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Samstag, 26. Juli 2014

Argentinien hat sich an der Wall Street nicht gerade beliebt gemacht. Doch das hält die Banker nicht davon ab, alles daran zu setzen, das Land wieder an den Anleihemarkt zurückzubringen.

Wall Street erwärmt sich für argentinische Anleihen

    Von MATT WIRZ
[image]Agence France-Presse/Getty Images
Journalisten umschwärmen am Donnerstag den argentinischen Wirtschaftsstaatssekretär Federico Thea, der mit dem Mediator Daniel Pollack in New York verhandelte.
Argentinien hat sich an der Wall Street nicht gerade beliebt gemacht. Doch das hält die Banker nicht davon ab, alles daran zu setzen, das Land wieder an den Anleihemarkt zurückzubringen.
Die größten Firmen der Wall Street haben sich in der ersten Jahreshälfte 2014 intensiv darum bemüht, für Argentinien einen Ausweg aus dem Rechtsstreit des Landes mit Hedgefonds unter der Führung von Elliott Management zu ebnen. Es steht viel auf dem Spiel: Argentinien könnte zum zweiten Mal innerhalb von 13 Jahren in den Staatsbankrott rutschen.
Um Elliott Management haben sich Inhaber von Staatsanleihen geschart, die Argentinien nach der Staatspleite von 2001 nicht mehr bedient hatte und die nicht umgeschuldet worden waren. Um mit diesen so genannten Holdout-Gläubigern einen Vergleich zu erreichen, hat eine Handvoll Großbanken den Verkauf von Anleihen ins Spiel gebracht.
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Bis jetzt ist es den Bankern allerdings noch nicht gelungen, die argentinische Regierung für ihre Vorschläge zu gewinnen. Unklar ist dabei, ob ihre Pläne überhaupt ernsthaft in Betracht gezogen wurden. Denn Argentinien und die Hedgefonds trennt bei den Verhandlungen eine weite Kluft. Und globale Finanzunternehmen erfreuen sich in dem südamerikanischen Land ohnehin einer nur begrenzten Beliebtheit.
Trotzdem könnte die Wall Street von den bisherigen Bemühungen der Banken profitieren, falls Argentinien wirklich einen Vergleich erzielt und wieder dazu übergeht, Anleihen zu emittieren. Ganz uneigennützig gehen die Finanziers also nicht vor. Es ginge den Firmen vor allem darum, sich neue Geschäfte zu sichern, meinen Investoren und Banker.
„Eine Menge Banken sind gerade dabei, Argentinien aktiv zu Abmachungen zu überreden", berichtet Tony Volpon, der bei Nomura Securities die Analyse von Schwellenmärkten leitet. „Zehn Jahre lang war Argentinien der beste Kunde der Wall Street. Und viele Leute denken, das könnte vielleicht bald wieder so sein."

Starke Nachfrage von Investmentfonds

Das emsige Werben der Wall-Street-Vertreter unterstreicht, dass sich die Banken aus einem möglichen Geschäft mit Argentinien lukrative Provisionen erhoffen. Denn auch sie haben zu kämpfen. Ihre Einnahmen sind unter Druck geraten. Das langsame Wirtschaftswachstum, verschärfte Branchenregeln und die strenge Kontrolle der Aufsicht setzen den Finanzunternehmen zu.
Argentinien hatte zwischen 1995 und 2001 Anleihen über 56 Milliarden Dollar oder umgerechnet knapp 42 Milliarden Euro begeben. Für die Banken, die die Schuldtitel verkauften, sprangen dabei geschätzt 535 Millionen Euro heraus, hat der Informationsdienst Dealogic errechnet.
Dass die Überredungskünstler der Wall Street reihenweise in Buenos Aires antreten, ist auch der starken Nachfrage seitens Investmentfonds geschuldet, die sich auf leistungsgestörte Schuldtitel konzentrieren. Gleichzeitig wirkt der Vorstoß der Banken der allgemeinen Markteinschätzung entgegen, dass säumige Schuldner für immer zu internationalen Ausgestoßenen mutieren, die nicht rehabilitiert werden können.
Falls ein neuer Anleiheverkauf zustande käme, „werden viele, viele Leute daran Interesse haben. Und je nach Preis werden auch wir dazu gehören"" verkündet Jonathan Kolatch, der Gründer von Redwood Capital RWCB -5,78% Management.

