ZahlungsausfallWie pleite ist Argentinien wirklich?
Argentinien bedient seine Schulden nicht mehr. Aber ist das Land damit tatsächlich pleite? Wir erklären die Folgen für Unternehmen, Touristen - und die Argentinier selbst.
31.07.2014, von BRITTA BEEGER
Die Vermittlungsgespräche zwischen Argentinien und den beiden Hedgefonds NML Capital und Aurelius sind gescheitert, das Land bedient einen Teil seiner Schulden nicht. Es geht dabei nur um zwei Gruppen von Gläubigern: Die Hedgefonds selbst und die Besitzer anderer Anleihen.
Für die Besitzer anderer Anleihen hat das Land schon im Juni 539 Millionen Dollar Zinsen. an die Bank of New York Mellon überwiesen. Diese darf das Geld jedoch nicht auszahlen, solange Argentinien den beiden Hedgefonds NML und Aurelius nicht den vollen Kreditbetrag von 1,33 Milliarden Dollar plus Zinsen auszahlt. So hat es ein New Yorker Richter entschieden und wurde vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten bestätigt. Wegen dieser Zinsen hat die Ratingagentur Standard & Poor's Argentinien auf einen „teilweisen Zahlungsausfall“ herabgestuft.
Tatsächlich betrachtet sich Argentinien selbst gar nicht als pleite. „Zu sagen, dass wir vor einem Zahlungsausfall stehen, ist eine absurde Lüge“, sagte der argentinische Kabinettschef Jorge Capitanich argentinischen Zeitungen zufolge. Tatsächlich hat Argentinien bis jetzt das Geld, die übrigen Gläubiger auszuzahlen.
Argentiniens Schulden-Chronik
23.12.2001: Argentiniens siebte Pleite
Argentinien erklärt sich zahlungsunfähig. Die Staatspleite über 102 Milliarden Dollar ist die bislang größte der zeitgenössischen Geschichte und die siebte in Argentiniens Geschichte seit der Unabhängigkeit. Die vorangegangenen waren in den Jahren 1827, 1890, 1951, 1956, 1982 und 1989.
3.3.2005: Die erste Umschuldung
3.1.2006: Der IWF bekommt sein ganzes Geld
2.9.2008: Argentinien verspricht den Staaten Geld
November 2012: Argentinien muss an Hedgefonds zahlen
29.5.2014: Die Staaten bekommen ihr Geld - bald
16.6.2014: Argentinien verliert die Berufung gegen die Hedgefonds
30.6.2014: Argentinien versucht, an die anderen Gläubiger zu zahlen
29./30.7.2014: Verhandlungen scheitern
Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg hat das Land Devisenreserven in Höhe von 29 Milliarden Dollar. Damit könnte es selbst die Forderungen der Hedgefonds leicht bedienen. Doch wenn für diesen Fall fürchtet die Regierung weitere Klagen. So gibt es eine Klausel (RUFO-Klausel, „Rights Upon Future Offers“), nach der auch Gläubiger, die der Umschuldung schon zugestimmt haben, noch einmal mehr Geld verlangen können. Die hat nannte einmal die Summe von 120 Milliarden Dollar genannt, Rechtsexperten kalkulieren sogar bis zu 500 Milliarden Dollar – das entspräche fast dem gesamten Bruttoinlandsprodukt des Landes.
In einer Stellungnahme schreibt Standard & Poors auch, wenn Argentinien doch noch zahle, könne es seine Bewertung des Landes durchaus revidieren. Tatsächlich halten Marktbeobachter es für gar nicht so unwahrscheinlich, dass Argentinien sogar die Schulden bei den beiden Hedgefonds doch noch bezahlt, denn die RUFO-Klausel läuft zum Jahresende aus. Dann müsste das Land keine weiteren Forderungen von anderen Gläubigern mehr fürchten.
Was bedeutet der Zahlungsausfall bis dahin für ausländische Unternehmen und Touristen? Werden sie die Staatspleite zu spüren bekommen?
„Der Zahlungsausfall Argentiniens ist schon lange befürchtet worden und trifft die Unternehmen nicht überraschend“, sagt Michael Bräuninger, Forschungsdirektor am Hamburger Weltwirtschaftsinstitut. Auch an der Landeswährung Peso zeigt sich, dass viele das Risiko eines argentinischen Zahlungsausfalls schon eingepreist haben. Schon seit Jahren verliert die Währung an Wert. Während man im Februar für einen Dollar noch 7,76 Pesos bekam, sind es jetzt schon 8,19 Pesos.
Für die Argentinier kann das zum Problem werden. Ein schwächerer Peso bedeutet, dass die Waren aus dem Ausland teurer werden. Experten rechnen damit, dass die Inflation kräftig anzieht. Wirtschaftsforscher Bräuninger sagt zudem, viele Unternehmen hätten ihren Handel mit Argentinien schon lange stark eingeschränkt und würden Geschäfte ohnehin seit längerem nur noch gegen Vorauskasse abschließen.
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Für die übrigen Unternehmen wird der Handel mit Argentinien auch nicht leichter, weil ihre Produkte für die Argentinier weniger erschwinglich sind. „Die negativen Effekte sind aber eigentlich schon längst eingetreten“, sagt Bräuninger. Direkte Folgen hat der Zahlungsausfall für die Unternehmen nicht, selbst wenn sie Tochtergesellschaften in Argentinien haben. Denkbar ist aber, dass das Land weitere Steuern und Abgaben erhöht, wenn es weniger Kredit aus dem Ausland bekommt - und diese Steuern müssten dann auch ausländische Unternehmen mit Tochtergesellschaften in Argentinien zahlen.
Touristen könnten hingegen sogar profitieren, wenn der Peso weiter abwertet. Denn dann wird der Urlaub in Argentinien günstiger: Hotels, Essen, das Glas Wein am Abend – all das kostet dann dank des günstigeren Wechselkurses weniger. Selbst der Rücktausch der Pesos in Dollar oder Euro am Ende des Urlaubs ist gesichert - so lange das Land über Devisenreserven verfügt. Und die sind durch die Zahlungsverweigerung eher sicherer geworden.
Ein ruinöser Spekulant, ein unbeugsamer Richter und eine angriffslustige Staatspräsidentin - das sind die Hauptakteure in dem ebenso spannenden wie komplizierten Drama um Argentiniens Schulden.© AFPBilderstrecke
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