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Samstag, 25. Juli 2015

Sex und Migräne gehören nicht in ein Bewerbungsschreiben Veröffentlicht am 24. Juli 2015 von Prof. Dr. Arnd Diringer

Sex und Migräne gehören nicht in ein Bewerbungsschreiben

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Erholen, Schlafen, Gymnastik, Zahnweh, Grippe, Migräne, Kunst und Sex. Zu diesen Themen hatte ein ALG II-Empfänger eine sog. Mottoliste verfasst, die er seinen Bewerbungen beilegte. Besonders erfolgreich war er damit wohl nicht und so untersagte ihm die Arbeitsagentur, diese Listen weiter an potentielle Arbeitgeber zu schicken.
Dagegen klagte der Betroffene. Er führte an, dass Bewerbungsverfahren „dem Ziel einer möglichst optimalen Stellenbesetzung“ dienen. „Daher sei eine Bewerbung nicht belohnungsorientiert, sondern authentisch abzufassen. Dazu gehöre für ihn die Beifügung der Mottoliste. Insoweit berufe er sich auch auf seine Grundrechte.“
Vor dem Landessozialgericht Hamburg (LSG Hamburg, Urt. v. 16.06.2011 – L 5 AS 357/10) hatte er mit dieser Argumentation keinen Erfolg.
Die Anweisung der Arbeitsagentur ist nach Meinung der Hamburger Richter rechtmäßig, da die Bewerbungsunterlagen mit der Mottoliste „nicht geeignet sind, eine erfolgreiche Bewerbung zu unterstützen, sondern diese vielmehr mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern werden“.
Das ergibt sich „daraus, dass es den Üblichkeiten von Bewerbungsverfahren offensichtlich widerspricht, Darlegungen über die innersten Einstellungen und Anschauungen zu Sexualität und Geistes- bzw. Gefühlswelt vorzulegen. Dem Leser solcher Darlegungen wird sich der Eindruck aufdrängen, dass es dem Bewerber jedenfalls nicht um die angebotene Stelle, sondern eher um das Erforschen und Umkreisen des eigenen Persönlichkeitskerns geht. Die darin liegende Manifestation des Desinteresses an der konkreten Tätigkeit und der Konzentration auf die eigene Persönlichkeit wird potentielle Arbeitgeber nach der Lebenserfahrung abhalten, den Kläger für eine Stelle auszuwählen. Anders als der Kläger meint, gibt seine Mottoliste keinen Aufschluss über seinen Leistungswerdegang; sie hat erkennbar weder beruflichen Bezug noch berufliche Relevanz.“
Und auch auf eine Grundrechtsverletzung kann sich der ALG II-Empfänger nicht berufen.
Denn ihm „wird nicht etwa wie er meint abverlangt, nur solche Weltanschauungen zu vertreten und wissenschaftliche Forschungen zu betreiben, die nicht zur Ablehnung von Bewerbungen führen können; darin ist er vielmehr ganz frei. Insoweit kann offen bleiben, ob es sich bei den Mottolisten überhaupt um geisteswissenschaftliche Erzeugnisse handelt, ob sie also irgendeine wissenschaftliche Erkenntnishöhe besitzen. Dem Kläger wird allein aufgegeben, berufsfremde und nach dem Maßstab der Sozialadäquanz im Bewerbungsverfahren fernliegende Darlegungen zu seinen Anschauungen und Einstellungen zu unterlassen.“
Ob diese Ausführungen den Kläger überzeugt haben ist nicht bekannt. So oder so sollte er seinen Bewerbungen keine „Mottolisten“ mehr beifügen. Denn die „Verwendung solcher Bewerbungsunterlagen würde“, wie das LSG betont „einen Sanktionstatbestand nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II verwirklichen, da sie als Verweigerung der Aufnahme einer Tätigkeit anzusehen wäre“.

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