Was superreiche Anleger wollen – und was sie fürchten
In Zeiten von Minizinsen ist nicht nur der normale Sparer verunsichert. Auch reiche Bankkunden wissen nicht, wohin mit ihrem Geld. Eine Umfrage zeigt, wie sie reagieren – und was ihnen Angst macht.
Von Karsten SeibelKorrespondent für Wirtschafts-
und Finanzthemen in Frankfurt
und Finanzthemen in Frankfurt
Selbst eine halbe Million Euro können als Eintrittsgeld in das elitäre Private Banking zu wenig sein. Das erfuhren in den vergangenen Wochen Kunden der Schweizer Großbank Credit Suisse. Ihnen wurde per Brief mitgeteilt, sie hätten keinen Anspruch mehr auf einen persönlichen Berater.
Man wolle sich auf "äußerst vermögende und sehr vermögende Kunden konzentrieren", so die Bank in einer offiziellen Erklärung. Mit diesen Worten schlossen sich für viele Menschen die Türen zu den noblen Etagen der Kreditinstitute. Sie rechtfertigen den eingeschränkten Service mit hohen gesetzlichen Auflagen und steigenden Kosten. Verständnis dürfen sie dafür bei ihren Kunden nicht erwarten.
Aber wollen reiche Kunden überhaupt noch einen persönlichen Berater? Reicht nicht auch Onlinebanking? Wie legen sie ihr Geld an, wovor haben sie Angst? Eine Untersuchung der Johannes-Kepler-Universität im österreichischen Linz offenbart das Verhalten von vermögenden Menschen und den Umgang mit ihnen.
Knapp 400 Private-Banking-Kunden unterschiedlicher Institute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wurden repräsentativ ausgewählt und befragt. Auftraggeber der zum vierten Mal erstellten Studie war die Liechtensteiner LGT Bank. Die Ergebnisse, die der "Welt am Sonntag" vorab vorliegen, räumen mit fünf Missverständnissen auf.
1. Reiche wollen besondere Produkte
Gerne wird behauptet, dass Menschen mit großen Vermögen auch in Niedrigzinszeiten sehr viel bessere Anlagemöglichkeiten hätten. Ihnen stünden lohnendere Finanzprodukte zur Verfügung als das schnöde und schlecht verzinste Tagesgeldkonto. Die Umfrage zeigt: Es mag sie geben, doch die Vermögenden haben wenig Interesse an solchen oft komplizierten Anlagealternativen. Gut ein Drittel ihres liquiden Vermögens hält auch diese Bevölkerungsgruppe in bar – Tendenz steigend.
Die Österreicher stören sich am wenigsten daran, dass es auf dem Konto nur noch Minizinsen gibt. Bei Kunden aus dem Nachbarland liegen 42 Prozent des Geldes einfach so herum, in der Schweiz sind es 32 Prozent, in Deutschland 30 Prozent. Dem Motto "Hauptsache, das Geld ist noch da" folgen länderübergreifend besonders gerne Frauen. Sie halten einen deutlich höheren Anteil als Männer "cash": 42 Prozent gegenüber 34 Prozent. Vielleicht müssen die Banken noch mehr einfache Produkte anbieten.
2. Kunden bewundern ihren Berater
Wer bislang glaubte, alle Menschen gingen zu einem Bankberater, weil sie Rat erwarten, der irrt. Ein bedeutender Teil der Kunden sieht in seinem Gegenüber keinesfalls einen Experten. Zwar stimmte etwas mehr als die Hälfte der Befragten der Aussage zu, der Kundenberater wisse "viel mehr als ich" über Anlagethemen. Im Umkehrschluss heißt dies allerdings, dass knapp die Hälfte dies anders sieht und unterstellt, der Kundenberater sei in Anlagedingen auch nicht bewanderter als sie.
Bei der Frage nach dem eigenen Kenntnisstand gaben sich deutsche Kunden besonders selbstbewusst: 55 Prozent attestierten sich "ein fundiertes Anlagewissen". Österreicher und Schweizer äußerten sich deutlich kleinlauter. Ein Grund für das geringe Ansehen der Fachkräfte zeigt ein Abgleich von Anspruch und Wirklichkeit. Der Anspruch der meisten Kunden ist laut Umfrage, dass sie dank der Beratung eine bessere Anlagerendite erzielen.
