WGF AG laut Insolvenzverwalter Dr. Bähr: „Ein Kriminalfall“
- Klaus Dittke
- 17. Juni 2016
- Allgemein
So äußerte sich der Insolvenzverwalter der WGF AG, Rechtsanwalt Dr. Biner Bähr, auf einer Gläubigerversammlung bereits am 26. April 2016. Im Insolvenz-Berichtstermin der WGF AG am 10. Juni 2016 erläuterte Dr. Bähr diese bestürzende Feststellung: Bereits seit 2007 seien der WGF AG kontinuierlich Gelder entzogen worden. So seien von der WGF AG bspw. Drittfirmen Darlehen in Millionenhöhe gewährt worden; „zurückgezahlt“ worden sei ein solches Darlehen, indem ein (wertloser) Anspruch gegen eine „Gefinius AG“, an der Exvorstand Pino Sergio zusammen mit dem seit Gründung der WGF AG 2003 bis 2013 langjährigen Aufsichtsratsmitglied der WGF AG, seinem „väterlichen Freund“ und anwaltlichen Berater Hans-Gerd Bullhorst mehrheitlich beteiligt ist, abgetreten wurde. Im Jahresabschluss 2012 der WGF AG verschwand der Anspruch dann infolge einer Wertberichtigung. Der Gefinius AG seien im Laufe der Jahre zahlreiche weitere Beträge ungesichert zur Verfügung gestellt worden, sodass sich die Forderungen der WGF AG gegen die Gefinius AG zwischenzeitlich auf über 3 Mio. € beliefen. In der Buchhaltung der WGF AG seien diese Forderungen jedoch bis auf einen Betrag von T€ 300 ausgebucht!
Zum Verständnis: Mehrheitsgesellschafterin der WGF AG ist die WGF Finanzgruppe Holding GmbH, Düsseldorf. Alleinige Gesellschafterin der WGF Finanzgruppe Holding GmbH wiederum ist jene Gefinius AG mit Sitz in Schaffhausen/Schweiz. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Ferner sei es, so der Insolvenzverwalter, seit 2009 kontinuierlich zur zweckwidrigen und damit die Anleihegläubiger schädigenden Verwendung der in den Anleihebedingungen so genannten „gebundenen Mittel“ gekommen. Die Anleihebedingungen sahen vor, dass 82 bis 90 % der Emissionserlöse einer WGF-Anleihe so genannte gebundene Mittel zu sein hatten. Lediglich 10 bis 18 % der Emissionserlöse durfte die WGF AG frei, also zum Beispiel für laufende Kosten, verwenden. Das habe, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr im Insolvenz-Berichtstermin am 10.06.2016, zunächst auch funktioniert. Ab 2009 aber und dann verstärkt im Jahr 2010 und nochmals erheblich verstärkt im Jahr 2011 sei das durch die Anleihebedingungen vorgegebene System unterlaufen worden. Die WGF AG habe, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr, dem Mittelverwendungskontrolleur Rechtsanwalt Dahlmanns erklärt, man wolle über eine dafür vorgesehene Tochtergesellschaft die dazugehörige Immobilie „entwickeln“, worauf hin der Mittelverwendungskontrolleur gebundene Mittel aus den Emissionserlösen freigeben musste. Auf diese Weise seien Millionenbeträge in Tochtergesellschaften geflossen. Die dortigen Immobilien aber seien dann entgegen der Ankündigung nicht entwickelt, sprich umgebaut und modernisiert worden und dies offensichtlich planmäßig. Stattdessen seien die Gelder in die Tochtergesellschaft Ilse Bau GmbH ab- und in die WGF AG zurückgeflossen, also „gewaschen“ worden, um dort, in der WGF AG, wieder als freie Mittel für die Bezahlung der laufenden Kosten verwendet zu werden.
In einer Reihe von vergleichbaren Fällen, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr, habe die WGF AG gebundene Mittel aus den von ihr eingeworbenen Anlegergeldern für Immobilienentwicklungsprojekte eingesetzt, die in der Folge entweder gar nicht oder jedenfalls nicht mit einem nach dem Umfang der eingesetzten Mittel zu erwartenden Ergebnis umgesetzt worden seien. Die Umstände ließen vermuten, dass die Beteiligten die mangelhafte Umsetzung der Projekte wissentlich toleriert oder womöglich sogar gezielt gefördert hätten, um den Konzern mithilfe der gebundenen Mittel am Leben zu erhalten. Eine zumindest ungefähre Vorstellung von dem dabei entstandenen Schaden böten, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr, die erheblichen Wertberichtigungen, welche die WGF AG in den Jahren 2009, 2010 und 2011 auf Forderungen gegen verbundene Unternehmen vornehmen musste, nämlich annähernd 40 Mio. €, die auf diese Weise rechtswidrig den Emissionserlösen entnommen und damit zulasten der Anleihegläubiger mutmaßlich veruntreut wurden.
