Hochspannung im Schuldenkrimi
Der Default Argentiniens als Geschäftsmodell
Argentiniens Schuldenverhandlungen sind ein gutes Geschäft für Anwälte, Berater und Banken. Viele kämpfen mit harten Bandagen um lukrative Aufträge. Die Hausse der argentinischen Börse nimmt viel vorweg.
Daniel Pollack ist meistens gut gelaunt, wenn er vor die Presse tritt. Dabei konnte der renommierte Anwalt mit Harvard-Abschluss von der Kanzlei McCarter & English in den letzten vier Wochen nicht viel mehr verkünden, als dass es keinen Fortschritt bei den Verhandlungen zwischen Argentinien und den klagenden Hedge-Funds gebe. Die entspannte Haltung Pollacks könnte an seiner Bezahlung liegen: Er bekommt 200 000 $ Honorar für seine Vermittlertätigkeit.
Viele Finger mit im Spiel
Wie Pollack profitiert inzwischen ein ganzes Heer von Anwälten, Bankern und Beratern vom Duell zwischen den Hedge-Funds und Argentinien. Dabei kämpfen die Konkurrenten mit harten Bandagen: So wirft der Analytiker Joshua Rosner von der Investmentfirma Graham Fisher in New York den Anwälten der Kanzlei Cleary Gottlieb Steen & Hamilton vor, «aus eigennützigen Interessen» Argentinien in den Default zu treiben. Die Kanzlei vertritt Argentinien seit längerem bei den Schuldenverhandlungen vor dem New Yorker Gericht.
Ihre Anwälte fielen in den letzten Wochen durch ihre aggressiven Auftritte vor Gericht auf – was nicht dazu beitrug, den Richter im rechtlichen Disput zwischen Argentinien und den Hedge-Funds milde zu stimmen. Der Grund für die hartnäckige Position der Rechtsvertreter, so die Spekulation: Eine baldige Einigung würde für die Rechtsanwaltskanzlei auch ein Ende ihrer hohen Einnahmen bedeuten, beobachtet Rosner. Der renommierte Investmentbanker sieht in den zu erwartenden hohen Anwaltsgebühren auch das Motiv dafür, dass Cleary Gottlieb Argentinien einen klaren Rechtsbruch gegenüber den Urteilen des Gerichts empfiehlt.
Buhlen um Bondemissionen
Aber auch Investmentbanken hoffen, bei dem Streit etwas abzubekommen. So ist aus Finanzkreisen zu hören, dass in den letzten Wochen immer wieder Banken bei den Parteien vorsprachen, um an einem Kompromiss beteiligt zu sein – und natürlich daran verdienen zu können. Denn die Banken würden sich gerne als Treuhänder anbieten. Als Mittler würden sie verhindern, dass Argentinien und die Hedge-Funds direkt miteinander verhandeln – was ja rechtlich schwierig ist für Argentinien, das eine Klagewelle der bei den Umschuldungen zuvor bedachten Obligationäre zu vermeiden sucht. Die Banken könnten als Treuhänder schöne Gebühren einstreichen.
In Brasilien heisst es, dass Bank of America, Goldman Sachs, JP Morgan und die UBS mit Angeboten für Bondemissionen an Argentinien herangetreten seien. Inzwischen sind auch argentinische Banken unter Führung des der Regierung nahestehenden Banco Marko in New York bei der Schlussrunde der Verhandlungen aufgetreten. Sie wollen den Fonds 250 Mrd. $ als Garantie anbieten, damit diese den Richter ebenfalls dazu auffordern, Argentinien eine verlängerte Frist von 90 Tagen einzuräumen. Die argentinischen Banken wollen unbedingt vermeiden, dass das südamerikanische Land durch einen Zahlungsausfall vollends von ausländischen Finanzmärkten isoliert wird.
Auch viele ausländische Banken suchen schon seit längerem die Nähe zur argentinischen Regierung. Das Land sei zehn Jahre lang einer der besten Kunden der Wall Street gewesen, sagt Tony Volpon, Chefökonom von Nomura in São Paulo. Viele würden glauben, dass Argentinien das wieder werden könne. Denn das Land braucht dringend ausländische Kredite. Sollte die Schuldensituation Anfang 2015 gelöst sein – wofür die Chancen gut stehen –, würden das Land und seine Unternehmen sofort Kredite in grossen Mengen benötigen und sie auch bekommen. Denn die Unternehmen sind kaum verschuldet.
Auch der Staat ist mit einer Verschuldungsquote von 40% des Bruttoinlandprodukts (BIP) kaum belastet. Das Haushaltsdefizit ist mit rund 3% des BIP gering. Ausserdem stehen ausländische Investoren bereit, die nur zu gerne in Argentiniens Landwirtschaft, in Bergbau und Energie oder die Lebensmittelproduktion investieren würden.
Hausse in Buenos Aires
Morgan Stanley rechnet damit, dass gegen 20 Mrd. $ an die Börse von Buenos Aires fliessen würden, sollte das Land wieder als «normaler» Emerging Market angesehen werden. Das könnte die Kurse durchaus stark in die Höhe treiben. Diese guten Aussichten an den Aktienmärkten, sollte es zu einer Einigung kommen, haben aber die Kurse an der Börse trotz dem drohenden Default bereits auf einen Rekordstand katapultiert. Satte 147% hat der Merval in zwölf Monaten zugelegt. Sorgen müssten sich derzeit eigentlich nur Anwalt Pollack und seine Berufskollegen machen. Auf Anweisung des Richters muss Argentinien deren Anwaltshonorare bezahlen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen