Amtshilfe Schweiz-Deutschland
Verkehrte Welt bei der Steuertransparenz
Wenn sich deutsche SPD-Politiker plötzlich über die Schweizer Steuertransparenz verwundert zeigen, lässt dies aufhorchen.
Feiertage sind oft Sauregurkenzeit für die Medien. Das galt offenbar auch für das vergangene Pfingstwochenende, als eine Meldung der «Sonntags-Zeitung», wonach die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) via Amtsblatt «neuerdings» die Namen vieler mutmasslicher Steuersünder publiziere, als Neuigkeit herhalten musste. Neu war das zwar nicht, aber wen kümmert das schon, wenn es sich als neu verkaufen lässt.
In der Regel sind bei ausländischen Amtshilfegesuchen die betroffenen Steuerpflichtigen beschwerdeberechtigt. Gemäss dem Schweizer Gesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen müssen im Ausland wohnende Betroffene einen Bevollmächtigten in der Schweiz bezeichnen, dem die EStV die Mitteilung über ein Amtshilfegesuch zustellen kann. Doch kann die EStV den Betroffenen weder direkt noch über die ausländische Behörde, die das Amtshilfegesuch stellte, erreichen, muss sie dies via Mitteilung im Bundesblatt versuchen, damit der Steuerpflichtige mindestens theoretisch eine Chance zur Einsprache bekommt. So steht es seit längerem im Gesetz.
Seit Anfang 2010 hat die EStV laut der Suchmaschine des Bundesblatts allein schon in deutscher Sprache je rund 180 Mitteilungen und Schlussverfügungen zu Amtshilfegesuchen im Bundesblatt publiziert. Zuweilen sind darunter auch prominente Steuerpflichtige. 2014 sorgten etwa Frankreichs Amtshilfegesuche betreffend die französischen Ex-Spitzenfussballer Patrick Vieira und Claude Makelele für Aufmerksamkeit. Seit damals weiss die Welt, dass mindestens einige von Frankreichs gloriosen Ex-Kickern einen guten Draht zur UBS hatten. Im jüngsten Medienbericht, der einzelne deutsche Fälle erwähnt, musste ein Ururenkel von Deutschlands Reichskanzler Otto von Bismarck als Prominenter herhalten. Als Fussball-Nationalspieler war jener Bismarck-Nachkomme zwar nie bekannt, aber er soll laut deutschen Boulevardmedien ein bekannter «Jetsetter» sein. Das ist doch auch schon etwas.
Für eine ironische Umkehrung der Verhältnisse in der Debatte zur Steuertransparenz sorgten in der Folge einzelne deutsche Medien, welche Reaktionen bei den SPD-Landesfinanzministern Norbert Walter-Borjans (Nordrhein-Westfalen) und Nils Schmid (Baden-Württemberg) einholten. Die Minister durften sich dabei verwundert zeigen über die Praxis der Schweiz, die bisher nicht gerade als Hort der Steuertransparenz gegolten habe. Zudem gab sich Walter-Borjans, der sich in der Schweiz als überzeugter Käufer gestohlener helvetischer Bankdaten einen zweifelhaften Namen gemacht hat, ungewohnt staatsmännisch: «In Deutschland gelten allerdings Steuergeheimnis und Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils.» Nur ganz giftige Schweizer Zungen würden hier anfügen, dass dies vielleicht die echte Neuigkeit des Wochenendes war.
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