„Frankfurt Dinner Group“Die verborgenen Verhandlungen mit Griechenland
Still und heimlich haben die Gläubiger und Griechenland ein neues Format für die Verhandlungen geschaffen. Es heißt „Frankfurt Dinner Group“. Wenn es in der Öffentlichkeit kracht, wird dort weiter verhandelt.
19.04.2015, von THOMAS GUTSCHKER
Es ging wieder mächtig zur Sache in der abgelaufenen Woche. Erst drohten die Griechen, sie würden die nächsten Raten an den IWF nicht mehr zahlen. Dann kursierten in Frankfurt und Berlin Szenarien für einen Grexit. Und in Washington trafen sich der deutsche und der griechische Finanzminister fast zum öffentlichen Duell in einer Denkfabrik. Von Stillstand war die Rede, von verlorener Geduld, von zunehmender Verzweiflung, vom bevorstehenden Crash zwischen den Trotz-Griechen und ihren Gläubigern.
Und nun das: Sie reden immer noch miteinander! Und zwar in einem neuen Format: Es heißt, ganz gediegen, „Frankfurt Dinner Group“. In Frankfurt, am Sitz der Europäischen Zentralbank, fand vor vier Wochen die erste Sitzung statt, ein Dinner, das kurz vor Mitternacht begann. Am Tisch saßen ranghohe Mitarbeiter von EZB-Präsident Mario Draghi, von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, von IWF-Chefin Christine Lagarde und vom griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Das Treffen war ein Ergebnis des nächtlichen Brüsseler Mini-Gipfels der Chefs Mitte März. Es sollte eine neue Ebene gezogen werden zwischen den Verantwortlichen und den Fachbeamten – um den Verhandlungsprozess auch dann noch in Gang zu halten, wenn es auf der oberen oder unteren Ebene kracht. Ein Puffer, um Schocks zu absorbieren.
Seit der ersten Sitzung ist die „Frankfurt Dinner Group“ jede Woche drei bis viermal zusammengekommen, meistens per Telefon- oder Videokonferenz, manchmal persönlich. Auch in der zurückliegenden Woche war das so. Die Gruppe wirkte im Verborgenen, aber ihr Einfluss wurde sichtbar. Einmal nach der Athener Drohung, die Verpflichtungen gegenüber dem IWF nicht einzuhalten; sie kam aus dem Finanzministerium von Giannis Varoufakis. Am Mittwoch wurde die Drohung von Ministerpräsident Tsipras kassiert – nach Intervention der Gruppe. Das nächste Signal folgte am Donnerstag: ein Statement von Tsipras, das die vor der IWF-Frühjahrstagung in Washington wogenden Wellen der Erregung brechen sollte. Tsipras äußerte sich staatsmännisch: Es gebe noch Meinungsunterschiede auf vier Feldern, nämlich, was Reformen des Arbeitsrechts, des Wohlfahrtssystems, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und den erforderlichen Haushaltsüberschuss angehe, die berühmten Strukturreformen. Aber seine Regierung arbeite hart daran, schrieb Tsipras weiter, einen „ehrenhaften Kompromiss mit unseren Partnern zu finden“, der sowohl das Wähler-Mandat der Regierung respektiere als auch den operativen Rahmen der Eurozone. Ein Kompromiss-Signal, vorbereitet in der „Frankfurt Dinner Group“.
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Die Gruppe prüft derzeit Optionen, um Kompromisse zu schmieden. Sie erteilt den technischen Fachleuten in Athen Arbeitsaufträge; sie sollen die Optionen mit Zahlen unterlegen. Es geht darum, politische Entscheidungen vorzubereiten. Einfach ist das nicht, vor allem weil es einen Machtkampf in Athen gibt, der bis in die Treffen der Gruppe durchschlägt: zwischen Varoufakis und Tsipras. Dabei wird Tsipras als konstruktiv eingeschätzt, während Varoufakis die Verhandlungen hintertreibe und ständig nach „Abkürzungen“ suche, um aus getroffenen Vereinbarungen auszubrechen. An manchen Tagen gehe es zwei Schritt vorwärts und einen zurück, an anderen seien es drei Schritte rückwärts, heißt es. Deshalb sei es nicht gelungen, vor dem Treffen der EU-Finanzminister in der nächsten Woche eine für alle Seiten akzeptable Reformliste auszuarbeiten. Die Europäer hoffen jedoch auf ein klares Signal von Tsipras, damit bis zum 11. Mai - der nächsten Tagung der Eurogruppe – ein Vorschlag auf dem Tisch liegt. Es ist möglich, dass dann der letzte Knoten von den Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel durchgehauen werden muss.
Momentan gibt es auf der obersten politischen Ebene kaum noch direkte Kontakte mit Tsipras. Juncker hat seit vier Wochen nicht mehr mit ihm telefoniert, nachdem er vorher mehr mit ihm gesprochen hatte als mit seiner eigenen Ehefrau. Grund zur Sorge? Nein, heißt es, direkte Kontakte stünden erst wieder an, wenn es etwas zu entscheiden gebe.
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