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Freitag, 7. Februar 2014

Hauptsacheverfahren ESM/EZB: Urteilsverkündung sowie Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union

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Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 9/2014 vom 7. Februar 2014
Beschlüsse vom 17. Dezember 2013 und 14. Januar 2014
2 BvR 1390/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2728/13)
2 BvR 1421/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2729/13)
2 BvR 1438/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2730/13)
2 BvR 1439/12
2 BvR 1440/12
2 BvR 1824/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvR 2731/13)
2 BvE 6/12 (teilweise abgetrennt als 2 BvE 13/13) 



Hauptsacheverfahren ESM/EZB: Urteilsverkündung sowie Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts wird auf Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 11. und 12. Juni 2013 (siehe Pressemitteilungen Nr. 29/2013 vom 19. April 2013 und Nr. 36/2013 vom 14. Mai 2013) am Dienstag, 18. März 2014, 10.00 Uhr, im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts, Amtssitz „Waldstadt“, Rintheimer Querallee 11, 76131 Karlsruhe sein Urteil zu den Verfahrensgegenständen im Zusammenhang mit der Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und mit dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (Fiskalpakt) verkünden. Die Akkreditierungsbedingungen werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben; derzeit sind noch keine Akkreditierungen möglich. Die Verfahrensgegenstände, die sich auf den OMT-Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 beziehen, hat der Senat abgetrennt, diese Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gegenstand der Vorlagefragen ist insbesondere, ob der OMT-Beschluss mit dem Primärrecht der Europäischen Union vereinbar ist. Nach Auffassung des Senats sprechen gewichtige Gründe dafür, dass er über das Mandat der Europäischen Zentralbank für die Währungspolitik hinausgeht und damit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten übergreift sowie gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung verstößt. Der Senat neigt deshalb zur Annahme eines Ultra-vires-Aktes, hält es aber für möglich, durch eine einschränkende Auslegung des OMT-Beschlusses im Lichte der Verträge zu einer Konformität mit dem Primärrecht zu gelangen. Die Entscheidung ist mit 6:2 Stimmen ergangen; die Richterin Lübbe-Wolff und der Richter Gerhardt haben jeweils ein Sondervotum abgegeben. Zum Sachverhalt: Die Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerden und die Antragstellerin des Organstreitverfahrens wenden sich bei verständiger Würdigung ihrer Anträge zum einen gegen die Mitwirkung der Deutschen Bundesbank an der Umsetzung des Beschlusses des Rates der Europäischen Zentralbank vom 6. September 2012 über Technical features of Outright Monetary Transactions („OMT-Beschluss“), zum anderen dagegen, dass die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag in Ansehung dieses Beschlusses untätig geblieben sind. Im OMT-Beschluss ist vorgesehen, dass das Europäische System der Zentralbanken Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedstaaten in unbegrenzter Höhe ankaufen kann, wenn und solange diese Mitgliedstaaten zugleich an einem mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) vereinbarten Reformprogramm teilnehmen. Erklärtes Ziel ist die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen geldpolitischen Transmission und der Einheitlichkeit der Geldpolitik. Der OMT-Beschluss ist bislang nicht umgesetzt worden. Wesentliche Erwägungen des Senats: 1. Die Kontrollaufgabe des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung darauf, ob Handlungen von Organen und Einrichtungen der Europäischen Union auf ersichtlichen Kompetenzüberschreitungen beruhen oder den nicht übertragbaren Bereich der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität des Grundgesetzes betreffen. 