Klage gegen Deutsche BankNotenbanker wollen Schadensersatz von der Deutschen Bank
Der Devisenskandal bringt dem Geldinstitut neuen Ärger. Zwei Klagen auf Schadensersatz in London stehen bevor. Wurden sogar mächtige Zentralbanken zum Opfer?
18.01.2016, von MARCUS THEURER, PHILIP PLICKERT, MARKUS FRÜHAUF
Die Deutsche Bank ist in viele Skandale verwickelt, doch dass europäische Notenbanker deshalb von Deutschlands führendem Geldinstitut Schadensersatz fordern, wäre ein Novum. Genau das aber sei der Fall, sagt Christopher Rother, Partner der amerikanischen Anwaltskanzlei Hausfeld in Berlin: „Zu den von uns vertretenen Mandanten aus Europa zählen neben Pensionsfonds, Großkonzernen und Geschäftsbanken auch Notenbanken“, sagte Rother in einem Gespräch mit dieser Zeitung.
Autor: Marcus Theurer, Wirtschaftskorrespondent mit Sitz in London. Autor: Philip Plickert, Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Der Volkswirt“. Autor: Markus Frühauf, Redakteur in der Wirtschaft.
Es geht um den seit zweieinhalb Jahren schwelenden Skandal um die Manipulation der Devisenmärkte. Internationale Großbanken mussten deshalb schon Geldstrafen in Milliardenhöhe bezahlen. Sie haben bei Devisengeschäften Wechselkurse zum Nachteil ihrer Kunden manipuliert, um selbst Profite einzustreichen.
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Keine Stellungnahme von EZB
Zunächst konzentrierten sich die Ermittlungen der Aufsichtsbehörden in Europa und den Vereinigten Staaten vor allem auf Absprachen zwischen Händlern verschiedener Institute im hochgradig intransparenten Devisenmarkt. Eine Reihe neuer Schadensersatzklagen der Kanzlei Hausfeld zielen dagegen auf Softwaretricks im elektronischen Devisenhandel. Der Währungshandel ist mit Tagesumsätzen von mehr als 5 Billionen Dollar das größte Segment des globalen Finanzmarkts.
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Die Deutsche Bank, die in diesem Geschäft zu den Weltmarktführern zählt, kam im Devisenskandal bisher ungeschoren davon. Aber jetzt wächst auch an dieser Front der Druck: Die Kanzlei Hausfeld werde bis Jahresmitte zwei Schadensersatzklagen gegen das Institut in London einreichen, sagte Rother – und nach seinen Angaben glauben auch Notenbanken, die mit der Deutschen Bank im Devisenmarkt Geschäfte gemacht haben, von dem Institut geprellt worden zu sein.
In den Vereinigten Staaten hat Hausfeld im Devisenfall bereits zwei andere Sammelklagen gegen die Deutsche Bank angestrengt (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. Januar). Rother sagte nicht, welche Notenbanken seine Kanzlei vertrete, doch zählten die Europäische Zentralbank und die Bundesbank nicht zu den Mandanten. „Wir prüfen den Vorgang“, sagte ein Bundesbank-Sprecher am Wochenende auf Anfrage zu den Vorwürfen gegen die Deutsche Bank. Die Bundesbank habe nicht vor, selbst zu klagen, bestätigte er. Von der EZB war keine Stellungnahme zu erhalten.
Scheu vor Aufarbeitung
Nach Darstellung der Deutschen Bank sind die Anschuldigungen substanzlos: „Wir weisen diese Vorwürfe zurück und werden uns dagegen vor Gericht zur Wehr setzen“, sagte ein Sprecher des Instituts auf Anfrage. Doch mit der Kanzlei Hausfeld hat die Deutsche Bank einen veritablen Gegner: Der New Yorker Kanzleichef Michael Hausfeld ist einer der renommiertesten amerikanischen Schadensersatzanwälte.
Hausfeld hat unter anderem nach der Havarie des Tankers „Exxon Valdez” Ölpest-Opfer vertreten und im Auftrag von Holocaust-Opfern gegen Schweizer Banken verklagt. Der Berliner Partner Rother leitete bis vor kurzem die Kartellrechtsabteilung der Deutschen Bahn. Im Devisenskandal hat Hausfeld vergangenen Sommer in Amerika bereits einen ersten Vergleich erstritten: Neun internationale Großbanken, darunter Barclays, Citigroup, Goldman Sachs und UBS, erklärten sich bereit, insgesamt mehr als 2 Milliarden Dollar zu zahlen. Die Deutsche Bank, die ebenfalls zu den Beklagten zählt, beteiligte sich nicht. Dieses Verfahren wegen mutmaßlicher Kartellabsprachen läuft weiter.
