Neue Handelswege nach EuropaÜberweist Peking bald Milliarden an Griechenland?
China greift laut einem Bericht in seinen Schatz an Währungsreserven und will mit 62 Milliarden Dollar chinesischen Konzernen Handelswege aus dem Reich der Mitte in die Welt bauen. Auch Griechenland könnte einen Teil abbekommen.
21.04.2015, von HENDRIK ANKENBRAND, SCHANGHAI
Vergangenes Wochenende hatten Zeitungsmeldungen aus Griechenland für Aufsehen gesorgt: Das hochverschuldete Land könnte bald eine Überweisung über 10 Milliarden Euro aus China erhalten, schrieben die Wochenzeitungen „Agora“ und Karfi“ unter Berufung auf Athener Regierungskreise. Peking könnte diese Summe als eine Art Vorauszahlung leisten, um den Hafen von Piräus zu nutzen und um als Teilhaber in die griechische Eisenbahn einzusteigen, berichteten die Zeitungen. Kann sich Athen also Hoffnungen machen, anstatt seine Schulden zu bedienen und das Land zu reformieren, sich als Alternative von den zahlungskräftigen Chinesen aushalten zu lassen?
Bis zum heutigen Dienstag gibt es auf die griechischen Zeitungsmeldungen in China keinerlei Reaktion, weder vonseiten der Regierung noch in der chinesischen Staatspresse. In geopolitischer Hinsicht ist es für die überwiegende Mehrheit der politischen Beobachter in China nur schwer vorstellbar, dass die Volksrepublik direkt Milliardenbeträge an Euro an Griechenland überweist und damit faktisch Europa finanziert.
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„Es ist sehr unwahrscheinlich, dass China einen Bailout für Griechenland finanzieren würde“, sagt der Griechenland-Experte Yu Nanping vom Europa-Zentrum der East China Normal Universität im Gespräch mit der F.A.Z. „Die griechische Schuldenkrise ist eine interne Angelegenheit der EU. China wird sich in diese nicht direkt einmischen.“ Allerdings pflege das Land traditionell zu den Griechen eine enge Freundschaft. „Es ist möglich, dass China Griechenland über Investitionen helfen wird. Das ist in Einklang mit der Expansionsstrategie der chinesischen Regierung.“
Chinas Regierung ist Scheckbuchpolitik nicht fremd: mit milliardenschweren Investitionen möchte sich Peking etwa in Lateinamerika Einfluss erkaufen. In der Nacht zum Montag sagte der Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, im Staatsfernsehen, China werde dem krisengebeutelten Land 5 Milliarden Dollar für Entwicklungsprojekte überweisen. Bisher flossen aus Peking insgesamt 46 Milliarden Dollar nach Venezuela, das die Schulden mit Öllieferungen begleicht. Und in Pakistan will Peking 45 Milliarden Dollar in Infrastruktur investieren.
Mehr Einfluss in Europa
An größerem Einfluss in Griechenland ist Peking ebenfalls interessiert: das Land soll als „Tor“ für den Handelsweg vom Reich der Mitte nach Europa dienen. Am heutigen Dienstag schreibt die Staatszeitung „China Daily“ in einem allgemein gehaltenen Stück über die verstärkte Zusammenarbeit zwischen China und Europa, Griechenland besitze „alle geopolitischen Vorteile“, die auch die Hafenstadt Hongkong aufweise: „Warum also nicht Athen mit Hongkong zusammenbringen?“
Am Montag lud Griechenlands Regierung chinesische Firmen ein, sich um die Förderung von Öl- und Gasfeldern zu bewerben. Im Hafen in Piräus hat die chinesische Staatsrederei Cosco zwei Piers gepachtet und will auch die restlichen zwei Drittel des Hafens kaufen, das Personen- und Autoterminal.
Interesse an einem langfristig stabilen Europa
Nachdem die neue griechische Syriza-Regierung gleich nach Amtsantritt einen weiteren Verkauf von Piräus gestoppt hatte, rief im Februar Chinas Ministerpräsident Li Keqiang seinen griechischen Kollegen Alexis Tsipras dazu auf, das Hafenprojekt zu unterstützen. Im März hat Griechenlands Außenminister Peking besucht und in einem Rückzieher von der vorherigen politischen Position die Chinesen eingeladen, um den Rest des Hafens in Piräus mitzubieten.
Vergangenen Mittwoch wurde bekannt, dass China daraufhin als Dank für 100 Millionen Euro griechische T-Bills mit kurzfristiger Laufzeit gekauft hat. Der griechische stellvertretende Ministerpräsident Giannis Dragasakis versprach nach einem Peking-Besuch Ende März, China wolle noch mehr Staatsanleihen kaufen. Auch zu dieser Behauptung gibt es aus Peking keine Aussage. Eigentlich halten die Chinesen es eigentlich für gefährlich, sollten Eurostaaten wie Griechenland ihre Sparbemühungen aufgeben. Peking ist an einem langfristig wirtschaftlich soliden und stabilen Europa interessiert, dass Amerika als Gegenspieler dienen kann.
Die neue Seidenstraße
Nun lässt jedoch eine Zeitungsmeldung aus Peking aufhorchen. Das für gewöhnlich sehr gut informierte Wirtschaftsmagazin „Caixin“ schrieb am Montagabend auf seiner Internetseite, die chinesische Regierung wolle zwei seiner Staatsbanken insgesamt 62 Milliarden Dollar aus Chinas Währungsreserven zur Verfügung stellen, mit denen in China selbst, aber auch im Ausland die Infrastruktur für neue Handelswege gebaut werden sollen. In seiner „One Belt, one Road“ getauften Strategie will Peking durch massive Investitionen in Infrastruktur einerseits seinen staatlichen Baukonzernen neue Aufträge verschaffen, weil diese in China selbst unter den Überkapazitäten auf dem Immobilienmarkt leiden. Andererseits soll das Geld eine Art neue „Seidenstraße“ schaffen, mit der den chinesischen Unternehmen vor allem in Europa neue Absatzmärkte erschlossen werden sollen.
Die Meldung aus China erwähnt Griechenland mit keinem Wort. Es ist unklar, ob ein Teil der genannten Milliardensumme auch an Athen überwiesen werden soll. Das Magazin zitiert allerdings einen ranghohen Banker der China Development Bank (CDB), die die eine Hälfte des Geldes erhalten soll, die Milliarden in ausländischer Währung sollten explizit für die Realisierung der „One Belt, One Road“-Strategie dienen. Die andere Hälfte der kolportierten Summe über 62 Milliarden Dollar soll an die Export-Import Bank gehen, deren Geschäftsziel ebenfalls die Finanzierung von Infrastruktur im In- und Ausland ist. Insgesamt verfügte China laut offiziellen Angaben bei Stand Ende März über Währungsreserven in Höhe von 3,7 Billionen Dollar.
Wenn aber in China über das „One Belt, One Road“-Vorhaben gesprochen wird, das Präsident Xi Jinping im September 2013 zum ersten Mal vorgestellt hat, steht Griechenland meist im Zentrum der Strategie. Das Land solle Chinas wichtigstes Einfallstor für den europäischen Markt werden und zum Brückenkopf zwischen China, Europa und dem Nahen Osten, sagte Wang Yiwei von der Remin University Ende März in Mailand bei einer Konferenz. Damit solle ein größerer Eurasischer Markt geschaffen werden – was vor allem der chinesischen Industrie dienen soll, ihre Überkapazitäten zu exportieren.
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