Einigung gescheitertArgentinien steht vor dem Zahlungsausfall
Die Vermittlungsgespräche zwischen Argentinien und seinen Gläubigern in New York sind gescheitert. Der Zahlungsausfall des Landes steht nun unmittelbar bevor.
31.07.2014, von PATRICK WELTER, WASHINGTON
Die Versuche zwischen Argentinien und einer kleinen Gruppe von Gläubigern, noch in letzter Minute eine Einigung im Schuldenstreit zu finden, sind am Mittwochabend in New York gescheitert. Ein Zahlungsausfall (Default) des Landes stehe unmittelbar bevor, erklärte der vom Gericht eingesetzte Vermittler, Daniel Pollack. Es wäre das zweite Mal seit 2002, dass Argentinien seine Schulden nicht bedient.
Oft wird der „Default“ mit den Worten beschrieben, Argentinien ginge „pleite“. Das trifft die Sachlage nur bedingt. Argentinien weigert sich bisher nur, bestimmte Auslandsschulden zu begleichen. Bislang hat das Land nicht schlüssig nachgewiesen, dass es zu der Zahlung nicht in der Lage sei.
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Nachbörslich hatte in New York schon die Kreditbewertungsagentur Standard & Poor’s Argentinien die Auslandsanleihen des Landes auf „teilweisen Zahlungsausfall“ herabgestuft. S&P erklärte, nach ihrer Einschätzung habe Argentinien eine 30-Tages-Frist zur Nachzahlung von Zinsen in Höhe von 539 Millionen Dollar auf umgeschuldete Anleihen verstreichen lassen. Die Zinszahlung erfolgte schon Ende Juni nicht. Die Schonfrist läuft bis Mitternacht New Yorker Zeit (6 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit).
Mit der Nicht-Bedienung der Schuldpapiere können diese und andere Gläubiger von Argentinien sofortige Rückzahlung verlangen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Blomberg handelt sich dabei um bis zu 29 Milliarden Dollar – oder den Betrag der argentinischen Währungsreserven.
Hedgefonds sind „Geier“
Die Gespräche in New York endeten nach sechs Stunden am späten Nachmittag Ortszeit. Der argentinische Wirtschaftsminister Axel Kicillof gab sich danach auf einer Pressekonferenz wenig kompromissbereit. Man werde keiner Lösung zustimmen, die die Zukunft des Landes gefährde, sagte Kicillof. Wiederholt bezeichnete er die Hedgefonds, mit denen seine Regierung im Clinch liegt, als „Geier“.
Offen war in der Nacht zum Donnerstag das Schicksal einer Initiative argentinischer Banken, die nach Medienberichten den Hedgefonds angeblich eine Garantie über 250 Millionen Dollar geben wollten, um den Zahlungsausfall des Landes zu verhindern.
Verzwickte Rechtslage
Argentinien hatte zuletzt 2001 Auslandsschulden von knapp 100 Milliarden Dollar nicht bezahlt und 2005 und 2010 das Gros dieser Verpflichtungen umgeschuldet. Mehr als 90 Prozent der Anleihegläubiger stimmten damals zu und akzeptierten geringere Rückzahlungen. Ein Teil der Gläubiger aber gab nicht nach.
Die Hedgefonds NML Capital, eine Tochtergesellschaft von Elliott Management Corp, und Aurelius Capital Management gehören dazu. Sie hatten die Papiere nach dem Zahlungsausfall 2001 billigst erworben und verlangen eine volle Rückzahlung. Ein Gericht in New York gab ihnen nach jahrelangem Streit 2012 Recht und im Juni wurde das Urteil durch den Obersten Gerichtshof in Washington bestätigt. Argentinien darf nach dem Urteilsspruch des New Yorker Richters die umgeschuldeten Anleihen nur bedienen, wenn es zugleich die Hedgefonds voll mit 1,33 Milliarden Dollar plus Zinsen auszahlt.
Das aber verweigert die Regierung, weil sie fürchtet, dann auch anderen Gläubigern, die die Umschuldung nicht akzeptiert hatten, voll auszahlen zu müssen. Das könnte 15 Milliarden Dollar und etwa die Hälfte der Devisenreserven kosten. Gemäß einer Rechtsklausel müsste Argentinien zudem den Gläubigern, die die Umschuldung akzeptiert hatten, ein Nachbesserungsangebot machen. Das könnte nach Auskunft der Regierung weitere 120 Milliarden Dollar kosten.
Argentinien behauptet dabei, dass es gar keinen Zahlungsausfall gäbe. Denn im Juni hatte das Land termingerecht 539 Millionen Dollar Zinsen an die Bank of New York Mellon überwiesen. Diese aber darf das Geld nach dem Gerichtsbeschluss den Gläubigern nicht auszahlen, bevor Argentinien nicht zugleich die Hedgefonds bedient. Aus dieser verzwickten Rechtslage rührt der erwartete Zahlungsausfall.
IWF erwartet nur begrenzte Verwerfungen
Fachleute erwarten nur begrenzte Verwerfungen durch den absehbaren Zahlungsausfall Argentiniens. Die geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hatte noch am Dienstag erklärt, ein Zahlungsausfall Argentiniens werde die lokalen und internationalen Finanzmärkte wahrscheinlich nicht durchschütteln. „Die vollen Konsequenzen sind nicht absehbar, aber sie sind mit Sicherheit nicht positiv“, sagte der Vermittler Pollack.
Die Kurse argentinischer Anleihen dürften indes deutlich fallen. Am Dienstag und Mittwoch waren sie in Erwartung einer Einigung deutlich gestiegen. Anleihen mit der Fälligkeit 2033 wurden zeitweise zu fast 96 Cents je Dollar gehandelt - so gut wie sei drei Jahren nicht mehr.
Rund 21 Milliarden Dollar sollen im Rahmen von Kreditausfallversicherungen auf argentinische Schulden ausstehen. Bis diese bedient werden können, werden einige Tage vergehen. Der Zahlungsausfall muss dazu erst von einem Gremium des internationalen Swap- und Derivate-Verbands offiziell festgestellt werden.
An den Finanzmärkten dürfte mit dem Default der argentinische Peso abwerten, was die Inflation verschärfen könnte. Sie wird nach manchen Quellen mit bis zu 40 Prozent angegeben. Die offiziellen Zahlen sind geringer, aber nicht verlässlich. So streitet der IWF schon seit Jahren mit Argentinien über aussagekräftige Inflationsdaten. Wirtschaftlich steckt das Land dabei in der Rezession.
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