Erfüllt wird das in den Augen der Kunden aber nur selten. Bei der Erwartung, diskret, transparent und nachvollziehbar beraten zu werden, liegen Anspruch und Wirklichkeit näher zusammen. Doch zum Verdruss der Banken legen Kunden darauf weniger Wert als auf ein Renditeplus. Womöglich hilft es, den Kunden in Zukunft sehr viel deutlicher zu sagen, was eine Bank kann – und vor allem was nicht.
3. Onlinebanking ist etwas für junge Kunden
Vermögende Kunden werden noch viele Jahre großen Wert auf das elitäre Ambiente in der Bank und die persönliche Beratung legen – allein schon deshalb, weil viele dieser Kunden bereits älter sind. Auch das ist offenbar ein von den Banken gerne angeführtes Missverständnis, um sich mit der Digitalisierung in der Vermögensverwaltung noch etwas Zeit lassen zu können.
Die Umfrage zeigt, dass genauso wie in der gesamten Gesellschaft auch unter den Private-Banking-Kunden in der Tat eher die jüngere Generation neue Technologien nutzt. Doch die Lücke wird kleiner. Selbst unter den über70-Jährigen kann sich mittlerweile jeder Vierte "gut vorstellen, Finanzgeschäfte und Anlagetransaktionen mit meiner Bank vor allem online zu tätigen".
Der direkte persönliche Kontakt verliert auch in dieser Generation an Bedeutung. Immerhin jeder Fünfte kann sich vorstellen, von seinem Kundenberater "vor allem online beraten zu werden". Eine stärkere Aufgeschlossenheit der Banken gegenüber den oft kundenfreundlichen Lösungen neuer, digitaler Spieler im Finanztechnologiebereich erscheint geboten.
4. Deutsche Anleger sind besonders pessimistisch
Soll niemand mehr sagen, deutsche Kunden ließen sich besonders leicht von Unruhen an den Kapitalmärkten verunsichern. Im Vergleich zu den wohlhabenden Menschen in den Nachbarländern sind sie ein Ausbund an Optimismus. Das zeigt sich in der Studie gleich an zwei Stellen: Während in der Schweiz und Österreich kaum jemand von steigenden Zinsen in diesem Jahr ausgeht – lediglich zehn und sieben Prozent –, können sich dies in Deutschland 21 Prozent der Befragten vorstellen.
Steigende Zinsen würden eine anspringende Konjunktur in Europa voraussetzen. Doch auch wenn es anders kommt, lassen sich die Deutschen schwerlich bei ihrer Geldanlage verunsichern. Nur 16 Prozent gaben an, dass sie wegen der tiefen Zinsen und den schwankenden Kursen an den Börsen nicht mehr wüssten, wie sie ihr Geld anlegen sollen. In Österreich behaupteten dies 33 Prozent, in der Schweiz sogar 40 Prozent. Das sollte die deutschen Banken freuen, zeugt es doch von einer vergleichsweise hohen Anlagelust ihrer Kunden.
5. Banken drängen einem ständig ein Gespräch auf
Am Ende noch ein Missverständnis, das vor allem auf Kundenseite besteht: Bankmitarbeiter wollen immer etwas verkaufen und suchen zu diesem Zweck immer wieder Kontakt per Telefon, Brief oder E-Mail – ob man nun will oder nicht. Das ist ein immer wieder zu hörender Vorwurf in Richtung Banken. Doch zumindest im Geschäft mit Private-Banking-Kunden stimmt dies offenbar nicht.
Der überwiegende Teil der Befragten gab zu, nicht ihre Bank kontaktiere sie, sondern umgekehrt. Wobei es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt: 52 Prozent der Männer gaben an, von sich aus den Kontakt zum Berater zu suchen, aber nur 28 Prozent der Frauen. So oder so kommen Kunden und Berater innerhalb eines Jahres im Durchschnitt 17-mal zusammen: In Deutschland sind dies sieben Kontakte am Telefon, fünf per E-Mail und fünf bei persönlichen Treffen. Sind Banken vielleicht doch keine reinen Verkaufsmaschinen?
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