GouveneurswahlTokios Wähler sagen „Ja“ zur Atomkraft
09.02.2014 · Bei der Gouveneurswahl in Tokio mussten die Kernkraftgegner eine schwere Niederlage hinnehmen. Die ersten seit Fukushima stillgelegten Reaktoren dürften schon im Frühjahr wieder ans Netz gehen.
Von CARSTEN GERMIS, TOKIO
Vordergründig haben die Wähler in Tokio am Sonntag einen neuen Gouverneur gewählt. Tatsächlich haben sie aber auch ein klares Plädoyer für den Wiedereinstieg in die Atomkraft abgegeben. Der Versuch des früheren japanischen Ministerpräsidenten Morihiro Hosokawa, die Gouverneurswahlen in der japanischen Hauptstadt zu einem Referendum gegen die Atomkraft zu machen, ist damit gescheitert. Hosokawa und ein weiterer atomkritischer Kandidat landeten bei der Wahl abgeschlagen auf den Plätzen 2 und 3. Der von Regierungschef Shinzo Abe und seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) unterstützte frühere Gesundheitsminister Yoichi Masuzoe steuerte nach letzten Hochrechnungen auf einen Erdrutschsieg zu. Es wird nun erwartet, dass Abe dem Kabinett noch in diesem Monat einen Energieplan vorlegen wird, nach dem die Atomkraft im Energiemix künftig rund 20 Prozent der Stromversorgung übernimmt. Derzeit sind alle 48 japanischen Atomreaktoren stillgelegt. Die ersten Reaktoren dürften dann im Frühjahr wieder ans Netz gehen. Wie in der F.A.Z. berichtet, hatte die Regierung schon in der Vorwoche angekündigt, den Bau von drei neuen Atomreaktoren genehmigen zu wollen.
Knapp drei Jahre nach der Havarie im Atomkraftwerk Fukushima ist es Hosokawa nicht gelungen, die Wähler in Tokio von seiner Botschaft „Atomaustieg sofort“ zu überzeugen. Hosokawa, der massiv vom populären früheren LDP-Regierungschef Junichiro Koizumi unterstützt wurde, forderte eine Energiewende nach deutschem Vorbild. Umfragen am Tag der Wahl zeigten aber, dass seine Forderung nach einem Atomausstieg die Wähler in Tokio nicht bewegte. Lediglich 14,7 Prozent sahen darin das wichtigste politische Thema. Interessiert haben die Wähler vor allem die Sorge um die Arbeitsplätze und das Wirtschaftswachstum.
Der Druck aus der Industrie dürfte sich nun verstärken
LDP-Vizepräsident Masahiko Komura wertete die Wahl als Bestätigung der Energiepolitik der Regierung. Ministerpräsident Abe ist bekannt als Befürworter der Atomkraft. Die Forderung nach einem sofortigen Atomausstieg hat er im Wahlkampf als „unverantwortlich“ bezeichnet. Seit der Abschaltung der Atomkraftwerke als Antwort auf die Katastrophe in Fukushima sind die Stromkosten für Unternehmen in Tokio um 17 Prozent gestiegen. Um die Energielücke zu schließen, muss Japan verstärkt Gas und Öl importieren. Die Handelsbilanz schreibt deswegen rote Zahlen. Abe hat dies immer wieder als Gefahr für den Industriestandort Japan bezeichnet.
Aus der Industrie dürfte sich der Druck auf die Regierung verstärken, schnell die ersten Reaktoren wieder in Betrieb zu nehmen. Der Atomaufsicht NRA liegen 16 Anträge vor, die Sicherheit von Reaktoren zu überprüfen, damit sie wieder in Betrieb genommen werden können. Energieunternehmen rechnen in den nächsten Wochen mit den ersten Genehmigungen. Unter den Atomkraftwerken, die wieder ans Netz gehen sollen, ist auch das größte Atomkraftwerk Japans in Kashiwazaki-Kariwa an der Westküste Japans. Betreibergesellschaft sind die Elektrizitätswerke von Tokio (Tepco), denen auch die Reaktoren in Fukushima gehören.
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