Im Gegensatz zu anderen Instituten scheue sich die Deutsche Bank – trotz aller Besserungsgelöbnisse – die Fehltritte der Vergangenheit aufzuarbeiten, sagt Rother: „Die spielen toter Mann.“ Jetzt legen die Schadensersatz-Jäger nach und beginnen eine neue Attacke gegen die Bank: Der Hausfeld-Anwalt Rother wirft dem führenden Kreditinstitut des Landes Manipulationen vor, die ähnlich dreist seien wie die des Volkswagen-Konzerns im Abgasskandal. Konkret geht es um die hauseigene Plattform des Geldhauses für den elektronischen Devisenhandel, welche die Deutsche Bank „Autobahn“ getauft hat.
„Last look“
Der Vorwurf: Die Bank soll ihre Handelssoftware absichtlich so programmiert haben, dass Kundenaufträge künstlich und unnötigerweise um Sekunden verzögert wurden. Diese kurze Zeitspanne solle die Bank genutzt haben, um Aufträge, bei denen die Wechselkursentwicklung nach Auftragserteilung für den Kunden günstig, für die Bank aber ungünstig gewesen wäre, zurückzuweisen. Die Manipulation sollen zwischen 2009 und 2014 stattgefunden haben. Weil am Devisenmarkt oft sehr hohe Summen gehandelt werden, können selbst kleinste Kursunterschiede zu hohen Gewinnen und Einbußen führen.
In Finanzkreisen heißt es, die im Branchenjargon als „last look“ bezeichnete Verzögerung bei der Auftragsausführung sei „branchenüblich und allgemein bekannt“. Der Vergleich mit dem Volkswagen-Skandal sei deshalb unhaltbar. Allerdings ist die Praxis des „last look“ mittlerweile durchaus umstritten: Im November hat die New Yorker Finanzaufsicht DFS eine Geldbuße von 150 Millionen Dollar gegen die britische Großbank Barclays verhängt, weil diese das Geschäftsprinzip des „last look“ missbraucht und Kunden gegenüber bewusst verschleiert habe. Auch gegen die Deutsche Bank laufen, Medienberichten zufolge, Ermittlungen der New Yorker Finanzaufseher in Sachen „last look“.
Manipulationen von Referenzzinsen
Für die Deutsche Bank ist der Jahresauftakt auch aus anderen Gründen schlecht gewesen. Der Aktienkurs büßte fast 15 Prozent auf 19,18 Euro ein. Das ist das niedrigste Niveau seit der Finanzkrise. Über Deutschlands größter Bank schwebt das Damoklesschwert von Rechtsrisiken wie der Geldwäscheaffäre in Russland. Weiteres Ungemach droht in Italien. Mailänder Staatsanwälte halten den früheren Chef der Vermögensverwaltung, Michele Faissola, und fünf weitere, darunter auch noch amtierende Spitzenmanager für verantwortlich, der vom Staat aufgefangenen Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) durch komplexe Transaktionen geholfen zu haben, Verluste zu verschleiern.
Darüber hinaus erschweren steuerrechtliche Fragen den bislang favorisierten Börsengang der Postbank. Faissola, ein enger Vertrauter des früheren Vorstandschefs Anshu Jain, musste gehen, nachdem der neue Ko-Vorstandsvorsitzende John Cryan den Vorstand im Oktober umgebaut hatte. Der Italiener wurde im Bericht der Finanzaufsicht Bafin wegen seines Verhaltens bei den Manipulationen von Referenzzinsen wie dem Libor scharf kritisiert.
Steuernachzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe
Der Italiener wies gegenüber Bloomberg die Vorwürfe der Mailänder Staatsanwälte zurück. Diese beziehen sich auf seine Beteiligung an den umstrittenen Derivatetransaktionen mit MPS. An den Geschäften, die sich auf den Zeitraum 2008 bis 2012 beziehen, war auch die japanische Bank Nomura beteiligt. Ihr droht ebenso wie der Deutschen Bank eine Anklage. Ins Visier der Staatsanwälte sollen 13 Bankmanager geraten sein, darunter auch ehemalige Mitarbeiter von MPS und Nomura. Von der Deutschen Bank zählen Dario Schiraldi, der zu den Führungskräften in der Vermögensverwaltung gehört, sowie Ivor Dunbar, ehemals Chef des Kapitalmarktgeschäfts, dazu.
