FinanznotZypern ertrinkt in Schulden
30.11.2012 · Der Finanzbedarf der Republik Zypern ist in kürzester Zeit stark gewachsen. Die Bilanzsumme aller Banken ist achtmal so hoch wie die jährliche Wirtschaftsleistung des Inselstaats.
Von MARKUS FRÜHAUF
Zuversichtlich ist die Regierung Zyperns nicht mehr, wenn es um das Rettungspaket geht. Finanzminister Vassos Shiarly erwartet inzwischen schwierige Verhandlungen mit der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Zuversicht ist gewichen, nachdem in kürzester Zeit der Finanzbedarf der stark mit der griechischen Wirtschaft verknüpften Republik Zypern von 10 auf 17,5 Milliarden Euro wuchs. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP), also die jährliche Wirtschaftsleistung der 778.700 Einwohner beträgt 18 Milliarden Euro.
Die Finanznot Zyperns hat ihre Ursache in der Schuldenkrise Griechenlands, aber auch in dem überdimensionierten Bankensystem. Die Bilanzsumme aller Banken belief sich nach Angaben der Ratingagentur Fitch Ende Juni auf 141 Milliarden Euro. Das ist fast achtmal so hoch wie das BIP. Die drei größten Banken - die Bank of Cyprus, die Cyprus Popular Bank (ehemals Marfin) und die Hellenic Bank - haben an griechische Haushalte und Unternehmen 19,6 Milliarden Euro verliehen. Der Schuldenschnitt des griechischen Staates hat zu Abschreibungen von 4 Milliarden Euro im zyprischen Bankensystem geführt.
Der Kapitalbedarf der Banken liegt bei 10 Milliarden Euro
Doch auch im Heimatmarkt nehmen die Probleme zu, nachdem die Preise am Immobilienmarkt rapide fallen und die Rezession die Arbeitslosenzahlen steigen lässt. Hinzu kommen die Spar- und Reformmaßnahmen, die Zypern für das Rettungspaket durchsetzen muss. Auch diese dürften nach einem von der Ratingagentur Moody’s am Freitag vorgelegten Bericht das Bankensystem Zyperns belasten. Mit 140 Prozent des BIP ist die Verschuldung der privaten Haushalte im internationalen Vergleich sehr hoch (siehe Grafik). Fallende Immobilienpreise und höhere Arbeitslosigkeit lassen die Kreditausfälle steigen. Moody’s erwartet einen Kapitalbedarf der drei größten Banken von 8 Milliarden Euro, wenn die Kapitalausstattung das Niveau erreichen sollte, das die Troika Griechenland, Irland und Portugal vorgegeben hat.
Der Gouverneur der zyprischen Zentralbank, Panicos Demetriades, bezifferte den Kapitalbedarf der Banken am Freitag auf 10 Milliarden Euro. Er behielt sich aber vor, den tatsächlichen Bedarf nicht mit Sicherheit voraussagen zu können. Schon im Sommer erhielt die zweitgrößte Bank des Landes, die Cyprus Popular Bank, eine Staatshilfe von 1,8 Milliarden Euro, um die Abschreibungen auf griechische Wertpapiere auffangen zu können. Im ersten Halbjahr haben die drei größten Banken laut Moody’s einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro ausgewiesen. Im Geschäftsjahr 2011 beliefen sich deren Fehlbeträge auf zusammen 5,1 Milliarden Euro. Die Stützungsmaßnahmen ließen die Staatsverschuldung von 71 Prozent des BIP Ende 2011 auf fast 120 Prozent Ende 2014 anschwellen, erwartet Fitch.
Eine Kommission soll das Bankensystem beurteilen
Die Banken Zyperns sind in ihrer Refinanzierung vor allem auf Kundeneinlagen angewiesen. Der marode Zustand des Bankensystems kann aber eine Kapitalflucht auslösen. Zumal ausländische Kunden einen hohen Anteil an den Kundeneinlagen haben. Nach Angaben der Zentralbank entfielen Ende Oktober von den Gesamteinlagen über 70 Milliarden Euro knapp 27 Milliarden auf ausländische Kunden. Knapp 21 Milliarden Euro stammen von Kunden außerhalb des Euroraums. Vor Monaten sorgte ein Bericht des Magazins „Spiegel“ für Aufregung, der sich auf ein Papier des Bundesnachrichtendienstes (BND) berufen hatte. Demnach hätten Russen 21 Milliarden Euro bei zyprischen Banken deponiert, darunter auch Schwarzgeld. Dem hat die Regierung Zyperns widersprochen. Die Zentralbank berief sich jüngst auf Angaben der deutschen Botschaft in Nikosia, wonach dieses Papier nicht existiere. Allerdings fügte die Zentralbank hinzu, dass es sich um einen veralteten Bericht handeln könne.
Ob die EU-Auflagen und internationalen Standards zur Bekämpfung der Geldwäsche in den Banken vollständig umgesetzt werden, daran bestehen aber Zweifel. Mitte November ernannte die Zentralbank eine unabhängige Kommission, die das Bankensystem beurteilen soll. Ihr gehört auch Pierre de Weck an, der bis Ende Mai das Geschäft der Deutschen Bank mit wohlhabenden Kunden verantwortet hat. Das vierköpfige Gremium soll auch Vorschläge für eine Stärkung der Bankenaufsicht erarbeiten.
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