AnleihenrechtReform kann Kleinanlegern Kummer machen
Das neue Anleihenrecht hat für Kleinanleger einige Unsicherheiten mit sich gebracht, nicht zuletzt weil es verbindliche Gläubigerbeschlüsse mit Dreiviertelmehrheit erlaubt. Allerdings kann dies auch ein Vorteil sein.
14.10.2009
Dass Anleihenkäufer besser die Prospekte der Schuldverschreibungen lesen sollten, bevor sie diese kaufen, haben viele Investoren im Rahmen der Finanzkrise nur allzu leidvoll erfahren müssen. Dabei beschränkt sich dies nicht auf strukturierte Anleihen, sondern eine Vielzahl anderer, auch scheinbar unverdächtiger, klassischer Schuldverschreibungen, deren Emissionsbedingungen vorzeitige Ablösungen möglich machten oder etwa Zinszahlungen an Gewinne oder Dividendenausschüttungen koppelten.
Mit dem seit Anfang August gültigen neuen Schuldverschreibungsgesetz, könnte die Lektüre künftig noch wichtiger sein. Denn die Novelle enthält unter anderem eine Reihe von Neuerungen für die Restrukturierung notleidender Anleihen, die vor allem den Interessen der Großgläubiger und Emittenten entgegenkommen.
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Auch für früher begebene Anleihen anwendbar
Nach altem Recht war eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen durch Mehrheitsbeschluss nur in begrenztem Umfang und zur Abwendung der Insolvenz des Anleiheschuldners zulässig. So war eine Herabsetzung oder Stundung der Zinsen früher nur für die Dauer von drei Jahren zulässig, ein Kapitalverzicht generell ausgeschlossen und so konnten sich bedrängte Schuldner meist nur durch freiwillige Umtauschangebote von drückenden Anleiheschulden befreien.
Das ändert sich nun. Auch die Freigabe von Sicherheiten, ein Verzicht auf die Einhaltung von Kreditklauseln, der so genannten Covenants und die Umwandlung in Eigenkapital sind künftig möglich.
Vor allem ist es seit August auch möglich, Sanierungsbeiträge für alle Anleihengläubiger durch eine Mehrheit von mindestens 75 Prozent der teilnehmenden Stimmrechte zu beschließen. Zuvor erforderten weitreichende Maßnahmen die Zustimmung aller betroffenen Gläubiger. Nicht zuletzt daran scheiterte die Sanierung von Escada.
Für Kleinanleger sind dies grundsätzlich zuerst einmal erschreckende Nachrichten, müssen sie doch fürchten, bei einer Restrukturierung von Schulden ohne ihr Zutun Verzicht leisten zu müssen, vor allem weil das Gesetz die Anwendbarkeit auch auf schon ausgegebene Anleihen erlaubt, sofern der Schuldner und eine Mehrheit von 75 Prozent der Anleihegläubiger zustimmen.
Sorge vor dem Übergangenwerden
Das neue Recht würde es zum Beispiel Investorengruppen erleichtern, durch den Erwerb von Anleihen, deren Kurs stark gefallen ist, bedrängte Schuldner zum Umtausch in Eigenkapital zu zwingen. Der Emittent muss aber nicht börsennotiert sein, so dass ein Eigenkapitalanteil für Kleinanleger oft wenig werthaltig wäre. In der Vergangenheit konnten sich Gläubiger dagegen auflehnen und Verbesserungen zu erreichen, wie etwa im Fall Schefenacker ().
Darüber hinaus wird die Möglichkeit für den Schuldner, vergleichsweise zügig zu einer verlässlichen Einigung mit den Anleihegläubigern zu gelangen, dadurch gestärkt, dass ein Anleihevertreter in den Gläubigerbeschluss bestellt werden kann, auf den die Rechte der Anleihegläubiger übertragen werden können.
Immerhin gilt für Neuemissionen, dass die Durchführung einer Schuldenrestrukturierung auf Basis eines Mehrheitsbeschluss nur dann möglich ist, wenn es in den Anleihebedingungen ausdrücklich vorgesehen ist.
Was dem Kleinanleger immer noch bleibt, ist nach dem neuen Gesetz in Analogie zum Aktienrecht eine Anfechtungsklage gegen Gläubigerbeschlüsse einzureichen, die vollzugsaufschiebende Wirkung hat. Insgesamt ist die Neuregelung ein weiteres Argument, dass Kleinanleger den Prospekt intensiv studieren sollten, um Risikofaktoren abwägen zu können.
Neues Recht bietet auch Chancen
Das gilt aber nur dann, wenn sie ihn denn in praxi auch erhalten können, was nicht immer gegeben ist. Sonst bleibt nur, auch in diesem Punkt darauf zu vertrauen, dass alles gut geht, was natürlich Grundlage jedes Anleihekaufs ist. Zudem ist nicht gesagt, dass Kleinanleger mit dem neuen Recht schlechter fahren müssen. Das Scheitern von Restrukturierungsversuchen kann viel mehr dazu führen, dass die Verluste sogar höher ausfallen und der Zeitraum bis zu einem Rückfluss von Teilen des eingesetzten Kapitals sich noch mehr verlängert, als dies mit einem von einer Gläubigerversammlung verlässlich gefassten Restrukturierungsbeschluss der Fall gewesen wäre.
So konnten die Gläubiger bisher die sofortige Rückzahlung verlangen, wenn der Emittent säumig blieb. Das rief bisweilen die befürchte Insolvenz erst hervor oder verschärfte die Situation.
Große Emittenten sind dem alten deutschen Recht ohnehin häufig aus dem Weg gegangen. So haben etwa Daimler, BMW, BASF oder die Deutsche Telekom einen Großteil ihrer Anleihen über amerikanische oder niederländische Zweckgesellschaften begeben und diese garantiert. Ausgeschlossen bleibt vom neuen Recht künftig nur ein Emittent: die deutsche öffentliche Hand.
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