MittelstandsanleihenEnterprise-Gläubigern bleiben wohl nur 8 Prozent
Zügig geht nach Willen der Insolvenzverwalter die Abwicklung der Enterprise Holdings. Derzeit könnten den Anlegern nur rund 8 Prozent bleiben.
14.12.2016, von MARTIN HOCK
© DPAAutounfälle waren das Geschäft des Versicherers, dessen Anleihen für die Anleger ein Totalschaden.
Als die Versicherungsholding Enterprise (EHL) Mitte diesen Jahres in die Insolvenz rutschte, war das für viele Beobachter eine Überraschung. So hatte das Unternehmen selbst sich immer als solide präsentiert und auch die Bonitätsnote der Rating-Agentur Creditreform war mit zunächst „A-„ eine der besten Noten überhaupt. Das galt auch noch für die Note „BBB“ ab Januar 2016.
Die britischen Insolvenzverwalter der Gesellschaft, die in Jersey ansässig, über die Tochtergesellschaft EIC in Gibraltar tätig und weitgehend bei deutschen Gläubigern verschuldet ist, haben den Gläubigern nun einen Sachstandsbericht vorgelegt. Nach derzeitiger Lage müssen sich die Gläubiger demnach wohl damit abfinden, von ihren Zins- und Tilgungsforderungen gerade einmal 8,3 Prozent wiederzusehen.
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Pleite der Holding nach Gibraltar-Insolvenz absehbar
Recht unverblümt stellen die Insolvenzverwalter klar, dass eine Fortführung des Unternehmens keinen Sinn ergibt. Die Gesellschaft habe im Wesentlichen aus der EIC in Gibraltar bestanden. Diese war, weil sie nicht die versicherungsrechtlichen Anforderungen erfüllte, Ende Juli von den Aufsichtsbehörden von Gibraltar unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Danach sei klar gewesen, so die Insolvenzverwalter weiter, dass auch die EHL überschuldet war und mangels Liquiditätszuflüssen aus der EIC über kurz oder lang auch zahlungsunfähig sein würde.
Dennoch ließ sich das Management um Andrew Flowers damals fast zwei Monate für den Insolvenzantrag Zeit. Auch wurde es den Anlegern nicht mitgeteilt, als drei weitere Tochtergesellschaften in die Insolvenz gingen.
Geld in der Gastronomie versenkt
Stattdessen wurden diese damit vertröstet, dass man an einer Neuaufstellung der Holding als Agentur über die Tochtergesellschaft Andeva arbeite. Nebenbei bemerkt steht Andeva mit einem Wert von 16 Millionen Pfund in den Büchern. Die Insolvenzverwalter beziffern den tatsächlichen Wert auf null.
Außerdem, so die Holding, arbeite man an einem neuen Geschäftszweig der Gastronomie. Das stimmte auch. Doch nachdem EHL im Frühjahr 2015 eine entsprechende Immobilie in Old Windsor im Osten Londons für 841.000 Pfund erworben hatte und weitere 1,25 Millionen in die Sanierung gesteckt hatte, ist das Restaurant bis heute nicht fertig. Die Insolvenzverwalter zogen die Notbremse und verkauften die Immobilie an zwei Geschäftsführer von Tochterfirmen der EHL für 600.000 Pfund und die Übernahme von Bankschulden und schrieben die Kredite ab.
Insolvenzverwalter ohne Unterlagen
Im Wesentlichen verfügt die EHL heute noch über die Barmittel, die sie sehr werbewirksam auf zwei Bankkonten für Zinszahlungen zurückgestellt hatte. Damit hatte sie den Anlegern eine relative Sicherheit vorgegaukelt, die es tatsächlich nicht gab. Daneben gibt es noch einen Landrover im Wert von 54.000 Pfund, den EHL bezahlt, als dessen Eigentümer allerdings Geschäftsführer Andrew Flowers eingetragen ist. Das war es dann schon.
Die Insolvenzverwalter Stephen Conn und Jonathan Avery-Gee sind nicht zu beneiden. Trocken heißt es im Bericht: „Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Untersuchungen der gemeinsamen Insolvenzverwalter in zweifacher Hinsicht frustriert worden; einerseits in Bezug auf die Verfügbarkeit von Finanzunterlagen über das Tagesgeschäft und andererseits die vorherigen geprüften Finanzunterlagen, die von EY Ltd in Gibraltar erstellt wurden.“ Im Klartext heißt es später: „Die Untersuchungen … waren beschränkt auf eine Überprüfung der Kontoauszüge der Gesellschaft und den bislang veröffentlichten Bilanzen“. Im Grunde wissen Conn und Avery-Gee also sehr wenig.
