Der 500-Mrd.-Dollar-Preis: Wie Boston Consulting und Google Modi drängten die Bargeld-Ära zu beenden
Boston Consulting Group, die allgegenwärtigen US-Unternehmens- beratung, und Google, der globale Datenstaubsauger, veröffentlichten im Juli 2016 einen Bericht über den 500-Mrd.-Dollar-Preis, den der indische Markt für digitales Bezahlen darstelle. Obwohl die Autoren es abstreiten, spricht sehr viel dafür, dass sie vorgewarnt waren, dass die indische Regierung einen großen Coup gegen das Bargeld plante. Der Bericht ist bemerkenswert ehrlich, was die Motive für die ganze Anti-Bargeld-Operation angeht.
Auf Seite 3 des Berichts heißt es:
„Wir erwarten, dass das Feld des digitalen Bezahlens in den nächsten Tagen grundlegende Verwerfungen erfahren wird.“
Auf Anfrage betont Koautor und BCG-Seniorpartner Alpesh Shah, die Autoren hätten nichts von Modis Plänen gewusst, die Mehrheit der Geldscheine in Indien für ungültig zu erklären. Der Bericht habe auch keine Beziehung zu der Anti-Bargeld-Partnerschaft von USAid und indischem Finanzministerium. Gegen diese Versicherung spricht nicht nur das obige Zitat. Das Thema könnte nicht besser in die Partnerschaft passen. Und zum Lenkungsausschuss des Berichts gehörten Vertreter von Organisationen, die mit USAid die Better-Than-Cash-Alliance bilden und/oder Teil der Partnerschaft mit dem indischen Finanzministerium sind. Es sind dies Visa, PayTM und und Vodafone.
Außerdem wirkt die Hauptprognose des Berichts ohne Vorahnung des radikalen Anti-Bargeld-Schritts von Regierungschef Modi völlig aus der Luft gegriffen. Obwohl die Zahl der Annahmestellen für Digitalgeld in den letzten Jahren stagniert habe, und obwohl der Bericht starke Gründe aufzählt, warum es schwierig sein werde, mehr Händler zur Bargeldannahme zu bewegen, sagt er eine Verzehnfachung der Zahl der Annahmestellen und des digitalen Bezahlvolumens bis 2020 voraus. Das würde bedeuten, dass die zuletzt stagnierende Zahl der Annahmestellen ab 2016 um 60 oder 70 Prozent pro Jahr zunimmt. Ein überzeugender Grund hierfür wird nicht genannt.
BCG und Google sind bemerkenswert ehrlich, worum es bei der ganze Anti-Bargeld-Aktion geht: um die Gewinne der (vorrangig) US-amerikanischen Zahlungsverkehrsdienstleister. Sie nenn den indischen Markt einen 500-Mrd.-Dollar-Preis (Pot of Gold), den es zu ergreifen gelte. Sie sparen sich das ganze scheinheilige Geschwätz von finanzieller Inklusion und Hilfe für die Armen, das man sonst in solchen Berichten liest, wenn sie für die Öffentlichkeit bestimmt sind, und nicht für Zahlungsverkehrsdienstleister und die Regierung. Auf 5 Mrd. Dollar im Jahr schätzen BCG und Google das jährliche Gebührenaufkommen für die Zahlungsverkehrsdienstleister. Google wäre nicht Google, wenn es nicht einen Rat an die Unternehmen hätte, den Gewinn noch etwas zu vergrößern: Datamining, mit den Kundendaten, um zusätzliche Einkommensströme zu schaffen. „Nicht Käufe treiben Bezahlvorgänge, sondern Bezahlvorgänge treiben Käufe“, lautet das Motto. Mit Datamining ließen sich die Konsumenten zu höheren Käufen verleiten, verspricht der Bericht.
Der Bericht erhält eine Liste von Anweisungen an die Regierung, die bezeichnender Weise in einem Kapitel mit Namen „Die Gelegenheit ergreifen – die Siegesagenda“ stehen. Die erste und wichtigste Forderung an die Regierung lautet, das Bewusstsein für die Kosten des Bargelds zu schaffen, indem sie viel darüber redet, was es kostet, Banknoten zu drucken und „gegen Fälschungen vorzugehen (einschließlich indem man immer wieder neue Banknotenserien einführt und und die alten aus dem Verkehr zieht) und indirekte Kosten durch Steuerhinterziehung, Schwarzgeld etc.“ Das klingt vertraut, nicht wahr.
Die Regierung Modi hat in den letzten zwei Monaten über wenig so viel gesprochen wie über die Kosten des Bargelds und sie ließ die ganze Bevölkerung drastisch die Kosten der Schwarzgeldbekämpfung durch Außerverkehrnehmen alter Banknoten spüren.
Doch das war nicht die einzige Art, wie die Regierung ihre Hilfsbereitschaft demonstrierte.
Im August, nur einen Monat nach Vorlage des BCG-Google-Berichts berief die Regierung eine Kommission, die Gesetzesvorlagen und neue Regeln entwerfen sollte, mit denen man der digitalen Zahlungsverkehrsbranche helfen kann. Zu den Vorschlägen der Watal-Kommission gehörte es, importiertes Gerät für digitales Bezahlen teilweise von Importzöllen freizustellen.
Das alles soll natürlich nicht nur Google und den Mitgliedern des Lenkungsausschusses der Studie bei der Gewinnerzielung helfen, sondern der amerikanischen Zahlungsverkehrsbranche insgesamt. Denn diese hat die besten Aussichten, sich den Großteil des zusätzlichen Marktvolumens zu „greifen“. In einem vor kurzem veröffentlichten Whitepaper der US-Regierung namens “A Framework for FinTech” heißt es:
„Die USA bleiben der globale Führer, was FinTech angeht. Diese Führungsposition sollte jedoch nicht als garantiert betrachtet werden. Die US-Regierung sollte weiterhin eine Strategie vorantreiben, die dazu beiträgt, die Branche voranzubringen (…) und einen soliden Wettbewerbsvorsprung im Technologie- und Finanzdienstleistungsbereich bewahren.“
Das Whitepaper zitiert den Bericht “Recent Trends in U.S. Services Trade: 2016 Annual Report” mit der Information, dass die Exporte von Bankdienstleistungen 2015 bei 74 Mrd. Dollar lagen, gegenüber nur 18 Mrd. Dollar Importen.
Das ist es, was hinter der freundlichen Hilfe von USAid, der Gates-Stiftung,Visa, Mastercard und der anderen Mitglieder der Better Than Cash Alliance steckt: eine Strategie, die hilft, die Branche voranzubringen und einen soliden Wettbewerbsvorsprung zu sichern. [24.1.2017]
Zum etwas ausführlicheren englischsprachigen Blogbeitrag.
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