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US-Präsident Trump hat das Atomabkommen als eine "Schmach" bezeichnet.
US-Präsident Trump hat das Atomabkommen als eine "Schmach" bezeichnet.(Foto: REUTERS)
Dienstag, 08. Mai 2018

Fragen und AntwortenWas passiert, wenn Trump den Iran-Deal killt?

Von Issio Ehrich
Um 20 Uhr erfährt die Welt, wie sich Donald Trump entschieden hat: Der US-Präsident verkündet, ob er aus dem Atomabkommen mit dem Iran aussteigt. Im Nahen Osten droht ein neuer Krieg. n-tv.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Ist ein Ausstieg der USA aus dem Iran-Deal wahrscheinlich?
Ja. US-Präsident Donald Trump hat den sogenannten Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) als "Schmach" bezeichnet, als den "miesesten Deal". Er forderte immer wieder, aus dem Abkommen auszusteigen, auf das sich sein Vorgänger Barack Obama mit dem Iran, Großbritannien, Frankreich, China, Russland, Deutschland und der EU 2015 geeinigt hatte. Nun spricht alles dafür, dass Trump heute Abend Schritte einleitet, die das Ende des Deals bedeuten könnten.
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Worum geht es bei diesen Schritten genau?
Der Iran hatte seinen Vertragspartnern zugesichert, sein Atomprogramm massiv einzuschränken und umfangreiche Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu ermöglichen. Dies würde, so der Plan, den Bau einer iranischen Atombombe begraben. Die USA versprachen im Gegenzug, eine Reihe an Wirtschaftssanktionen auszusetzen, die den Iran schwer belastet haben. Um genau diese Sanktionen geht es nun.
Trump wird das Moratorium der Strafmaßnahmen aller Voraussicht nach nicht weiter verlängern. Das entspricht einem Bruch des Abkommens. Zwar können die anderen Vertragspartner daran festhalten, nur wird der Deal aus iranischer Sicht ohne die USA kaum noch von Nutzen sein. Unternehmen, die gleichzeitig in Amerika und Iran tätig sein möchten, würden Gefahr laufen, gegen die US-Sanktionen zu verstoßen. Ein großes Risiko für die Konzerne, für die meisten dürfte es zu groß sein. Schon jetzt genehmigen Banken kaum Kredite für Geschäfte mit Teheran.
Was stört Trump an dem Abkommen?
Abgesehen davon, dass es als Triumph seines Vorgängers Obama gilt, geht ihm das Abkommen nicht weit genug. Trump sieht im Iran einen Feind Amerikas, er erkennt in dem Land eine Gefahr für die nationalen Sicherheitsinteressen der USA. Trump kritisiert vor allem, dass Teheran in Syrien mit dem Regime von Baschar al-Assad paktiert und im Bürgerkrieg in Jemen mitmischt. Alles Punkte, die im Abkommen nicht geregelt sind. Genauso wie das ambitionierte Raketenprogramm des Irans.
Bezogen auf die nukleare Abrüstung des Landes erhebt Trump den Vorwurf, dass die Inspektoren der IAEA nicht genug Befugnisse hätten, um das Atomprogramm des Iran wirklich zu überwachen.
Besonders treibt Trump zudem die Sorge um, dass der Iran trotz des Abkommens allzu schnell die Bombe bauen könnte, weil die Einschränkung des Nuklearprogramms in vielen Punkten gemäß des Deals nur befristet ist.
Stimmt die Kritik des US-Präsidenten?
Unter Druck: Scheitert der Iran-Deal muss sich Präsident Rohani Sorgen machen, dass die Hardliner den Ton angeben. Im Hintergrund der religiöse Führer Ali Chamenei.