2. Verstieße der OMT-Beschluss gegen das währungspolitische Mandat der Europäischen Zentralbank oder gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung, läge darin ein Ultra-vires-Akt. a) Nach der Honeywell-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 126, 286) ist dazu ein hinreichend qualifizierter Verstoß erforderlich. Dieser setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt. b) Die Verträge enthalten ein auf die Währungspolitik beschränktes Mandat der Europäischen Zentralbank (Art. 119 und 127 ff. AEUV und Art. 17 ff. ESZB-Satzung). Sie ist nicht zu einer eigenständigen Wirtschaftspolitik ermächtigt, sondern darauf beschränkt, die Wirtschaftspolitik in der Union zu unterstützen (Art. 119 Abs. 2, Art. 127 Abs. 1 Satz 2 AEUV; Art. 2 Satz 2 ESZB-Satzung). Geht man - vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union - davon aus, dass der OMT-Beschluss als eigenständige wirtschaftspolitische Maßnahme zu qualifizieren ist, so verstößt er offensichtlich gegen diese Kompetenzverteilung. Diese Kompetenzverschiebung wäre auch strukturell bedeutsam, denn der OMT-Beschluss kann Hilfsmaßnahmen im Rahmen der „Eurorettungspolitik“ überlagern, die zum Kernbereich der wirtschaftspolitischen Kompetenz der Mitgliedstaaten rechnen (vgl. Art. 136 Abs. 3 AEUV). Zudem können die Outright Monetary Transactions zu einer erheblichen Umverteilung zwischen den Mitgliedstaaten führen und damit Züge eines Finanzausgleichs annehmen, den die europäischen Verträge nicht vorsehen. c) Auch soweit der OMT-Beschluss gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung (Art. 123 Abs. 1 AEUV) verstoßen sollte, läge darin eine offensichtliche und strukturell bedeutsame Kompetenzüberschreitung. Der Verstoß wäre offensichtlich, weil das Primärrecht das Verbot ausdrücklich normiert und Kompetenzen der Europäischen Zentralbank insoweit zweifelsfrei ausschließt. Er wäre auch strukturell bedeutsam, denn das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung ist eine der zentralen Regeln für die Ausgestaltung der Währungsunion als Stabilitätsunion. Zudem sichert es die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages ab. 3. Die Bejahung eines Ultra-vires-Aktes in diesem Sinne löste Unterlassungs- und Handlungspflichten deutscher Staatsorgane aus. Diese sind vor dem Bundesverfassungsgericht jedenfalls insoweit einklagbar, als sie sich auf Verfassungsorgane beziehen. a) Aus der Integrationsverantwortung erwächst für den Bundestag und die Bundesregierung die Pflicht, über die Einhaltung des Integrationsprogramms zu wachen und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe der Europäischen Union aktiv auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken. Eine Kompetenzanmaßung können sie nachträglich legitimieren, indem sie eine Änderung des Primärrechts anstoßen und die in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 GG förmlich übertragen. Soweit dies nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie dagegen grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenzen mit rechtlichen oder mit politischen Mitteln auf die Aufhebung vom Integrationsprogramm nicht gedeckter Maßnahmen hinzuwirken sowie - solange die Maßnahmen fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit wie möglich begrenzt bleiben. b) Ein Verstoß gegen diese Pflichten verletzt subjektive, mit der Verfassungsbeschwerde rügefähige Rechte der Wahlberechtigten. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt, wenn das Wahlrecht in einem für die politische Selbstbestimmung des Volkes wesentlichen Bereich leerzulaufen droht. Dagegen gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG keinen Anspruch auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht. Gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die europäischen Organe hat der Schutz aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG auch eine verfahrensmäßige Komponente: Der wahlberechtigte Bürger hat zur Sicherung seiner demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen erfolgt, die bei einer eigenmächtigen Kompetenzanmaßung jedoch unterlaufen werden. Der Bürger kann deshalb verlangen, dass Bundestag und Bundesregierung sich aktiv mit der Frage auseinandersetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeiführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen. Ein Ultra-vires-Akt kann ferner Gegenstand eines Organstreits sein. 4. Vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist der OMT-Beschluss nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Primärrecht unvereinbar; eine andere Beurteilung könnte allerdings bei einer primärrechtskonformen Auslegung des OMT-Beschluss geboten sein. a) Der OMT-Beschluss dürfte nicht vom Mandat der Europäischen Zentralbank gedeckt sein. Die Währungspolitik ist nach Wortlaut, Systematik und Zielsetzung der Verträge insbesondere von der primär den Mitgliedstaaten zustehenden Wirtschaftspolitik abzugrenzen. Für die Abgrenzung kommt es auf die objektiv zu bestimmende unmittelbare Zielsetzung einer Maßnahme, die zur Erreichung dieses Ziels gewählten Mittel sowie ihre Verbindung zu anderen Regelungen an. Für die