Der Fall Argentinien stärkt Rechte privater Gläubiger
Internationaler Währungsfonds warnt vor schwierigeren Umschuldungen
pwe. WASHINGTON, 23. Juni. Nach Ar gentinien ist die Welt staatlicher Schul den nicht mehr wie zuvor. Die Unsicher heit ist womöglich größer als seit den neunziger Jahren, Das sagt Anna Gel- pern, eine Fachfrau für Staatsschulden und Juristin an der Georgetown-Universi tät in Washington. Sicher scheint bislang nur, dass das Oberste Gericht in den Ver einigten Staaten, das vergangene Woche gegen Argentinien entschied, die Rechte von Gläubigern gegenüber souveränen Staaten gestärkt hat. Deutlich wird das daran, dass Argentinien sich jetzt bereit erklärt hat, mit den Hedgefonds zu ver handeln, die sich der Umschuldung ver weigert hatten und auf Bedienung ihrer Anleihen dringen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt scjion vor möglichen syste mischen Auswirkungen der Entschei dung. Er fürchtet, dass die Umschuldung von Staaten im Krisenfall erschwert wer de. Mehr Gläubiger würden nun ange regt, sich einer Umschuldung zu verwei gern. Finanzfachleute teilen diese Sorge nur bedingt. Die Gerichtsurteile in den Vereinigten Staaten zeigten in ihrer Wort wahl sehr deutlich, dass sie eine Reaktion auf den über Jahre andauernden Unwil len Argentiniens seien, in gutem Glauben zu verhandeln, befindet Hung Tran, ein Direktor des Institute for International Fi-, narice (IIF), dem internationalen Banken verbands, in Washington. Insoweit hande le es sich um einen Sonderfall. „Ich habe meine Zweifel, ob die Entscheidungen auch auf andere Umschuldungen anwend bar sind“, sagt Tran.
Als Reaktion auf den Argentinien-Fall arbeiten manche Staaten und der IWF schon daran, Anleiheverträge souveräner Schuldner zu ändern. Das Berufungsge richt in New York, dessen Urteil vom Obersten Gericht nicht in Frage gestellt wurde, berief sich auf eine bestimmte In terpretation der sogenannten Pari-Passu- Klausel, nach der alle Gläubiger gleich be handelt werden müssen. Danach muss Ar gentinien auch Altgläubiger bedienen, be vor es Zahlungen für die umgeschuldeten Anleihen leisten darf. Der IWF sieht ei nen' „wachsenden Konsens“, dass, die übli che Pari-Passu-Klausel geändert werden müsse, um diese Interpretation auszu schließen. Länder wie Belize oder Italien haben ihre Regeln nach IWF-Angaben schon geändert. * Spekuliert wird auch, ob mit den Ge richtsentscheidungen in Amerika gegen Argentinien staatliche Schuldner künftig eher etwa englisches Recht bevorzugen könnten. Qelpern erwartet indes keine große Verschiebung. Die Entscheidung für einen Rechtsstandard in Anleihever trägen folge eher Marketing-Erwägungen als Überlegungen über Verbindlichkeiten im Falle einer Umschuldung. Wer Investo ren in Amerika gewinnen wolle, gebe An leihen nach New Yorker Recht aus. Die Unsicherheit für staatliche Schuld ner wird in Bälde noch zunehmen. Ein in ternationales Schiedsgericht steht kurz vor der Entscheidung in einem anderen Fall gegen Argentinien. Rund 60 000 ita lienische Anleger dringen dabei seit 2007 auf die Bedienung der von ihnen gehalte-, nen argentinischen Staatsanleihen. Sie be
rufen sich in einer Art Massenklage dar auf, dass Argentinien mit der Nichtbedie nung seiner Schuld das bilaterale Investiti- onsschutzabkommen mit Italien breche. Das ist ein Novum für das bei der Welt bankgruppe angesiedelte International Centre for Settlement of Investment Dis putes (ICSID). Üblicherweise kümmern sich Schiedsgerichte unter dieser interna tionalen Konvention um Streitigkeiten über ausländische Direktinvestitionen in Fabriken oder Ähnliches, nicht aber um Anlagen in Staatsanleihen. Im Jahr 2011 entschied das Schiedsgericht, dass es auch für solche Fälle zuständig sei. Damit hat der Fall grundsätzliche Bedeutung, weil sich Anlegern in Staatsanleihen nun die Möglichkeit eröffnet, nicht nur vor re gulären Gerichten zu klagen, sondern auch über ein ICSID-Schiedsgericht ge gen säumige Staatsschuldner vorzugehen. „Es ist nicht klar, ob Argentinien bereit ist, sich an ein entsprechendes Schiedsge richtsurteil zu halten“, fürchtet Tran vom internationalen Bankenverband IIF. Das Land begann freilich 2013 nach langem Stillstand, in Streitfällen über Direktinves titionen, die Beschlüsse des ICSID zu ak zeptieren. Gelpern von der Georgetown- Universität sieht als Druckmittel vor al lem, dass Argentiniens Beziehungen zur Weltbank und zu Handelspartnern auf dem Spiel stünden, wenn das Land sich nicht an die Regeln des internationalen Abkommens halte. Für solche Sanktio nen gibt es Vorbilder: 2010 etwa entzogen die Vereinigten Staaten dem Land Han delsprivilegien, nachdem die Regierung in Buenos Aires Beschlüsse des Schiedsge richts nicht anerkannt hatte.
FAZ Print 24-06-2014
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Dienstag, 24. Juni 2014
Rund 60 000 ita lienische Anleger dringen dabei seit 2007 auf die Bedienung der von ihnen gehalte-, nen argentinischen Staatsanleihen. Sie be rufen sich in einer Art Massenklage dar auf, dass Argentinien mit der Nichtbedie nung seiner Schuld das bilaterale Investiti- onsschutzabkommen mit Italien breche. Das ist ein Novum für das bei der Welt bankgruppe angesiedelte International Centre for Settlement of Investment Dis putes (ICSID). Üblicherweise kümmern sich Schiedsgerichte unter dieser interna tionalen Konvention um Streitigkeiten über ausländische Direktinvestitionen in Fabriken oder Ähnliches, nicht aber um Anlagen in Staatsanleihen. Im Jahr 2011 entschied das Schiedsgericht, dass es auch für solche Fälle zuständig sei. Damit hat der Fall grundsätzliche Bedeutung, weil sich Anlegern in Staatsanleihen nun die Möglichkeit eröffnet, nicht nur vor re gulären Gerichten zu klagen, sondern auch über ein ICSID-Schiedsgericht ge gen säumige Staatsschuldner vorzugehen.
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