Die Gefahr ruht in den Anleihemärkten der Schwellenländer
26. August 2015 | 3 Lesermeinungen
Die Turbulenzen am Aktienmarkt bedrohen das Finanzsystem nicht. Riskant ist die Dollarverschuldung von Unternehmen aus Schwellenländern, deren Anleihen von westlichen Großanlegern gekauft wurden.
Die Aufmerksamkeit der Börsianer gehört in diesen hektischen Tagen in erster Linie den Aktienmärkten, an denen viele Hausseträume geplatzt und gute Nerven vonnöten sind. Aus Sicht der Stabilität des Finanzsystems ist jedoch weitaus wichtiger, was an den Anleihemärkten der Schwellenländer geschieht. Denn Kursverluste an den Aktienmärkten mögen für Aktionäre bitter sein – in aller Regel bilden sie für das Finanzsystem nur dann eine Gefahr, wenn die vorangegangene Hausse in starken Maße durch Kredite finanziert war. Die Hausse der vergangenen Jahre war, möglicherweise mit Ausnahme von China, aber nur in einem sehr geringen Maße durch kreditfinanzierte Aktienkäufe geprägt.
Sehr viel folgenreicher mag die Zunahme der Verschuldung von Staaten und Unternehmen in den Schwellenländern sein, die in den vergangenen Jahren vor allem durch Verkäufe von Anleihen an westliche Großanleger wie Fonds und Versicherungen und weniger durch Bankkredite aufgebaut worden ist. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und ihr Chefökonom Hyun Song Shin warnen schon seit geraumer Zeit vor nachteiligen Folgen dieser Flut von Schwellenländeranleihen. Denn viele dieser Anleihen wurde in Dollar begeben, weil westliche Großanleger, von den niedrigen Renditen für Anleihen aus den Vereinigten Staaten enttäuscht, auf Suche nach höheren Renditen in den Schwellenländern Ausschau hielten. Dort nutzten viele Unternehmen die Gelegenheit, sich durch den Verkauf von Dollaranleihen an westliche Großanleger zu verschulden. Viele dieser Schwellenlandunternehmen beziehen ihre Erlöse jedoch nicht in Dollar, sondern in ihren Heimatwährungen. Nunmehr werten viele Währungen der Schwellenländer gegenüber dem Dollar ab, was, wenn diese Tendenz fortdauert, die Rückzahlung der Dollaranleihen erschweren dürfte. 1)
Eine in diesen Tagen veröffentlichte Untersuchung von Ökonomen aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich zeigt nicht nur, dass Ende 2014 in spezialisierten Schwellenländerfonds Anleihen über rund 1300 Milliarden Dollar enthalten waren. Anteile an solchen Fonds sind von Privatanlegern wie von Investmentfonds gekauft worden. Die Spezialisten aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sind der Frage nachgegangen, wie sich in der jüngeren Vergangenheit die solche spezialisierten Fonds im Falle von Zweifeln an den Aussichten der Schwellenländer verhalten haben.
Denn die aktuelle Krise an den Finanzmärkten der Schwellenländer ist kein singuläres Ereignis, sondern eine Krise unter vielen. Dabei zeigt sich, dass diese Fonds zum einen Anleihen aus Schwellenländern verkauft haben, wenn Anleger Fondsanteile zurück gegeben haben. Dies ist normal: Da Fonds gewöhnlich nur eine geringe Barreserve halten, müssen sie in ihrem Besitz befindliche Anleihen verkaufen, wenn Anleger Fondsanteile zurück geben. Dabei fällt auf, dass westliche Anleger in Schwellenländern in der Vergangenheit „zittriger“ waren als Anleger in westlichen Anleihemärkten. Offenbar werden Kapitalanlagen in Schwellenländern – dies gilt nicht nur für Anleihen, sondern auch für Aktien – häufig eher als eine Art vorübergehende Risikobeimischung denn als ein langfristiges Engagement verstanden.
Besonders interessant ist, dass in der Vergangenheit viele Fonds aber auch jenseits der durch die Rückgabe von Fondsanteilen bedingten Verkäufe noch darüber hinaus Schwellenländeranleihen abgegeben haben, um eine Liquiditätsreserve zu schaffen. Dies bedeutet, dass die Fonds ohne Zwang in einen durch fallende Kurse geprägten Markt weiter verkauft und damit die Kursschwäche noch verstärkt haben. Aus der Sicht der Schuldner in den Schwellenländern wirken solche massiven Verkäufe wie ein „Run“ auf ihre Anleihen.
Frühere Untersuchungen aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben gezeigt, dass viele Unternehmen in den Schwellenländern ihre Erlöse aus dem Verkauf von Dollaranleihen nicht produktiv investiert, sondern zu höheren Zinsen bei Banken in ihren Heimatländern angelegt haben. Sollten sich die Unternehmen gezwungen sehen, größere Teile dieser Einlagen in einer Krise abzuheben, könnte dies die Stabilität der Bankensysteme in den Schwellenländern gefährden. Die Wucht, mit der zuerst umfangreiche Kapitalanlagen und dann umfangreiche Kapitalabzüge westlicher Großanleger auf die Finanzsysteme in den Schwellenländern treffen, ist Anlass zur Sorge.
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