Darüber hinaus kommt die Deutsche Bank beim angestrebten Verkauf der Postbank nicht so voran wie geplant. Denn der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag konnte nicht zum Jahresende 2015 gekündigt werden. Das ist erst Ende des laufenden Jahres möglich, ansonsten drohen Steuernachzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Die Bank hofft, dass die Steuerbehörden eine außerordentliche Kündigung davor genehmigen. Doch dann würde der Fiskus einen Präzedenzfall schaffen, gibt ein Wirtschaftsprüfer zu bedenken. Ohne Kündigung ist ein Börsengang in diesem Jahr unwahrscheinlich. Einen Verkauf der Postbank an einen Konkurrenten wie etwa den spanischen Santander wollte der Vorstand bislang vermeiden, um keinen Wettbewerber im Heimatmarkt stark zu machen.
Der Hoffnungsträger der Deutschen Bank gibt seinen Einstand Wenn sich ein Familienunternehmer einen Bankier nach Maß schneidern dürfte, sähe er wahrscheinlich aus wie Karl von Rohr. Schlank und hochgewachsen, grau schimmerndes Haar, unauffällige Brille. Freundlich und charmant im Umgang. Davon konnten sich einige Kunden der Bank am Freitagabend erstmals selbst überzeugen. Seit zweieinhalb Monaten leitet Rohr nun zwei der schwierigsten Ressorts im Führungsgremium der Bank: Als Rechtsvorstand soll er die unzähligen Prozesse vor allem in Amerika zu einem möglichst günstigen Ende bringen, und als Arbeitsdirektor wird er bei dem geplanten großen Stellenabbau eine zentrale Rolle spielen. Außerhalb des Hauses weiß man bislang kaum etwas über ihn. Zum Neujahrsempfang in den Frankfurter Doppeltürmen hat der noch bis Mai amtierende Ko-Vorstandsvorsitzende Jürgen Fitschen ihn nun mitgenommen, um den Kunden zu zeigen: Seht her, die Deutsche Bank ist in guten Händen. Bevor er selbst das Wort an die Gäste richtet, darf Rohr ihnen versichern: „Mein wichtigstes Ziel ist es, die viel zu vielen Rechtsstreitigkeiten zu beenden.“ Das dauere nicht zuletzt deshalb viel länger als geplant, weil etwa in den Vereinigten Staaten in vielen Fällen gleich mehrere Behörden mit der gleichen Sache befasst seien. Er selbst sei erstaunt, was in den zweieinhalb Monaten schon alles über seinen Tisch gelaufen sei. Nicht nur die Kunden, auch die Mitarbeiter seien es längst leid, immer wieder von neuen Skandalen zu hören. Vergnügungssteuerpflichtig sei die Aufgabe nicht, sagt der 50 Jahre alte Jurist. Aber in seinen 18 Jahren bei der Bank (“Ich senke nicht mehr das Durchschnittsalter und gerade noch so die Durchschnittsbetriebszugehörigkeit“) habe er schon in so vielen Geschäftsfeldern gearbeitet, dass er das Haus inzwischen sehr gut kenne. Gerade im Rechtsressort sei es hilfreich, zu wissen, wen man anrufen müsse, um festzustellen, wo was passiert sei. Für Fitschen ist es auch eine Art Abschiedsveranstaltung. Wenn die Bank in der nächsten Woche ihre Jahreszahlen vorlegt, dürfte die Stimmung gedämpft sein. Auch auf der Hauptversammlung, wenn er offiziell verabschiedet wird, dürfte der Applaus der gebeutelten Aktionäre mäßig ausfallen. Und so genießt er die Gelegenheit, den vielleicht 100 Kunden und Honoratioren noch einmal seine Sicht der Dinge in der Welt darzulegen, streift die Flüchtlingsfrage, Brasilien, Indien und China und warnt vor nationalen Egoismen in Europa. Auch Banken, die sich mehr auf ihre Heimatmärkte beschränkten, schadeten der Weltwirtschaft. An diesem Abend sind alle freundlich, weit oben über der Stadt. Sie klatschen lange Beifall, als Rohr seinen Förderer Fitschen tituliert als den, „der die Deutsche Bank verkörpert wie kein anderer“. kann.
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