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Montag, 25. Juli 2016

Wie der „Brexit“ vor der Abstimmung scheint auch ein „Ixit“ heute unwahrscheinlich. Die damit verbundenen Veränderungen sind so gewaltig, dass man sich kaum eine politische Mehrheit dafür vorstellen kann. Doch führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass es Italien in den vergangenen 18 Jahren nicht gelungen ist, sich in der Währungsunion wirtschaftlich zu behaupten.

Mayers WeltwirtschaftKrisenland Italien

Italiens Banken geht es schlecht, doch noch schlechter geht es dem ganzen Land. Schnelle Rettung ist nicht in Sicht.
 von THOMAS MAYER
© THILO ROTHACKERThomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institutes und Professor an der Universität Witten/Herdecke.
Hört man Politikern und Bankenvertretern zu, könnte man meinen, dass die gegenwärtige italienische Bankenkrise mit einer Rekapitalisierung der maroden Institute bereinigt werden könnte. Strittig scheint nur, ob die Eigner und Gläubiger für die Kosten aufkommen sollen, wie in der neuen EU-Direktive zur Bankensanierung vorgesehen, oder der Staat zahlen soll, wie bei den zahlreichen Bankenrettungen der vergangenen Jahre. Dabei wird übersehen, dass die Probleme der italienischen Banken die chronische Schwäche der italienischen Wirtschaft widerspiegeln und nicht wie anderswo durch Preis- und Kreditblasen an den Immobilienmärkten entstanden sind. Deshalb kann die Rekapitalisierung den Banken nur vorübergehend Erleichterung bringen. Die Auszehrung der Banken wird weitergehen, solange die Wirtschaft dahinsiecht.

Kein Euro-Land wuchs weniger als Italien

Italien ist das einzige Mitgliedsland der Eurozone, dessen reales Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Vorjahr unter dem Niveau vor Beginn der Währungsunion lag. Sogar Griechenland verzeichnete trotz der brutalen Rezession seit 2008 zwischen 1998 und 2015 einen leichten Anstieg. Entsprechend schwach entwickelte sich der Arbeitsmarkt. Vor Beginn der Währungsunion, im Dezember 1998, betrug die italienische Arbeitslosenrate 11,4 Prozent; im Mai dieses Jahres stand sie bei 11,5 Prozent. Die Schwäche der Wirtschaft hat wesentlich zur Auszehrung der Banken durch schlechte Kredite beigetragen. Der Anteil der notleidenden Kredite an den gesamten Krediten beträgt gute 18 Prozent, ungefähr neunmal mehr als in Deutschland. Dabei machen Kredite an Unternehmen beinahe 80 Prozent der gesamten notleidenden Kredite aus.
In den vorangegangenen Bankenkrisen waren meist private Haushalte, die sich bei der Finanzierung überteuerter Immobilien übernommen hatten, für die schlechten Kredite verantwortlich. Nachdem die Immobilienblase geplatzt und die schlechten Kredite abgeschrieben waren, konnten die Bilanzen der Banken mit der Zufuhr neuen Kapitals stabilisiert werden. Weitere Abschreibungen waren nicht mehr nötig, da sich die Immobilienpreise nun auf niedrigerem Niveau stabilisiert hatten oder sogar wieder stiegen. In Italien ist das anders. Die Qualität der Firmenkredite und der Abschreibungsbedarf steigen weiter, solange die Wirtschaft am Boden liegt. Erst wenn die Wirtschaft gesundet, können sich die Banken erholen.

Rekordabflüsse aus dem Bankensystem

Die Schwäche der Banken führt zu einem Vertrauensverlust des Publikums. Folglich fließt aus dem italienischen Bankensystem Geld ab. Seit Juli 2014 sind die Targetverbindlichkeiten der Bank von Italien, in denen sich diese Abflüsse niederschlagen, wieder gestiegen. Mit 276 Milliarden Euro lagen sie im Mai nur unwesentlich unter ihrem Höchststand vom August 2012. Die Abflüsse dürften im Juni und Juli zugenommen und die Verbindlichkeiten ein neues Rekordhoch erreicht haben. Indem italienische Bankkunden ihre Guthaben in andere Länder der Eurozone, vor allem nach Deutschland, überweisen, offenbaren sie nicht nur ihr Misstrauen in die italienischen Banken, sondern auch ihre Sorge über einen möglichen Austritt Italiens aus der Währungsunion. Denn würde Italien die Eurozone verlassen, würden die Einlagen bei italienischen Banken in eine neue, vermutlich schwächere Währung umgestellt. Dieses Risiko schieben die Italiener den Steuerzahlern in anderen Euroländern zu, deren Targetforderungen bei einem Austritt Italiens aus der Währungsunion vermutlich stark an Wert verlieren würden.
Die Sorgen der italienischen Bankkunden sind durchaus berechtigt. Regierungschef Renzi wollte bei seinem Amtsantritt Italiens Staat und Wirtschaft runderneuern. Aber nun geht ihm die Puste aus. Verliert er das für diesen Oktober angesetzte Referendum zur Verfassungsreform, könnte es zu Neuwahlen kommen. Die eurokritische Fünfsterne-Bewegung ist im Aufwind und könnte Regierungsverantwortung übernehmen. Sie hat den Italienern ein Referendum über die weitere Mitgliedschaft in der Eurozone versprochen. Verschlechtert sich der Zustand der Wirtschaft weiter, könnten die Italiener dem Beispiel der Briten folgen und für den Austritt stimmen.

Wie wahrscheinlich ist ein Ixit?

Wie der „Brexit“ vor der Abstimmung scheint auch ein „Ixit“ heute unwahrscheinlich. Die damit verbundenen Veränderungen sind so gewaltig, dass man sich kaum eine politische Mehrheit dafür vorstellen kann. Doch führt kein Weg an der Einsicht vorbei, dass es Italien in den vergangenen 18 Jahren nicht gelungen ist, sich in der Währungsunion wirtschaftlich zu behaupten. Die Aussicht, dass dies in Zukunft besser wird, verschlechtert sich mit der Bankenkrise weiter. Früher oder später wird sich Italien daher wohl aus der als Zwangsjacke empfundenen Währungsunion befreien. Es sei denn, es geschieht ein Wunder.

Quelle: F.A.S.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mayers-weltwirtschaft/mayers-weltwirtschaft-krisenland-italien-14354266.html

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