Abgeltungssteuer unter BeschussWie gerecht sind die 25 Prozent?
Auf Zinsen und Dividenden zahlt man 25 Prozent Steuern – zu wenig, sagt die SPD und fordert mehr Geld. Die Abgeltungssteuer steht damit abermals zur Debatte. Wir haben fünf Vorschläge geprüft.
15.05.2016, von DYRK SCHERFF
© DPA„Besser 25 Prozent von X, als 42 Prozent von nix.“ Von Peer Steinbrücks einstiger Argumentation wollen die Genossen heute nichts mehr wissen.
Vorschlag 1: 45 statt 25 Prozent
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die SPD wieder einmal die Abschaffung der Abgeltungsteuer fordert. In der vergangenen Woche war es so weit. Die jüngsten Umfragetiefs zwingen die Genossen zum Handeln. Und der Steuersatz von 25 Prozent plus Soli und Kirchensteuer riecht nach Begünstigung der Reichen. Schließlich werden auf Gehälter bis zu 45 Prozent Steuern fällig. Also will die selbsternannte Gerechtigkeitspartei wie schon vorher Finanzminister Wolfgang Schäuble die Abgeltungsteuer streichen. Dann sollen auch für Kapitaleinkünfte wieder bis zu 45 Prozent fällig werden, abhängig vom Einkommen. Reiche müssten dann mehr als jetzt bezahlen, so scheint es.
Autor: Dyrk Scherff, Redakteur im Ressort „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Doch die Befürworter erzählen nur die halbe Wahrheit. Wenn sie die Abgeltungsteuer streichen, müssten sie aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Einkunftsarten ein paar der alten Regeln ebenfalls wieder einführen. Dann wären wieder Werbungskosten der Geldanlage absetzbar, etwa Depotgebühren oder die Fahrt zur Hauptversammlung. Auch könnten Kursgewinne mit Verlusten aus anderen Einkünften, etwa Vermietung, gegengerechnet werden. Das reduziert die Steuerlast mehr als derzeit.
Und schließlich: Dividenden, die zwei Drittel der Einnahmen aus der Abgeltungsteuer ausmachen, dürften dann anders als jetzt nur zu 50 oder 60 Prozent besteuert werden. Denn schon die Unternehmen haben für die Gewinne, aus denen die Dividenden bezahlt werden, 25 Prozent Steuern entrichtet. Würde man sie voll besteuern, wäre das eine Benachteiligung der Aktie (also von Eigenkapital) im Vergleich zu Unternehmensanleihen (also Fremdkapital). Denn Zinszahlungen dürfen die Unternehmen sogar steuermindernd als Kosten absetzen.
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Wird nur die Hälfte versteuert, hätte die SPD ihr Ziel verfehlt, weil Reiche sogar entlastet würden. Denn 2000 Euro Dividende, die mit 25 Prozent besteuert werden, ergeben eine Steuerlast von 500 Euro. Aber bei 45Prozent auf die Hälfte, also auf 1000 Euro, sind nur Steuern von 450 Euro fällig. Zinsen allerdings würden stärker belastet als heute. Das ist aber nicht ungerecht, weil es nur die derzeitige Bevorzugung von Zinsen im Vergleich zu Dividenden aufhebt.
Einen Vorteil hätte die Abschaffung schon. Es gibt immer weniger Gründe, Einkünfte aus der Geldanlage anders als alle anderen Einkünfte zu behandeln. Früher hatte man die Steuerflucht als Argument angeführt: Die Abgeltungsteuer sollte erschweren, dass sich Anleger der Besteuerung entziehen. Doch mit dem vereinbarten Informationsaustausch zwischen fast allen Staaten der Welt ist solch eine Flucht fast unmöglich geworden. Unglücklich wären aber wohl die Finanzämter. Sie hätten deutlich mehr Arbeit mit den Steuererklärungen der Anleger, die ihre Kapitalerträge wieder auflisten müssten. Das wäre auch wieder mehr Arbeit für den Steuerzahler. Bei der Abgeltungsteuer haben das die Banken übernommen. Sie war tatsächlich einer der wenigen Beiträge zur Steuervereinfachung.
Vorschlag 2: Steuern ins Alter verschieben
Statt das alte Besteuerungssystem aus der Zeit vor der Abgeltungsteuer wieder einzuführen, könnte man das Prinzip der Riester-Rente auf alle Geldanlagen ausdehnen. Hier gilt: Was man anspart, darf man von der Steuer absetzen, im Ruhestand müssen dann die Auszahlungen versteuert werden – mit dem individuellen, einkommensabhängigen Steuersatz. Die Abgeltungsteuer gilt hier schon heute nicht. Vorteil: Man erspart sich über viele Jahrzehnte Steuern (Steuerstundungseffekt) und hat bei den Auszahlungen im Ruhestand in der Regel einen niedrigeren Steuersatz als während der Sparphase im Berufsleben. Das ist ein Ausgleich dafür, dass die Erträge aus der Geldanlage ohne Rücksicht auf die Inflation besteuert werden. Zudem ist bei Auszahlung überhaupt erst das Geld vorhanden, um die Steuer zu zahlen. Das ist ein Vorteil gegenüber der Besteuerung, wie sie künftig für Fonds geplant ist: Hier wird der jährliche Gewinn versteuert, auch wenn er nicht an den Anleger fließt, sondern im Fonds verbleibt.