Ein weiteres, kaum ohne die bewusste Inkaufnahme einer Schädigung der Gesellschaft zu erklärendes Vorgehen der WGF AG sei, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr, der Umstand, dass die Immobilien zunächst in der Regel von der WGF AG selbst erworben und sodann in den Jahren 2009 bis 2011 in 100-prozentige Tochtergesellschaften (Objektgesellschaften) eingebracht worden seien. Für die Bewertung der Einlagen in die Tochtergesellschaften seien jeweils Verkehrswertgutachten zugrunde gelegt worden, die für die Immobilien meistens Zeitwerte deutlich über den Anschaffungskosten auswiesen. Hierdurch sei es zu erheblichen „Einbringungsgewinnen“ gekommen, die letztlich aber nur Buchgewinne dargestellt hätten.
Beispielhaft hierfür sei der Kauf und Verkauf des Objekts Rolandstraße 44 in Düsseldorf. Das von der WGF AG im Mai 2011 zum Preis von 7,1 Mio. € erworbene Grundstück wurde noch im selben Jahr in eine Tochtergesellschaft, die „Rolandstraße GmbH & Co. KG“, mit einem Betrag von 15,8 Mio. € eingebracht. Im Jahr 2014 wurde die Immobilie dann zum Preis von 8,0 Mio. € veräußert.
Durch die Einbringung in die Tochtergesellschaft und den auf diese Weise erzeugten Buchgewinn habe die WGF AG im zu veröffentlichenden Jahresabschluss der AG, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr, natürlich einen beträchtlichen Gewinn ausgewiesen, wobei die potentiellen Anleger, die betroffenen Anleihegläubiger, eben nur diesen zu Gesicht bekamen. Verborgen geblieben sei ihnen hingegen die Abwertung der Immobilie im Rahmen einer außerplanmäßigen Abschreibung auf den realistischen Wert von 7,8 Mio. €.
Auf diese Weise wurde den Geldgebern, den Anleihegläubigern, die wirtschaftliche Gesundheit und Prosperität der WGF AG vorgegaukelt und ihnen damit ein ganz erheblicher Anreiz für die Zeichnung der, wie sich jetzt herausstellt, nahezu wertlosen Anleihen gegeben.
Mehr noch zur Rolandstraße 44: ursprünglich war vorgesehen, dass der im ersten Insolvenzverfahren im Jahr 2013 bestellte Gläubigerausschuss dem Verkauf zustimmen sollte. Diese Bedingung sei dann allerdings ohne Wissen des Gläubigerausschusses wieder fallen gelassen worden – obwohl ein anderer Makler einen Interessenten an der Hand gehabt habe, der einen Kaufpreis von 9,5 Mio. € bot, also 1,5 Mio. € mehr als die kaufende Gesellschaft.
Fazit: die Schädigung der Gesellschafter wäre damit, folgt man den Erkenntnissen des Insolvenzverwalters Dr. Bähr, von den als Folge der Insolvenz in Eigenverwaltung an der Macht gebliebenen Vorständen auch nach dem Ende des ersten Insolvenzverfahrens mit bemerkenswerter Dreistigkeit fortgesetzt worden. DSKP und wenige andere einsichtige Rechtsanwaltskanzleien (sowie eine großen Zahl von Anleihegläubigern) hatten die Eigenverwaltungsinsolvenz seinerzeit energisch bekämpft. Nunmehr zeigt sich zudem, dass durch die seinerzeit von DSKP wehement geforderte Regelinsolvenz mit großer Sicherheit auch eine frühere Kenntnis von den mutmaßlich kriminellen Machenschaften der Verantwortlichen der WGF AG ermöglicht worden wäre.
Schließlich wurde von der WGF AG mit den ihr überlassenen Anlegergeldern geradezu verschwenderisch umgegangen. So kostete die Anmietung eines Ferrari F 430 F1 zugunsten von Herrn Sergio eine monatliche Leasingrate von 4500 €, angemietet über die durch erhebliche Darlehen der WGF AG finanzierte schweizerische Holdinggesellschaft der WGF AG, die Gefinius AG (siehe oben). Auch im Bereich Personalkosten wurde das Maß des wirtschaftlich vertretbaren weit überschritten. Im Jahr 2010 beschäftigte die WGF AG durchschnittlich 83 Mitarbeiter, die Personalkosten beliefen sich auf nahezu 6 Mio. € bei Umsatzerlösen von 124,25 Mio. €. Jedoch resultierten die Umsatzerlöse zum überwiegenden Teil, nämlich im Umfang von 110,14 Mio. €, aus der Offenlegung angeblicher stiller Reserven im Rahmen der Sacheinlage eigener Immobilien in diverse Tochtergesellschaften. Der dabei erzielte Buchgewinn war indes offenbar nicht nachhaltig; die WGF AG musste in den Geschäftsjahren 2011 – 2013 Wertberichtigungen von insgesamt etwa 77 Mio. € vornehmen. Trägt man die Wertberichtigungen auf das Geschäftsjahr 2010 zurück, reduziert sich der tatsächliche Umsatzerlös von 124,25 Mio. € auf lediglich 47,25 Mio. €. Die Personalkosten von nahezu 6 Mio. € stehen hierzu ersichtlich außer Verhältnis. Noch drastischer fallen die Zahlen für die Geschäftsjahre 2011 und 2012 aus: in 2011 erzielte die WGF AG bei Personalkosten von immer noch 5,6 Mio. € Umsatzerlöse von lediglich 21,8 Mio. €. In 2012 reduzierte sie die Personalkosten auf 2,25 Mio. €, zugleich sanken aber die Umsatzerlöse auf nur noch 3,6 Mio. €!
