterdam als Bestimmungsort.
BNP Paribas hatte sich geweigert, den Auftrag auszuführen, weil der Kunde einer Aufforderung zum Nachweis der ordentlichen Versteuerung der Gelder nicht nachgekommen war. In der Folge ging der Kunde vor Gericht. Die Bank hatte unter anderem argumentiert, dass sie sich bei Ausführung des Auftrags nach französischem Recht wegen Beihilfe zu Geldwäscherei schuldig machen würde.
Doch vor Gericht ist die Bank damit abgeblitzt. Das Genfer Kantonsgericht hat nun in zweiter Instanz die Lesart der Erstinstanz bestätigt und dem Bankkunden recht gegeben. Eine Kernüberlegung des Gerichts: Seit Beginn der Kundenbeziehung (1997) habe sich der Rechtsrahmen in Frankreich nicht entscheidend geändert; schon die erstmalige Akzeptierung von undeklarierten Geldern sowie deren Aufbewahrung und Verwaltung durch die Bank könnten nach französischem Recht als Beihilfe zu Steuerbetrug und Geldwäscherei ausgelegt werden. Die Bank sei daher das Risiko strafrechtlicher Verfolgung in Frankreich schon früher eingegangen. In der Lesart des Gerichts ändert die Ausführung des besagten Überweisungsauftrags nichts Wesentliches am Rechtsrisiko des Instituts.

Die Finma steht nicht im Weg

Entgegen der Argumentation der Bank betonte das Gericht auch, dass weder der Schweizer Rechtsrahmen noch Weisungen der Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) die vom Kunden gewünschte Überweisung verunmöglichten. Der von der Bank angerufene Artikel 119 des Obligationenrechts («Unmöglichwerden einer Leistung») zieht deshalb laut dem Urteil nicht.
Auch der Verweis der Bank auf das Gesetz über das internationale Privatrecht überzeugte das Gericht nicht. Die Genfer Richter verwiesen auf frühere Bundesgerichtsentscheide, wonach Kollisionen mit ausländischem Recht nicht unbedingt genügten, um in der Schweiz die Ausführung von Kundenaufträgen zu verweigern. Auch der «moralische Aspekt» rechtfertigt im vorliegenden Fall die Verweigerung nicht, wie das Gericht mit Verweis auf das politische Klima im Inland betonte. So sei der Bundesrat in den letzten Jahren mit Vorschlägen zu erweiterten Sorgfaltspflichten der Banken in Sachen Steuertransparenz mehrmals gescheitert.
Die Bank kann den Fall noch ans Bundesgericht weiterziehen. Doch ein allfälliger Weiterzug hätte keine aufschiebende Wirkung, betont Marc Béguin, der Anwalt des Kunden: Die Überweisung sei deshalb «per sofort» auszuführen. Ein Rechtsvertreter der Bank deutet allerdings an, dass das Bundesgericht eventuell doch aufschiebende Wirkung haben könnte. Ob die Bank den Fall weiterzieht, ist unklar.

Die Zeit drängt

Er habe dem Institut für die Überweisung eine Frist bis diesen Mittwoch gesetzt, sagt der Anwalt des Kunden. Verpasse die Bank die Frist, sei eine Strafanzeige angebracht. Die Zeit dränge, die Überweisung solle noch vor dem Jahresende geschehen. Ab Anfang 2017 greift das globale Regime des automatischen Austauschs von Finanzinformationen (AIA). Man fragt sich allerdings, in welcher Hinsicht der Kunde mit der Überweisung in die Niederlande seine Lage verbessert, da auch alle EU-Länder beim AIA mitmachen. Anwalt Béguin sagt dazu nur, dass der Kunde die Überweisung nach Amsterdam wünsche.
Der Anwalt hatte dieses Frühjahr erklärt, noch eine Handvoll ähnlicher Fälle zu betreuen. Diese Fälle seien inzwischen gelöst, sagt Béguin: Die betroffenen Banken hätten gewisse Transaktionen zugelassen.

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