Amerika und die Krise am Golf
Bündnis mit Brandstiftern
Seit je war das amerikanisch-saudische Bündnis nicht von gemeinsamen Werten, sondern von kühlem Pragmatismus getrieben. Doch die Krise am Golf zeigt seine Widersprüchlichkeit nun immer deutlicher.
Seit jenem denkwürdigen Wintertag vor gut 70 Jahren, als der saudische Staatsgründer Abdelaziz das erste Mal seinen Fuss auf ausländisches Territorium setzte, nämlich auf das amerikanische Kriegsschiff USS «Quincy», wo ihn Präsident Roosevelt erwartete, war das Verhältnis zwischen den USA und Saudiarabien von Widersprüchen geprägt. Hier der Herrscher über ein archaisches Wüstenreich, der mit 8 Schafen und 42 Höflingen zum Gipfeltreffen angereist kam, dort der raffinierte New Yorker Politiker und Anführer der freien Welt, der sein Land erfolgreich durch Krise und Krieg geführt hatte. Pragmatismus prägte das Bündnis schon damals, lange bevor Saudiarabien zum Erdölstaat aufstieg – Roosevelt suchte einen Partner am Golf, Abdelaziz Know-how zur Entwicklung seines Landes.
Heute, zwölf amerikanische Präsidenten und sechs saudische Könige später, ist Riad nicht mehr wiedererkennbar, aber manche politischen Grundkonstanten scheinen unverrückbar. Wie passt es zusammen, dass sich das auf seine freiheitliche Traditionen so stolze Amerika mit einem Land einlässt, das religiösen Extremismus zur Staatsideologie erhoben hat, keinerlei Opposition duldet und dabei selbst einen Wortführer der schiitischen Minderheit nicht verschont? Die Antwort lautet gleich wie vor 70 Jahren: weil die USA, wie auch weitere westliche Mächte, durch die Brille ihrer nationalen Interessen keine brauchbare Alternative sehen.
Zwar hat sich der Kitt zwischen den beiden ungleichen Partnern in den letzten Jahren merklich gelockert. Mit dem Untergang der Sowjetunion fiel ein gemeinsamer Gegner weg, der das demokratisch-kapitalistische Amerika und das sich vor sozialistischen Revolutionen in der arabischen Welt fürchtende Königshaus jahrzehntelang geeint hatte. Auch wird oft argumentiert, dass sich mit dem Schieferöl-Boom in den USA die Abhängigkeit von saudischem Erdöl verringert habe. Doch erstens behält Saudiarabien seine Rolle als «Schiedsrichter», der wie kein anderer Produzent den Ölpreis zu steuern vermag, und zweitens hat sich an der herausragenden strategischen Lage des Landes nichts verändert. Selbst wenn Washington wollte, kann es in der Region nicht einfach auf ein anderes Pferd setzen: Der Irak hat sich als zutiefst unzuverlässiger Partner erwiesen, Iran bleibt trotz dem Atomabkommen in seiner antiwestlichen Ideologie gefangen, und die kleinen Golfmonarchien sind zu unbedeutend.
Dennoch zeigt sich die Widersprüchlichkeit der amerikanisch-saudischen Allianz in zunehmend krasser Weise. Die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr war ein skrupelloser Akt der Repression und zugleich eine bewusste Brüskierung der schiitischen Vormacht Iran, mit der sich Saudiarabien in einem Stellvertreterkrieg wähnt. Das gezielte Anheizen konfessioneller und politischer Spannungen in der Region ist ein übles Vorzeichen für das neue Jahr, das eben erst begonnen hat. Meint es die Regierung Obama ernst mit ihren Friedensbemühungen für Syrien und Jemen, die ohne konstruktives Zutun der Saudi und der Iraner chancenlos sind, so kann sie es bei ihren bisherigen Äusserungen des Bedauerns nicht bewenden lassen. Als wichtigste Waffenlieferantin der Saudi steht sie nicht nur in der Mitverantwortung, sondern verfügt auch über einen Hebel, um auf die Hardliner in Riad mässigend einzuwirken.
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