Einordnung des OMT-Beschlusses als wirtschaftspolitische Maßnahme spricht die unmittelbare Zielsetzung, Zinsaufschläge auf Staatsanleihen einzelner Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes zu neutralisieren. Diese beruhen nach Auffassung der Europäischen Zentralbank teilweise auf einer Furcht der Anleger vor einer Reversibilität des Euro; nach Ansicht der Bundesbank spiegeln solche Zinsaufschläge dagegen nur die Skepsis der Marktteilnehmer wider, dass einzelne Mitgliedstaaten eine hinreichende Haushaltsdisziplin einhalten werden, um dauerhaft zahlungsfähig zu bleiben. Auch der selektive Ankauf von Staatsanleihen nur einzelner Mitgliedstaaten ist ein Indiz für die Qualifikation des OMT-Beschlusses als wirtschaftspolitische Maßnahme, denn dem geldpolitischen Handlungsrahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken ist eine zwischen einzelnen Mitgliedstaaten differenzierende Vorgehensweise grundsätzlich fremd. Die Parallelität mit Hilfsprogrammen der EFSF bzw. des ESM sowie das Risiko, deren Zielsetzung und Auflagen zu unterlaufen, erhärten diesen Befund. Der vom OMT-Beschluss vorgesehene Ankauf von Staatsanleihen zur Entlastung einzelner Mitgliedstaaten erscheint insoweit als funktionales Äquivalent zu einer Hilfsmaßnahme der genannten Institutionen - allerdings ohne deren parlamentarische Legitimation und Kontrolle. b) Art. 123 Abs. 1 AEUV verbietet der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen unmittelbar von den emittierenden Mitgliedstaaten zu erwerben. Es liegt auf der Hand, dass dieses Verbot nicht durch funktional äquivalente Maßnahmen umgangen werden darf. Die genannten Gesichtspunkte der Neutralisierung von Zinsaufschlägen, der Selektivität des Ankaufs sowie der Parallelität mit EFSF- und ESM-Hilfsprogrammen sprechen dafür, dass der OMT-Beschluss auf eine verbotene Umgehung von Art. 123 Abs. 1 AEUV zielt. Hinzu kommen folgende Aspekte: die Bereitschaft, sich mit Blick auf die zu erwerbenden Anleihen an einem Schuldenschnitt zu beteiligen; das erhöhte Risiko; die Möglichkeit, die erworbenen Staatsanleihen bis zur Endfälligkeit zu halten; der Eingriff in die Preisbildung am Markt und die vom EZB-Rat ausgehende Ermutigung der Marktteilnehmer zum Erwerb der in Rede stehenden Anleihen am Primärmarkt. c) Die von der Europäischen Zentralbank zur Rechtfertigung des OMT-Beschlusses angeführte Zielsetzung, eine Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zu beheben, vermag hieran nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nichts zu ändern. Dass der Ankauf von Staatsanleihen unter Umständen auch zur Erreichung währungspolitischer Zielsetzungen beitragen kann, macht den OMT-Beschluss als solchen noch nicht zu einer währungspolitischen Maßnahme. Würde man den Kauf von Staatsanleihen bei jeder Störung des geldpolitischen Transmissionsmechanismus zulassen, käme dies einer Befugnis der Europäischen Zentralbank gleich, jede Verschlechterung der Bonität eines Euro-Mitgliedstaates durch den Kauf von Staatsanleihen dieses Staates beheben zu dürfen. Dies würde das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung weitgehend außer Kraft setzen. d) Der OMT-Beschluss wäre aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch möglicherweise dann nicht zu beanstanden, wenn er primärrechtskonform so ausgelegt oder in seiner Gültigkeit beschränkt würde, dass er die Konditionalität der Hilfsprogramme von EFSF und ESM nicht unterläuft und tatsächlich einen die Wirtschaftspolitik in der Union nur unterstützenden Charakter behält. Mit Blick auf Art. 123 Abs. 1 AEUV setzte dies wohl voraus, dass die Inkaufnahme eines Schuldenschnitts ausgeschlossen werden müsste, Staatsanleihen einzelner Mitgliedstaaten nicht in unbegrenzter Höhe angekauft werden und Eingriffe in die Preisbildung am Markt soweit wie möglich vermieden werden. In der mündlichen Verhandlung und in dem Verfahren vor dem Senat abgegebene Erklärungen der Vertreter der Europäischen Zentralbank deuten darauf hin, dass eine solche primärrechtskonforme Auslegung mit Sinn und Zweck des OMT-Beschlusses durchaus noch vereinbar sein dürfte. 