Sinnvoll ist das Riester-Prinzip aber nur bei deutlich umfangreicherer Steuerfreiheit in der Sparphase. Es sollte zumindest möglich sein, eine Durchschnittsrente steuerfrei ansparen zu können. Dazu müssten mehr als 10000 Euro jährliche Sparsumme steuerfrei bleiben, bei Riester sind es aber nur 2100 Euro. In den Vereinigten Staaten und der Schweiz gibt es solche Modelle. Die Amerikaner zum Beispiel können in ihren „401 (k)-Altersvorsorgekonten“ jährlich 18000 Dollar steuerfrei aus ihrem Gehalt sparen. Es gibt auch mehr Auswahl an besparbaren Wertpapieren, Fonds und Lebensversicherungen – anders als bei Riester-Produkten, die durch viele staatliche Auflagen verteuert werden.
Vorschlag 3: Steuern nur auf inflationsbereinigte Gewinne
Werden Kursgewinne etwa aus Aktiengeschäften voll dem Spitzensteuersatz unterworfen, ist das ungerecht im Vergleich zu Lohneinkünften. Über den Lohn kann man sofort verfügen, über die Kursgewinne erst bei Verkauf. Wenn bis dahin Jahrzehnte vergehen, hat die Inflation einen Teil des Gewinns aufgezehrt. Versteuert werden muss aber der Nominalbetrag. Man könnte diesen Nachteil vermeiden, indem man den Kaufbetrag in der steuerlichen Rechnung mit der jährlichen Inflationsrate erhöht. Dann ist die Differenz zum Verkaufspreis kleiner, es muss weniger versteuert werden.
So etwas gab es zum Beispiel früher in Großbritannien. Und in Deutschland wird diese Indexierung zwar nicht im Steuerrecht, aber bei Scheidungen verwendet: Das Vermögen bei der Hochzeit wird mit der Inflationsrate erhöht. Das ist wichtig für die Berechnung des Zugewinns, also der Vermögenssteigerung während der Ehe, an der der Expartner beteiligt wird.
Vorschlag 4: Steuerfrei nach zehn Jahren
Bis zur Einführung der Abgeltungsteuer 2009 waren Kursgewinne steuerfrei, wenn die Wertpapiere mindestens ein Jahr gehalten wurden. Jetzt müssen sie für jeden Haltezeitraum versteuert werden. Man könnte zur Förderung der langfristigen Altersvorsorge und als Ausgleich für den Verlust an Kaufkraft durch Inflation diese Spekulationsfrist wieder einführen. Um nicht auch kurzfristige Zockereien zu unterstützen, haben Steuerfachleute vorgeschlagen, man könnte die Steuerfreiheit erst nach zehn oder mehr Jahren beginnen lassen. Das ist derzeit zum Beispiel bei Gewinnen aus privaten Immobilienverkäufen der Fall.
Allerdings greift eine solche Frist in die freie Anlageentscheidung ein. Anleger könnten genötigt sein, Aktien mindestens zehn Jahre lang zu halten, obwohl ein Verkauf aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens angebracht wäre. Besser wäre hier, nicht ein bestimmtes Wertpapier nach zehn Jahren steuerfrei zu stellen, sondern ein Vorsorgekonto, auf dem Anleger beliebig Wertpapiere kaufen und verkaufen können. Die Steuer wird erst dann fällig, wenn der Anleger Geld von dem Konto abzieht. So ist das zum Beispiel in den Vereinigten Staaten bei den 401 (k)-Konten geregelt. Dort sind steuerfreie Umschichtungen möglich.
Vorschlag 5: Freibeträge rauf
Wenn man nur die vermögenden Anleger besteuern will, könnte man auch die Sparerfreibeträge kräftig erhöhen. Derzeit sind nur 801 Euro Zinsen, Dividenden oder Kursgewinne steuerfrei (für Verheiratete zusammen 1602 Euro). Bis 1999 waren es schon einmal etwa 3000 Euro. Eine Rückkehr zu höheren Freibeträgen würde die meisten Ersparnisse der Kleinsparer steuerfrei halten und nur die reichen Anleger treffen. Allerdings würden dann andere Einkünfte, die geringere Freibeträge eingeräumt bekommen, benachteiligt – zum Beispiel Lohn und Renten. Das wäre ungerecht.
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