Im August 2011 brach laut Insolvenzverwalter Dr. Bähr das System WGF AG infolge der Berichterstattung von DSKP, des Wirtschaftsjournalisten Martin Beier und wenigen weiteren Presseorganen in sich zusammen. Mit dem Bericht des Insolvenzverwalters der WGF AG steht nunmehr fest, dass wir von DSKP maßgeblich dazu beigetragen haben, ein höchstwahrscheinlich rechtswidriges, mutmaßlich kriminelles, auf Anlegerschädigung ausgelegtes Unternehmen daran zu hindern, weitere arglose Anleger zu nutzlosen Investitionen zu verleiten.
Vor dem Hintergrund der ungeheuerlichen Enthüllungen des Insolvenzverwalters Dr. Bähr stellt sich jedoch die Frage, warum der Insolvenzverwalter des ersten Insolvenzverfahrens, Prof. Rattunde aus Berlin, nicht ähnlich gründlich recherchiert und die rechtlich fragwürdigen Vorgänge bereits früher aufgedeckt hat. Dann wäre es sicherlich nicht zu einer Insolvenz in Eigenverwaltung gekommen. Aus Sicht des jetzigen Insolvenzverwalters sei die Eigenverwaltung von dem Vorstand der WGF Ende des Jahres 2012 bewusst gewählt worden, um zu verhindern, dass eine neutrale Person (ein Insolvenzverwalter im Rahmen eines Regelinsolvenzverfahrens) in die Bücher und Geschäftsunterlagen des WGF-Konzerns Einblick nehmen konnte. Zivilrechtliche Ansprüche der Anleger und potentielle Strafbarkeiten der Verantwortlichen sollten so „unter der Decke“ gehalten werden, so Insolvenzverwalter Dr. Bähr. Niemand habe sich im Rahmen des ersten Insolvenzverfahrens die Mühe gemacht, zu prüfen, wohin die ganzen Anlegergelder eigentlich geflossen waren.
Ein Skandal, der dazu führte, dass in den Folgejahren bis zur zweiten Eröffnung des Insolvenzverfahrens Ende März 2016 offenbar nahezu dieselben Personen aus Vorstand und Aufsichtsrat, die die mutmaßlich veruntreuenden Handlungen bereits seit 2007 vorgenommen hatten, den Konzern weiter führen und schädigen durften, um auf diesem Wege nochmals mehr als 10 Mio. € allein an Personal- und Beraterkosten mit Anlegergeldern nutzlos zu verbrennen. Wäre es im Jahr 2012 zur Regelinsolvenz gekommen – so wie DSKP Rechtsanwälte auf den Gläubigerversammlungen das immer gefordert hatten – hätten diese verschleuderten Millionen an die geschädigten Anleihegläubiger ausgezahlt werden können.
DSKP Rechtsanwälte werden ihren Mandanten dazu raten, gegen die für die seinerzeit verantwortlichen Vorstände Sergio und Zimmer sowie Aufsichtsrat Bullhorst Schadenersatzansprüche anzumelden, aber auch gegenüber den Aufsichtsräten, die durch unter Umständen fahrlässige Vernachlässigung ihrer Kontrollpflicht gegenüber der WGF-AG in der maßgeblichen Zeit von 2007 bis 2011 das Desaster womöglich überhaupt erst möglich gemacht und gegenüber den Anleihegläubigern besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben. Ansprüche gegenüber der Sicherheitentreuhänderin, der Kanzlei Hoffmann Liebs Fritsch & Partner, werden von uns für unsere Mandanten und hinzukommende Anspruchsteller selbstverständlich weiterverfolgt. Die Empfehlung einer Inanspruchnahme des Mittelverwendungskontrolleurs Rechtsanwalt Dahlmanns wird von uns insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ebenfalls kritisch geprüft.
Auch die bisher unentschlossenen Anleihegläubiger sollten nicht untätig bleiben, sondern ihre berechtigten Ansprüche geltend machen. Ein renommierter Prozesskostenfinanzierer hat sich DSKP bereits angeschlossen.
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