Kein Fall allerdings hat den BGH so sehr in Aufruhr versetzt wie der Seitenwechsel von Wulf Goette.
Der Vorsitzende Richter am Zweiten Zivilsenat ging am 30. September vorigen Jahres in den Ruhestand. Nur einen Tag später begann er als Berater bei der Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz. Weitere 24 Stunden später hatte er seinen ersten Auftrag. Am 5. Oktober lieferte Goette die vom Fresenius-Konzern bestellte Expertise ab.
Das Gutachten beschäftigte sich mit aktienrechtlichen Fragen, die Goette zuvor als Vorsitzender des Zweiten BGH-Senats in ähnlichen Fällen behandelt hatte. Sein neuer Arbeitgeber Gleiss Lutz feierte Goette prompt als "wertvolle Verstärkung".
Die Kanzlei beschäftigt 280 Anwälte, die Konzerne wie Daimler oder Ergo beraten. Häufig geht es in den Fällen um Streitigkeiten mit Minderheitsaktionären. Ein Thema, das auch Goette seit langem beschäftigt. In einer Fachpublikation bezeichnet er prozessierende Kleinanleger im Jahr 2009 als "Räuber" und "Berufskläger".
Schon im September 2007 ließ er sich für ein Seminar gewinnen, das Gleiss Lutz mitorganisiert hatte. Pro Teilnehmer kostete die Tagung 990 Euro plus Mehrwertsteuer. Dafür konnten die Besucher des Seminars fünf Gleiss-Lutz-Anwälten zuhören - und Wulf Goette.
Wann er sich entschied, zu Gleiss Lutz zu wechseln, will Goette nicht verraten. Man dürfe den BGH nicht als "Elfenbeinturm" begreifen, der Kontakt zu Anwälten und der Wirtschaft sei "unerlässlich", sagt der Jurist. Er habe dem BGH-Präsidenten im Frühjahr 2010 seinen Antrag auf Pensionierung eingereicht. "Die Nachricht hat sich danach - ohne mein Zutun - im Markt verbreitet."
Seine Diskretion in eigener Sache hängt wohl auch damit zusammen, dass Gleiss Lutz vor Goettes Pensionierung an Verfahren beteiligt war, die vom Zweiten Senat verhandelt wurden. Hätte er schon in jenen Tagen einen Vertrag verhandelt oder unterschrieben, wäre Goette zugleich Richter und Kandidat für einen gutbezahlten Kanzleijob gewesen.
"Die Schamlosigkeit, mit der Goette die Seiten gewechselt hat, ist beeindruckend", sagt Karl-Walter Freitag. Als Kleinaktionär der Firma Kässbohrer kämpft Freitag vor dem BGH um eine höhere Abfindung. Die Gegenseite wird von Gleiss Lutz beraten. In dem Verfahren erklärte Freitags Anwalt fünf BGH-Richter für befangen. Sie müssten von Goettes "Frontenwechsel" gewusst haben. Die betreffenden Richter wiesen den Verdacht zurück. "Ich habe mich mit Herrn Goette nicht über seine Tätigkeit nach dem Eintritt in den Ruhestand unterhalten", erklärt Ingo Drescher. Ähnlich äußerten sich auch die übrigen Richter. Im Februar wies der BGH die Befangenheitsanträge zurück.
Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković (Die Linke) hat sich die Erklärungen der Richter durchgelesen. "Wenn das glaubhaft sein soll, muss es um den sozialen Zusammenhalt im Zweiten Zivilsenat schlecht bestellt gewesen sein." Nešković, von 2002 bis 2005 Richter im Neunten Senat des BGH, berichtet davon, dass er mit seinen Kollegen sogar in den Urlaub gefahren sei, es habe ein "familiärer Zusammenhalt" geherrscht.
Im Falle der schnellen Seitenwechsel fordert Nešković Konsequenzen. "Wir brauchen eine gesetzliche Karenzzeit", sagt er. "Wer nach dem Ruhestand für eine Anwaltskanzlei auf dem gleichen Fachgebiet arbeiten möchte, sollte mindestens zwei Jahre pausieren. Das neue Einkommen sollte zudem auf die Pension angemessen angerechnet werden."
Ehemalige Kollegen haben sich von Goette bereits distanziert. Für eine Festschrift, die in der vergangenen Woche zu seinen Ehren erschienen ist, hat sich kein amtierender Richter aus dem Zweiten Zivilsenat als Autor zur Verfügung gestellt.