5. Ob der OMT-Beschluss und sein Vollzug auch die Verfassungsidentität des Grundgesetzes verletzen können, ist derzeit nicht sicher absehbar und hängt nicht zuletzt von Inhalt und Reichweite des - primärrechtskonform ausgelegten - OMT-Beschlusses ab. Abweichende Meinung der Richterin Lübbe-Wolff: In dem Bemühen, die Herrschaft des Rechts zu sichern, kann ein Gericht die Grenzen richterlicher Kompetenz überschreiten. Das ist meiner Meinung nach hier geschehen. Die Anträge hätten als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die Frage, wie Bundestag und Bundesregierung auf eine Verletzung von Souveränitätsrechten der Bundesrepublik Deutschland, sei sie kriegerischer oder nicht kriegerischer Art, zu reagieren haben, ist nicht sinnvoll im Sinne der Auferlegung bestimmter positiver Handlungspflichten verregelbar. Die Auswahl zwischen den vielfältigen Möglichkeiten der Reaktion, die von bloßen Missfallensbekundungen bis hin zum Austritt aus der Währungsgemeinschaft reichen, kann nur Sache des politischen Ermessens sein. Es verwundert deshalb nicht, dass sich diesbezügliche Regeln weder dem Verfassungstext noch der Rechtsprechungstradition entnehmen lassen. Die Annahme, dass unter näher bestimmten Voraussetzungen nicht nur positiv-souveränitäts-beschränkende Akte deutscher Bundesorgane, sondern auch eine bloße Untätigkeit bei qualifizierten Übergriffen der Union unter Berufung auf Art. 38 Abs. 1 GG angegriffen werden können, weicht von erst jüngst bekräftigter Rechtsprechung ab, nach der ein Unterlassen von Bundestag oder Bundesregierung mit der Verfassungsbeschwerde nur gerügt werden kann, wenn sich der Beschwerdeführer auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen kann, der Inhalt und Umfang der als verletzt behaupteten Handlungspflicht im Wesentlichen umgrenzt. Auch für Anträge im Organstreitverfahren hat der Senat noch kürzlich festgestellt, dass sie nur gegen ein konkretes Unterlassen zulässig sind, das heißt gegen das Unterlassen einer konkreten als geboten darstellbaren Handlung. Die Annahme, dass unter anderem ein bloßes Unterlassen der Bundesregierung, sich auf der Ebene der Union in bestimmter Weise zu verhalten, zulässiger Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein kann, stünde zudem in Gegensatz dazu, dass selbst positive Mitwirkungshandlungen der Bundesregierung an Beschlüssen von Organen der Union oder intergouvernementalen Beschlüssen in Angelegenheiten der Union noch vor kurzem zu untauglichen Angriffsgegenständen erklärt worden sind. Abweichende Meinung des Richters Gerhardt: Ich halte die Verfassungsbeschwerden und den Antrag im Organstreitverfahren, soweit sie den OMT-Beschluss betreffen, für unzulässig. Der vorliegende Beschluss erweitert die Möglichkeit des Einzelnen, über Art. 38 Abs. 1 GG - ohne Rückanbindung an ein materielles Grundrecht - eine verfassungsgerichtliche Kontrolle in Bezug auf Akte von Unionsorganen zu initiieren. Mit der Zulassung einer solchen Ultra-vires-Kontrolle wird die Tür zu einem allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch geöffnet, den das Grundgesetz nicht kennt. Die Integrationsverantwortung der deutschen Verfassungsorgane besteht gegenüber der Allgemeinheit, und aus ihr folgt nichts für die Konstruktion eines subjektiven Rechts eines jeden Wahlberechtigten auf Tätigwerden von Verfassungsorganen. Bundesregierung und Bundestag muss bezüglich der Frage, ob ein qualifizierter Ultra-vires-Akt vorliegt, ein vom Bürger hinzunehmender Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zukommen. Der Beschluss geht davon aus, dass eine Kompetenzüberschreitung auch dann offensichtlich sein kann, wenn dem ein längerer Klärungsprozess vorausgeht. Wie schwierig das Kriterium der Offensichtlichkeit zu handhaben ist, zeigt der Fall überdeutlich. Währungs- und Wirtschaftspolitik sind aufeinander bezogen und können nicht strikt unterschieden werden. In der Gesamtschau erscheint mir das Vorbringen, es gehe in erster Linie um die Wiederherstellung des monetären Transmissionsmechanismus, nicht mit der zu fordernden Eindeutigkeit widerlegbar. Dass der Einzelne das Selbstbefassungsrecht des Bundestags mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts in eine bestimmte Richtung lenken kann, fügt sich nicht in die grundgesetzlichen Rahmenbedingungen parlamentarischer Arbeit. Der Bürger kann mittels Eingaben, über die Parteien und Abgeordneten sowie insbesondere über die Medien auf Art und Ziel der politischen Willensbildung Einfluss nehmen. Der Bundestag hätte ohne weiteres auf politischem Wege den OMT-Beschluss missbilligen, gegebenenfalls auch eine Nichtigkeitsklage androhen, die Reaktion der Europäischen Zentralbank und der Finanzmärkte abwarten und dann weitere Konsequenzen ziehen können. Dass er all dies nicht getan hat, indiziert kein Demokratiedefizit, sondern ist Ausdruck einer Mehrheitsentscheidung für eine bestimmte Politik zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euro-Währungsraum.

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