Noch kein Arrangement in greifbarer Nähe

Um der argentinischen Regierung ihre Vorschläge über einen möglichen Bond-Verkauf schmackhaft zu machen, hätten sich in den vergangenen Monaten jeweils Abgesandte der Bank of AmericaBAC -0,19% Goldman Sachs GroupGS -0,49%J.P. Morgan Chase JPM -0,27% & Co und der schweizerischen UBSUBSN.VX -0,42% auf den Weg nach Süden gemacht, berichten mit den Plänen Vertraute.
Im Juni allerdings hatte die argentinische Seite die Gespräche mit den Banken abgebrochen. Zuvor war ein Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten ergangen, das nach Auslegung der Rechtsvertreter des Landes Argentinien in Gefahr bringt, bei den Bonds eine Klausel zu brechen, die allen Anleiheinhabern Gleichbehandlung verspricht, sagen die Insider.
Daraufhin sei mindestens eine der Banken an Elliott herangetreten. Sie habe den federführenden Holdout-Gläubiger gebeten, eine Übereinkunft in Erwägung zu ziehen, bei der Argentinien die Altgläubiger für juristische Kosten entschädigen würde, die auf mittlerweile mehr als 74 Millionen Euro geschätzt werden, heißt es. Mit dieser Geste könnte Argentinien mit einer finanziellen Entschädigung aufwarten, ohne die Klausel zur Gleichbehandlung zu verletzen.
Bis jetzt scheint aber weder ein Verkauf noch irgendein anderes Arrangement in greifbarer Nähe zu sein. Argentinische Regierungsvertreter haben sich bis jetzt standhaft geweigert, die Holdout-Gläubiger zu treffen. Doch die Zeit wird äußerst knapp. Am 30. Juli wird eine 594 Millionen Euro umfassende Anleiherate fällig. Einigen sich beide Seiten bis dahin nicht auf einen Vergleich, wird das Land technisch zahlungsunfähig.

Neue Anleihe könnte Vergleich erleichtern

Seit mehr als zehn Jahren stemmt sich Argentinien nun schon gegen Verhandlungen mit den Altgläubigern. Argentinische Regierungsvertreter beschimpfen die Gegenparteien regelmäßig als „Geierfonds". Sie sperrten sich gegen die Umschuldungen, die mehr als 90 Prozent der anderen Anleiheinhaber bereits akzeptiert hätten, werfen sie den Hedgefonds vor. Zuletzt hatte sich die Regierung darauf versteift, ihr seien wegen der Gleichbehandlungsvorschrift, der so genannten Right-Upon-Future-Offers-Klausel, kurz RUFO, Verhandlungen unmöglich.
Die RUFO-Klausel findet sich in Anleihen über mehr als 40 Milliarden Euro, die Argentinien bei Umschuldungen in den 2000er Jahren begeben hat. Sie sieht vor, dass jede Abmachung, die mit den Holdouts vor dem Ende des Jahres 2014 eingegangen wird, auch den Gläubigern angeboten werden muss, die bei früheren Umschuldungen Verluste erlitten haben.
Investoren und Banker sind der Ansicht, mit Hilfe einer neuer Anleihe könnte ein Vergleich leichter bewerkstelligt werden. Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf die Transaktion über rund 3,7 Milliarden Euro, die Argentinien vor einigen Monaten mit der spanischen Erdölgesellschaft Repsol über die Bühne gebracht hat. Argentinien würde demnach die Anleihe an die Altgläubiger unter der Führung von Elliott emittieren. Diese würden die Papiere dann umgehend über eine Investmentbank an andere Hedgefonds weiterveräußern, sagen die in den Vorschlag Eingeweihten.
Anleiheinhaber wie Elliott könnten gegenüber Argentinien mögliche Ansprüche über fast 11 Milliarden Euro geltend machen. Eine vollständige Rückzahlung sei zwar unwahrscheinlich, meinen Analysten. Aber es sei durchaus möglich, dass das Land in die Lage gerät, mit Hilfe von Bonds doch noch Milliarden einsammeln zu müssen, um die Altgläubiger zu entschädigen.

Argentinien steht bei den Fonds hoch im Kurs

US-Hedgefonds haben sich in den vergangenen Jahren stark bei argentinischen Anleihen engagiert. Sie setzen darauf, dass sich die Wirtschaft erholt und die Anleihen zulegen, nachdem die argentinische Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner bei den Wahlen im kommenden Jahr abgelöst worden ist. Unter diesen Fonds befinden sich Fortress Investment GroupFIG -2,08% Hayman Capital Management, Monarch Alternative Capital, Perry Capital, Redwood Capital, Silver Point Capital und Third Point.
So wie Griechenland im Jahr 2011 und Puerto Rico im Jahr 2013 steht mittlerweile Argentinien bei so genannten Geierfonds hoch im Kurs. Denn das Land ist einer der wenigen Kreditnehmer mit Unmengen von Schultiteln, die zu heftigen Abschlägen gehandelt werden. Die argentinische Referenzanleihe mit Fälligkeit 2033 wurde im Januar bei etwa 65 Cents zum Dollar gehandelt und hat inzwischen auf rund 89 Cents zugelegt, berichtet Tradeweb.
Viele der Hedgefonds, die jetzt in Argentinien investieren, hatten im vergangenen Jahr auch Puerto-Rico-Bonds gekauft und im März einen neuen Anleiheverkauf für die klamme Insel finanziert. Dabei hatte sich Perry Capital mit rund 89 Millionen Euro und Silver Point mit etwa 52 Millionen Euro engagiert.
Kontakt zum Autor: redaktion@wallstreetjournal.de

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