Deswegen könnte es wohl auch noch einige Überraschungen geben, auch negativer Art. Denn der Insolvenzverwalter der EIC versucht alles, um möglichst viel Masse in die EIC zugunsten von deren Gläubigern zu ziehen. So fordert er nicht nur den Landrover, sondern auch die Rückerstattung von 39 Millionen Pfund angeblich unberechtigt gezahlter Marketing-Provisionen zurück. Und diese Ansprüche sind ein Vorbehalt für die Ausschüttung des kümmerlichen Restvermögens.
Für Rechtsanwalt Sascha Borowski von der Münchener Kanzlei Mattil ist die Geschichte damit aber noch nicht zu Ende. Borowski ist im Gespräch als gemeinsamer Gläubigervertreter. Derzeit sind die Insolvenzverwalter noch etwas zurückhaltend, was die Berufung eines solchen Vertreters angeht. Da das Insolvenzverfahren nach britischem Recht geführt wird, die Anleihe aber nach deutschem Recht begeben wurde, gibt es hier wohl Diskrepanzen in den Rechtsauffassungen.
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„Die deutschen Anleger müssen gehört werden“, sagt Borowski. „Vor allem aber müssen sie erst einmal regelrecht informiert werden.“ Weil es bisher keine Pflichtmitteilung über die Insolvenz gegeben habe, wüssten viele deutsche Anleger von dieser noch gar nichts. Die in der F.A.Z. geschaltete Annonce ändere daran auch nichts, denn drauf reagierten die Depotbanken nicht. „Die Anleger müssen die Chance haben, Ihre Forderungen anzumelden“, fordert Borowski.
Die Insolvenzverwalter selbst geben sich grundsätzlich zurückhaltend. Firmenpolitik sei es, keine Stellungnahmen gegenüber der Presse abzugeben. Die etwaige Einsetzung einer Gläubigervertretung müsse aber dem britischen Insolvenzrecht und der EU-Regulierung folgen. Nach britischem Recht ist etwa die Bildung eines Gläubigerausschusses nicht zwingend. Auch ist die Unterrichtung der Gläubiger nur in englischen Medien genauer vorgeschrieben, für das Ausland gibt es viel Spielräume.
Ansprüche gegen Vorstand Flowers?
Auch in puncto Insolvenzmasse sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, meint Borowski. Die Insolvenzverwalter müssten ihre Auskunftsrechte gegenüber der EIC und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY härter einfordern. Zudem sollten Ansprüche gegen die EIC und EHL-Vorstand Andrew Flowers verstärkt geprüft und geltend gemacht werden. Im Raum stehen Vermutungen, Flowers, der angeblich bis zu 25 Millionen Euro in den Bau des Arlberger Luxushotels „Blumen Haus“ investiert hat, könnte dafür Anleihegelder prospektwidrig verwendet haben.
Doch ob aus Andrew Flowers‘ Privatschatulle noch etwas zu holen wäre, scheint fraglich. Denn die Liechtensteiner „Blumenberg Anstalt“, über die Flowers den Bau finanzierte, ist seit Anfang Oktober ebenfalls insolvent. Auch dies kam überraschend: Nur zwei Tage vor Eröffnung des Konkursverfahrens hatte die Kommunikationsagentur des „Blumen Haus“ noch davon berichtet, dass die Mitarbeiter der Eröffnung am 9. Dezember entgegenfieberten.
Übernommen wurde das „Blumen Haus“ dann von eben jener Gustav-Zech-Stiftung, die auch schon die insolvente KTG Agrar gekauft hat. Jetzt heißt das „Blumen Haus“ „Severin‘s – The Alpine Retreat“.
Wo sind nun die rund 42 Millionen Euro an Anleiheerlösen hin? Rechnet man Emissionskosten, Zinszahlungen und -rückstellungen sowie dokumentierte Konzerndarlehen und Barmittel heraus, so bleiben etwa 29 Millionen Euro, was fast dem kumulierten Verlusten der Gesellschaft zwischen dem 30. September 2012 und dem 30. September 2015 entspricht. „Die Frage ist aber, wodurch dieser Verlust entstanden ist“, sagt Borowski. Er hofft für die Anleger, dass am Ende doch noch etwas mehr als die kümmerlichen 8,3 Prozent übrig bleiben.
Immerhin wäre das noch mehr als der Kurs, zu dem die Anleihen derzeit gehandelt werden. Dieser liegt bei rund 3,5 Prozent.
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