Unter Druck: Scheitert der Iran-Deal muss sich Präsident Rohani Sorgen machen, dass die Hardliner den Ton angeben. Im Hintergrund der religiöse Führer Ali Chamenei.(Foto: AP)
Jain. Zwar darf Iran sein Atomprogramm nach Ablauf verschiedener Fristen tatsächlich wieder hochfahren, allerdings hat sich das Land grundsätzlich zur ausschließlich friedlichen Nutzung der Atomenergie verpflichtet. Darauf pochen zumindest die Europäer, die unbedingt an dem Deal festhalten möchten. Fragwürdig ist auch Trumps Behauptung, die IAEA könne nicht ausreichend kontrollieren. Die Organisation berichtet regelmäßig über ihre Fortschritte. Die Präsenz von Inspektoren im Land ist demnach doppelt so hoch wie vor dem Abkommen. Die Zahl der installierten Überwachungskameras hat sich ebenfalls beinahe verzweifacht. Gemäß dem Abkommen hat Teheran die Anzahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung von 19.000 auf 6000 verringert und den Bestand von angereichertem Uran von 12.000 auf 300 Kilogramm reduziert. Der Iran reichert radioaktives Material auch nur noch auf höchstens 3,67 Prozent an. Für den Bau einer Bombe wären 90 Prozent nötig. Bei kleineren Verstößen reagierte Teheran zudem prompt auf Ermahnungen der IAEA.
Unstrittig ist unterdessen: Der Atomdeal konzentriert sich maßgeblich auf die Nuklearfrage. Die umstrittene Rolle des Irans im Nahen Osten klammert er aus.
Welche Folgen hätte ein Bruch des Deals?
Die Zukunft des iranischen Präsidenten Hassan Rohani ist eng mit dem Deal verknüpft. Der Reformer konnte auch dank des Abkommens bei Wahlen immer wieder gegen die Hardliner im Land triumphieren. Die Falken warten nur darauf, ihn scheitern zu sehen. Schlimmstenfall würden sie nach dem Bruch des Deals den Ton angeben, die Inspekteure der IAEA aus dem Land werfen lassen und den Bau der Bombe vorantreiben.
Der grüne Außenpolitiker Omid Nouripour spricht bereits von einem "größeren Fehler als Bushs Entscheidung für den Irak-Krieg 2003". Saudi-Arabien, der Erzfeind Teherans, kündigte im März an, ebenfalls die Bombe zu bauen, wenn Iran sein Programm wieder aufnimmt. Im Nahen Osten droht ein neues Wettrüsten. Und es droht Krieg. Wenn Teheran wieder voll in ein militärisches Atomprogramm einsteigt, sieht sich Israel zum Einschreiten gezwungen. Und schon jetzt prallen die beiden Regionalmächte unter anderem in Syrien schon militärisch aufeinander.
Warum ist die Entscheidung auch für Deutschland bedeutsam?
Ein Scheitern des Deals dürfte für noch mehr Unruhe im Nahen Osten sorgen. Spätestens seit der Flüchtlingskrise 2015 besteht in der Bundesrepublik das Bewusstsein dafür, dass die Krisen auf dieser Welt nicht mehr an Landesgrenzen aufhören. 2015 flüchteten Hunderttausende Syrer nach Deutschland.
Auch diplomatisch wäre ein Bruch des Abkommens, an dem Berlin mitgewirkt hat, verheerend. Es geht um Verlässlichkeit.
Zugleich setzt auch die deutsche Wirtschaft große Hoffnungen in den Deal. Die Industrie- und Handelskammer rechnete bei Abschluss mit einem Anstieg des Handelsvolumens von 2,4 auf bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr 2020. Ganz so schnell geht es einem Bericht der dpa zufolge zwar nicht voran, doch der deutsch-iranische Handel legte seit 2016 immerhin um 42 Prozent, auf 3,4 Milliarden Euro, zu. Und das obwohl die iranische Wirtschaft auch wegen des Unsicherheitsfaktors Trump schwächelt.
Gibt es Raum für Kompromisse?
Kaum: Teheran versicherte wiederholt, dass der Iran nicht bereit wäre, den Vertrag zu ändern. Für Verhandlungen mit Trump fehlt die Verhandlungsbasis. Irans Präsident Rohani deutete zuletzt an, dass sein Land zum Abkommen stehen würde, selbst wenn die USA aussteigen. Ob er Wort halten kann, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob Europa den Ausstieg Amerikas kompensieren und die wirtschaftlichen Folgen für den Iran ausreichend dämpfen kann. Gelingt das nicht, lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass sich am Ende nicht nur in Amerika, sondern auch im Iran die Falken durchsetzen.
Quelle: n-tv.de