Der Vorsitzende Richter am Zweiten Zivilsenat ging am 30. September vorigen Jahres in den Ruhestand. Nur einen Tag später begann er als Berater bei der Wirtschaftskanzlei Gleiss Lutz. Weitere 24 Stunden später hatte er seinen ersten Auftrag. Am 5. Oktober lieferte Goette die vom Fresenius-Konzern bestellte Expertise ab.
Das Gutachten beschäftigte sich mit aktienrechtlichen Fragen, die Goette zuvor als Vorsitzender des Zweiten BGH-Senats in ähnlichen Fällen behandelt hatte. Sein neuer Arbeitgeber Gleiss Lutz feierte Goette prompt als "wertvolle Verstärkung".
Die Kanzlei beschäftigt 280 Anwälte, die Konzerne wie Daimler oder Ergo beraten. Häufig geht es in den Fällen um Streitigkeiten mit Minderheitsaktionären. Ein Thema, das auch Goette seit langem beschäftigt. In einer Fachpublikation bezeichnet er prozessierende Kleinanleger im Jahr 2009 als "Räuber" und "Berufskläger".
Schon im September 2007 ließ er sich für ein Seminar gewinnen, das Gleiss Lutz mitorganisiert hatte. Pro Teilnehmer kostete die Tagung 990 Euro plus Mehrwertsteuer. Dafür konnten die Besucher des Seminars fünf Gleiss-Lutz-Anwälten zuhören - und Wulf Goette.
Wann er sich entschied, zu Gleiss Lutz zu wechseln, will Goette nicht verraten. Man dürfe den BGH nicht als "Elfenbeinturm" begreifen, der Kontakt zu Anwälten und der Wirtschaft sei "unerlässlich", sagt der Jurist. Er habe dem BGH-Präsidenten im Frühjahr 2010 seinen Antrag auf Pensionierung eingereicht. "Die Nachricht hat sich danach - ohne mein Zutun - im Markt verbreitet."
Seine Diskretion in eigener Sache hängt wohl auch damit zusammen, dass Gleiss Lutz vor Goettes Pensionierung an Verfahren beteiligt war, die vom Zweiten Senat verhandelt wurden. Hätte er schon in jenen Tagen einen Vertrag verhandelt oder unterschrieben, wäre Goette zugleich Richter und Kandidat für einen gutbezahlten Kanzleijob gewesen.
"Die Schamlosigkeit, mit der Goette die Seiten gewechselt hat, ist beeindruckend", sagt Karl-Walter Freitag. Als Kleinaktionär der Firma Kässbohrer kämpft Freitag vor dem BGH um eine höhere Abfindung. Die Gegenseite wird von Gleiss Lutz beraten. In dem Verfahren erklärte Freitags Anwalt fünf BGH-Richter für befangen. Sie müssten von Goettes "Frontenwechsel" gewusst haben. Die betreffenden Richter wiesen den Verdacht zurück. "Ich habe mich mit Herrn Goette nicht über seine Tätigkeit nach dem Eintritt in den Ruhestand unterhalten", erklärt Ingo Drescher. Ähnlich äußerten sich auch die übrigen Richter. Im Februar wies der BGH die Befangenheitsanträge zurück.
Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nešković (Die Linke) hat sich die Erklärungen der Richter durchgelesen. "Wenn das glaubhaft sein soll, muss es um den sozialen Zusammenhalt im Zweiten Zivilsenat schlecht bestellt gewesen sein." Nešković, von 2002 bis 2005 Richter im Neunten Senat des BGH, berichtet davon, dass er mit seinen Kollegen sogar in den Urlaub gefahren sei, es habe ein "familiärer Zusammenhalt" geherrscht.
Im Falle der schnellen Seitenwechsel fordert Nešković Konsequenzen. "Wir brauchen eine gesetzliche Karenzzeit", sagt er. "Wer nach dem Ruhestand für eine Anwaltskanzlei auf dem gleichen Fachgebiet arbeiten möchte, sollte mindestens zwei Jahre pausieren. Das neue Einkommen sollte zudem auf die Pension angemessen angerechnet werden."
Ehemalige Kollegen haben sich von Goette bereits distanziert. Für eine Festschrift, die in der vergangenen Woche zu seinen Ehren erschienen ist, hat sich kein amtierender Richter aus dem Zweiten Zivilsenat als Autor zur Verfügung gestellt.
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