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Mittwoch, 22. April 2015

Noch nie stand Griechenland so nah am Abgrund. Hinter den Kulissen wird ein Euro-Austritt Athens längst durchgerechnet. Doch dieser „Grexit“ hätte für das Land verheerende Folgen – und würde auch Europa schwer treffen.

GRIECHENLAND-KRISE
Nach dem „Grexit“ würde das Chaos regieren

Noch nie stand Griechenland so nah am Abgrund. Hinter den Kulissen wird ein Euro-Austritt Athens längst durchgerechnet. Doch dieser „Grexit“ hätte für das Land verheerende Folgen – und würde auch Europa schwer treffen.
Das Zwischenfazit im monatelangem Reformstreit Griechenlands mit der Euro-Zone ist ernüchternd: Noch nie stand das Land so nahe am Bankrott. Zwar beteuern die Krisenmanager in Brüssel, Berlin, Frankfurt und Athen beständig, dass sie eine Staatspleite und einen „Grexit“ aus der Euro-Zone verhindern wollen.
Doch hinter den Kulissen laufen längst Überlegungen, wie sich der Ernstfall einigermaßen managen ließe. Für die Griechen hätte ein „Default“ verheerende Folgen, für die Euro-Zone insgesamt wären die kurzfristigen Auswirkungen wohl begrenzt. Auf lange Sicht droht aber auch ihr ein enormer politischer und ökonomischer Schaden.
Dass ein Ereignis fatale Konsequenzen hätte, bedeutet nicht, dass es deshalb nicht eintreten wird. Bereits im März räumte EZB-Präsident Mario Draghi vor einem Ausschuss des EU-Parlaments ein, dass die Risikoanalysten der Europäischen Zentralbank die verschiedensten Szenarien durchspielten. Nicht anders ist es bei den Fachleuten im Bundesfinanzministerium. Man will vorbereitet sein für den Ernstfall, dass den Griechen tatsächlich das Geld ausgeht und sie ihre Staatsschulden nicht mehr bedienen können.
Wie konnte es dazu kommen? Beobachtern kommt die griechische Tragödie mitunter eher wie eine absurde Komödie vor: So sagte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras am Donnerstag zu Reuters, er erwarte eine Lösung des Schuldenstreits bis Ende April. Es habe bemerkenswerte Fortschritte gegeben. Rund 24 Stunden zuvor war aus Finanzminister Wolfgang Schäuble bei einer Rede in New York herausgeplatzt: „Niemand hat eine Idee, wie wir uns über ein ambitionierteres Programm einigen sollten.“ Niemand erwarte eine Einigung beim Euro-Finanzministertreffen nächste Woche in Riga. Viel weiter kann man kaum auseinander liegen.
Grund dafür ist nicht allein der politische Poker um die künftigen Reformauflagen für weitere Milliardenhilfen. Nach den zahllosen Gesprächsrunden beklagen etliche Verhandlungspartner der Griechen, die neue Regierung in Athen agiere dilettantisch. So sei nicht klar, wer dort überhaupt etwas zu entscheiden habe. Ein Koalitionsvertreter in Berlin sagt, selbst wer den Griechen sehr wohl gesonnen sei, habe aus diesem Grund zunehmend Schwierigkeiten, seine weitere Unterstützung zu rechtfertigen.
Ratlosigkeit macht sich breit. Bestes Beispiel dafür ist EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Wie kein anderer hat er Athen Kompromissbereitschaft signalisiert und sich als „ehrlicher Makler“ versucht. Mittlerweile scheint aber auch der erfahrene Verhandler aus Luxemburg mit seinem Latein am Ende zu sein. In der EU-Kommission machte Juncker am Mittwoch laut einem EU-Diplomaten deutlich, dass seine Geduld sehr strapaziert sei, weil es wieder tagelang keine Fortschritte gegeben habe. Juncker steht mit seinem Frust nicht alleine. Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis nannte die Verhandlungen „sehr kompliziert“, während zugleich die Zeit ablaufe. IWF-Chefin Christine Lagarde appellierte erneut, das Tempo der Verhandlungen anzuziehen. Ihr Ratschlag an die Griechen lautet: „Kommt mit der Arbeit voran.“

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