© DPADie Hedgefonds haben in Argentinien wenig Freunde
Über spanischen Immobilien kreisen sie, den Banken kaufen sie problematische Forderungen ab und von insolventen Staaten erwerben sie Anleihen, die nur noch einen Bruchteil des Nennwerts kosten: Die sogenannten „Geierfonds“ sind nach der geplatzten Einigung mit Argentinien und der bevorstehenden Insolvenz des südamerikanischen Landes in aller Munde. Vor allem der Hedgefondsmanager Paul Elliott Singer, dessen Fonds NML Capital neben Aurelius Capital Argentinien in die Knie zwang, wird zur Zielscheibe der Kritik.
Lässt man den Schmähbegriff „Geierfonds“ beiseite, handelt es sich um Hedgefonds, die sich nach eigenen Worten auf „spezielle Situationen“ konzentrieren. Ihre Kapitalgeber sind wie bei allen anderen Hedgefonds institutionelle Investoren wie Pensionsfonds oder Versicherer und sehr wohlhabende Privatanleger.
Unter „speziellen Situationen“ verstehen sie in der Regel Staats- oder Unternehmenskrisen. Ihr Kalkül: Anleihen, die schon deutlich an Wert eingebüßt haben, aufkaufen und auf einen höheren Restwert zu setzen. Selbst für insolvente Staaten gibt es funktionierende Anleihemärkte. Doch der Großteil dürfte im Freiverkehr unter den Banken („over the counter“; OTC) gehandelt werden, schätzen Analysten. Das gilt erst recht für Kredite an angeschlagene Unternehmen, die zu einem Bruchteil der nominalen Forderung gehandelt werden. Der Kredit im Nominalwert von einem Euro kann zum Beispiel für 40 Cent einen neuen Käufer finden.
„Anleihen von insolventen Staaten oder Unternehmen werden deshalb gehandelt, weil die Forderungen immer noch einen Restwert haben“, sagt Commerzbank-Analyst Alexander Aldinger. Investoren, die solche Forderungen gezielt kaufen, hoffen dann auf einen Restwert, der höher ausfällt als der Kaufpreis des Schuldtitels. Aldinger verweist auch noch auf einen technischen Grund, der sich aus den Kreditausfallderivaten (Credit Default Swaps; CDS) ergibt: „Wer einen CDS einlösen will, kann dies meist nur, wenn er auch entsprechende Anleihen hält.“
Forderungen von 500 Milliarden Dollar drohen
Nach Ansicht von Dirk Bliesener, Partner der Kanzlei Hengeler Mueller für Bank- und Kapitalmarktrecht, sind Staatsanleihen überwiegend in Form von handelbaren Schuldtiteln verbrieft. „Ihr jeweiliger Marktpreis spiegelt die Erwartung der verschiedenen Marktteilnehmer an die zu erwartende Rendite wider.“ Marktteilnehmer mit höherer Risikobereitschaft investierten auch in Schuldtitel von Staaten oder Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten, fügt er hinzu.
NML Capital und Aurelius zielten auf die von Argentinien begebenen Anleihen mit dem Gerichtsstandort New York. Damit sicherte sich das Land internationale Investoren, die Wert auf ein vertrautes Rechtsumfeld legen. Die beiden Hedgefonds hatten sich an den Umschuldungen, die Argentinien nach der Zahlungsunfähigkeit im Jahr 2001 durchführte, nicht beteiligt und in New York auf Auszahlung der Forderungen zu 100 Prozent geklagt. Ein lukratives Geschäft, denn Singer soll für die argentinischen Anleihen im Nennwert von 800 Millionen Dollar nur 48 Millionen Dollar oder sechs Cent für einen Dollar gezahlt haben.
Nun muss nach dem Urteil des amerikanischen Gerichts Argentinien an NML, Aurelius und mehrere Mitkläger 1,3 Milliarden Dollar zuzüglich 200 Millionen Dollar Zinsen zahlen. Folgt Argentinien diesem Urteil, dann muss es aber auch an die Altgläubiger, die sich an der Umschuldung beteiligt hatten, Zahlungen leisten. Das können neue Forderungen von 500 Milliarden Dollar sein.
Die Strategie von Singer und seinem Hedgefonds Elliott Management, zu dem NML gehört, macht Schule. Immer mehr Hedgefonds betrachten Anleihen überschuldeter Staaten als Investitionsobjekt und setzen auf die Doppelstrategie, Umschuldungsangebote abzulehnen und auf volle Auszahlung zu klagen. Ein Beispiel ist auch Griechenland. Die Umschuldung im Frühjahr 2012 bezog sich nur auf die nach griechischem Recht begebenen Anleihen im Volumen von 200 Milliarden Dollar. Diese wurden zu mehr als 50 Prozent herangezogen.
Nicht betroffen waren aber die Schuldtitel nach internationalem Recht über 29 Milliarden Euro. Davon akzeptierten Gläubiger, die gut 20 Milliarden Euro an Anleihen hielten, die Umschuldung. Aber andere Investoren wie Elliott oder Third Point von Dan Loeb strichen satte Renditen ein, weil sie entweder für bestimmte Anleihen die Umschuldung blockierten oder von einem hohen Rückkaufangebot Athens profitieren.
In einer im Mai veröffentlichten Studie kommen die deutschen Wirtschaftswissenschaftler Julian Schumacher, Christoph Trebesch und Henrik Enderlein zu dem Ergebnis, dass seit den neunziger Jahren staatliche Umschuldungen immer häufiger von Klagen begleitet werden. In den vergangenen Jahren seien fast 50 Prozent der Umschuldungen von Rechtsstreitigkeiten im Ausland begleitet worden, während es in den achtziger Jahren nur 5 Prozent gewesen seien.
Das Geschäftsmodell dürfte Singer maßgeblich geprägt haben: In den neunziger Jahren setzte er sich erfolgreich gegen die Umschuldung Perus ein. Danach folgten Panama und Kongo. Doch die „Geierfonds“ machen sich nicht nur in den betroffenen Ländern Feinde, sondern auch der Internationale Währungsfonds und die Weltbank betrachten sie als Bedrohung für die ärmsten Länder. Im Jahr 2002 bezeichnete der britische Schatzkanzler (und spätere Premierminister) Gordon Brown das Vorgehen als „moralisch empörend“.
Doch das Kalkül, mehr Rendite aus notleidenden Krediten zu schlagen, gehört zu den gängigen Strategien von Hedgefonds. Ein Beispiel ist der texanische Finanzinvestor Lone Star, der nicht nur angeschlagene Banken wie die IKB, sondern auch deren faule Kredite zu einem hohen Abschlag erwirbt. Diese müssen wie Immobilienkredite auf einer Sicherheit beruhen, die dann verwertet wird – natürlich mit hohem Gewinn. Auch angeschlagene Unternehmen werden übernommen, in dem Finanzinvestoren deren Schulden bei Banken oder am Markt aufkaufen. Dann wird das Unternehmen unter Druck gesetzt, entweder die Forderungen zu bedienen oder diese in Anteile umzuwandeln. So übernahmen die Hedgefonds Oaktree und Anchorage im Jahr 2009 die Mehrheit am angeschlagenen Boothersteller Bavaria Yacht. Aber auch der schwäbische Rückspiegelhersteller Schefenacker und der hessische Folienproduzent Treofan landeten auf diese Weise in den Händen der Fonds.