Gewagte PrognoseFällt der Ölpreis wirklich unter 20 Dollar?
Der Ölpreis ist zu Wochenbeginn schon wieder gefallen. Wo ist das Ende? Eine amerikanische Bank bleibt bei ihrer erstaunlichen Prognose.
29.12.2015
Der Kampf der Förderländer um Marktanteile drückt den Ölpreis. Nachdem er zu Wochenbeginn noch einmal um zwei Prozent nachgegeben hatte, kosten ein Fass (159 Liter) der amerikanischen Öl-Sorte WTI nun 34 Dollar und ein Fass europäisches Brent-Öl 37 Dollar. Im vergangenen Jahr befanden sich beide Preise noch oberhalb von 100 Dollar.
Die in der Organisation der Erdöl produzierenden Länder Opec organisierten Staaten fluten den Weltmarkt mit Öl, um Konkurrenten mit höheren Förderkosten zu ruinieren. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Daher erwarten die Fachleute der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs sogar, dass sich der Preis für WTI-Öl im kommenden Jahr sogar auf weniger als 20 Dollar für ein Fass fällt.
„Bei einem milden Winter, einem langsameren Wachstum in den Schwellenländern und der potentiellen Aufhebung der Iran-Sanktionen könnten die Lagerbestände weiter steigen“, sagen sie voraus. Goldman Sachs ist als Bank im Ölhandel aktiv, hat mit Prognosen in diesem Bereich aber auch schon deutlich daneben gelegen. Im Jahr 2008 hielten die Ökonomen der Bank für möglich, dass der Ölpreis bis auf 200 Dollar je Fass steigt - passiert ist das nicht.
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Verglichen mit der professionellen Marktbeobachter-Gemeinde ist die Goldman-Sachs-Schätzung indes ein Ausreißer. Im Schnitt erwarten von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Analysten für das kommende Jahr einen Preis von 57,90 Dollar für ein Fass Brent-Öl und von 52,80 Dollar für dieselbe Menge der Sorte WTI.
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Sfan Kreuzkamp, Chefstratege der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank (AWM), begründet seine Erwartung eines anziehenden Ölpreises beispielsweise mit der rückläufigen Förderung von Schieferöl in den Vereinigten Staaten. Ähnlich argumentieren die Experten der Commerzbank, die gegen Jahresende 2016 einen Brent-Preis von 63 Dollar vorhersagen.
Weil die Zahl der aktiven Bohrlöcher in den Vereinigten Staaten seit Oktober 2014 um zwei Drittel gesunken sei, dürfte die globale Ölproduktion im kommenden Jahr trotz eines größeren Angebots aus dem Iran nicht mehr steigen. Auf der ganzen Welt wurden dem Ölindustrie-Dienstleister Baker Hughes zufolge bis November knapp die Hälfte aller Bohrungen stillgelegt.
Saudi-Arabien pumpt und pumpt
Dieser Einschätzung widerspricht die Internationale Energieagentur (IEA). Deren Experten gehen davon aus, dass die Opec-Staaten ihre Ölförderung im Jahr 2016 um 1,6 auf 31,3 Millionen Barrel pro Tag steigern. Gleichzeitig werde die Fördermenge der nicht im Kartell vertretenen Länder nur um 600.000 Barrel zurückgehen. Daher werde trotz der rückläufigen Fördermengen in Amerika das Angebot die Nachfrage noch bis mindestens Ende 2016 übersteigen.
Ein Grund für das Überangebot an Rohöl ist der Schieferöl-Boom in den Vereinigten Staaten. Dabei wird der Rohstoff mit Hilfe des umstrittenen Fracking-Verfahrens unter hohem technischen und finanziellen Aufwand aus dem Gestein gelöst.
Einige Opec-Staaten wie Saudi-Arabien wollen aber anders als in früheren Jahrzehnten die Preise nicht mit Förderkürzungen stabilisieren. Sie fahren stattdessen die Produktion hoch und gewähren Kunden Rabatte, um ihre Marktanteile zu verteidigen und Konkurrenten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Anfang Dezember betonte das Kartell, an dieser Politik festzuhalten.
Diesel kostet weniger als 1 Euro
Dem Sog des Ölpreis-Verfalls können sich andere Energieträger nicht entziehen. Kohle ist mit 44 Dollar je Tonne so billig wie zuletzt vor gut zwölf Jahren. Der Preis für eine Megawattstunde Strom markierte vor wenigen Tagen an der Strombörse EEX mit 27,85 Euro ein Rekordtief.
Den Rohstoff-Konzernen macht dieser Preisverfall zu Schaffen. Allein der Börsenwert der Ölförderer schrumpfte in den vergangenen eineinhalb Jahren um insgesamt mehr als eine Billion Dollar. Das entspricht in etwa der aktuellen Marktkapitalisierung aller 30 im deutschen Standartwerte-Index Dax enthaltenen Werte und übersteigt die jährliche Wirtschaftsleistung der Niederlande.
Die rückläufigen Energiepreise dämpfen die Inflation. Der Ölpreis-Verfall sei aber auch ein Konjunkturprogramm, betont Elga Bartsch, Chefvolkswirtin von Morgan Stanley. Unternehmen bleibe schließlich mehr Spielraum für Investitionen und Verbrauchern mehr Geld für den Konsum. „Das wird 2016 so bleiben.“
Auf 13,5 Milliarden Euro beziffert Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes die Ersparnis für die deutschen Verbraucher im laufenden Jahr. Im kommenden Jahr werden wohl weitere Milliarden hinzukommen: Der Dieselpreis ist an vielen Tankstellen wieder unter die Marke von einem Euro gerutscht.
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