Drohende StaatspleiteWas Sie über Argentiniens Schuldenstreit wissen müssen
Argentinien droht schon wieder die Staatspleite. An diesem Mittwoch läuft eine wichtige Frist aus, innerhalb derer sich das Land mit amerikanischen Hedgefonds einigen kann. Was geschieht, wenn das nicht klappt?
30.07.2014Wieso gibt es den Streit?
Argentinien ging im Jahr 2001 pleite. In den folgenden Jahren einigte sich das Land in zwei Schritten mit seinen Gläubigern auf einen großen Schuldenschnitt. Mehr als 90 Prozent stimmten dem (gezwungenermaßen) zu und bekamen neue Anleihen. Die Hedgefonds NML und Aurelius witterten eine Anlagechance: Sie kauften nach der Pleite notleidende argentinische Schuldtitel zu einem geringen Preis. Dann forderten sie: Argentinien soll den vollen Kreditbetrag an sie zurückzahlen, das wären rund 1,3 Milliarden Dollar, plus Zinsen. Ein Richter in New York hat ihnen Recht gegeben, der Oberste Gerichtshof in den Vereinigten Staaten ihn bestätigt. Argentinien akzeptiert das Urteil nicht.
Warum zahlt Argentinien nicht einfach?
Argentinien fürchtet weitere Klagen, wenn es gegenüber den beiden Hedgefonds einknickt. Erstens könnten weitere Altgläubiger Geld verlangen, die nicht vor Gericht gegangen sind. Dabei geht es wohl um 15 Milliarden Dollar - ungefähr die Hälfte der argentinischen Devisenreserven. Außerdem könnten auch Gläubiger, die der Umschuldung schon zugestimmt haben, noch einmal mehr Geld verlangen. Die Regierung nannte einmal die Summe von 120 Milliarden Dollar, Rechtsexperten kalkulieren sogar bis zu 500 Milliarden Dollar - das entspräche fast dem gesamten Bruttoinlandsprodukt des Landes. Möglich sind diese Nachforderungen wegen eines speziellen Passus in den Anleiheverträgen, demzufolge Argentinien nicht einzelne Gläubiger besserstellen darf, ohne diese besseren Bedingungen allen anderen rückwirkend auch anzubieten.
Droht Argentinien wirklich die Pleite?
Wahrscheinlich ja. Allerdings ist die Sache nicht ganz einfach. Es stimmt: An diesem Mittwoch läuft eine letzte, vom 84 Jahre alten New Yorker Richter Thomas Griesa gesetzte Frist aus. Argentinien selbst bestreitet aber, zahlungsunfähig zu sein, wenn es sich nicht mit den Hedgefonds einigt. Fakt ist, dass das Land vor einem Monat schon knapp 540 Millionen Dollar Zinsen auf seine in den Jahren 2005 und 2010 umgeschuldeten Staatsanleihen überwiesen hat. Dieses Geld ist bloß noch nicht bei den Gläubigern angekommen, sondern liegt auf dem entsprechenden Konto der Bank of New York Mellon. Das wiederum liegt daran, dass der Richter die Zahlungen eingefroren hat - die amerikanische Bank ist an das Urteil gebunden. Argentiniens Staatspräsidentin argumentiert hingegen, dass ihr Land gezahlt hat (das Geld ist ja wirklich auf das Konto der Bank geflossen). Und um die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft zu untermauern, überwies die Regierung in Buenos Aires erst am Montag dieser Woche 650 Millionen Dollar an die Gläubigerländer des Pariser Clubs.
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Gibt es noch Chancen auf eine Einigung?
Schwer zu sagen. Beide Seiten sollen sich wenigen Stunden bevor die Frist ausläuft, zum ersten Mal getroffen und miteinander gesprochen haben. „Wir arbeiten daran“ (an einer Einigung), wird der argentinische Wirtschaftsminister Axel Kicillof zitiert. Das Wall Street Journal berichtet außerdem, dass möglicherweise ein Zusammenschluss argentinischer Banken für den Staat einspringen und den Hedgefonds die Forderungen zum gewünschten Preis abkaufen könnte - wodurch sie zu Gläubigern „ihres“ Landes würden. Einem weiteren Bericht zufolge sind die Banken bereit, den Hedgefonds im Rahmen einer Einigung 250 Millionen Dollar zu garantieren.
Und was passiert, wenn Argentinien doch noch pleitegeht?
Auch das ist schwer abzuschätzen. Einige Beobachter verweisen darauf, dass das Land ohnehin keinen echten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten hat - es könnte ihn also auch nicht verlieren. Wahrscheinlich ist aber, dass sich die Wirtschaftsflaute, in der das Land steckt, verschärft und die Währung Peso weiter unter Druck gerät. Die schon auf 40 Prozent gestiegene Inflation dürfte weiter steigen. Statt um 1,5 Prozent würde das BIP 2014 um 3,5 Prozent sinken und 2015 weiter fallen, kalkuliert das Beratungsunternehmen Abeceb.
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