Urs C. und Beat H. arbeiten als Informatiker im Gebäude einer Grossbank in der selben Ecke eines Grossraumbüros. Die Namen sind fiktiv, aber ihre Situation entspricht einer um sich greifenden Realität in der Finanzbranche und darüber hinaus.
Beide betreuen IT-Projekte für das Bankgeschäft, arbeiten an identischen Computern, und trinken Kaffee aus dem gleichen Automaten. Nur arbeiten nicht für die selbe Firma. Während der dienstältere Urs C. bei der Bank selber angestellt ist, ist Beat H., der auch bereits seit neun Jahren für die Bank arbeitet, seit wenigen Wochen Mitarbeiter einer externen Dienstleistungsfirma. Zugesichert wurde ihm, dass die Anstellungsbedingungen seines alten Arbeitsvertrages noch ein Jahr lang gelten, darunter der Lohn.
Aber Beat H. hat bei seinem neuen Arbeitgeber Anspruch auf tiefere Pensionskassenleistungen - denn diese sind nicht Teil des Arbeitsvertrags - und wäre im Falle einer Entlassung Teil eines viel weniger weitrechenden Sozialplans. Indem einer von zwei Mitarbeitern zwar den gleichen Job macht wie seit Jahren, aber plötzlich in einer neuen Firma mit anderen Vertragsbedingungen arbeitet, entsteht praktisch am selben Schreibtisch eine Zweiklassengesellschaft.
«First in, first out»
Die eigentliche Gefahr bezeichnet Christof Burkard, Leiter des Rechtsdienstes von Angestellte Schweiz, als eine mögliche"mehrstufige Degradierung": "Ein Konzern lagert erst die Stellen an eine andere Firma aus, die dann die Sozialleistungen oder andere Leistungen verändert oder gar nach einer gewissen Zeit die Stellen streicht." In einer neuen Firma sei der Mitarbeiter wieder ein Neuling, sagt Denise Chervet, Geschäftsführerin des Bankenpersonalverbands SBPV. "Er hat nicht die gleichen Vorteile wie jemand, der schon viele Dienstjahre vorweisen kann. Dann gilt oft 'first in, first out' bei Entlassungen."
Für eine Bank wird es gar teurer, den bisherigen Mitarbeiter von der externen Firma zurückzumieten. Aber gleichzeitig wird sie flexibler. Ausbildungen und Personaldienstleistungen können abgewälzt werden, aber eben auch der Entscheid, eine Stelle schliesslich zu streichen. Die Grossbanken UBS und Credit Suisse haben in den vergangenen Jahren in Sparprogrammen auch in der Schweiz tausende Stellen gestrichen.
Aus der CS ist der Fall eines IT-Teams bekannt, dem der Plan einer Auslagerung vorgelegt wurde. Der Plan wurde nicht umgesetzt, weil es zu Kündigungen der Mitarbeiter ihrerseits kam und die Teamleitung Sparmassnahmen umsetzte. Das Interesse der Bank, Kosten zu sparen und flexibler zu werden, hat sich damit auch so erfüllt.
IT nicht mehr im Kerngeschäft
Outsourcing ist nichts Neues. Schon vor 30 Jahren begannen grosse Firmen, Dienstleistungen am selben Ort auszulagern. Unternehmen betreiben schon lange keine eigenen Kantinen mehr und um die Gebäudedienstleistungen kümmern sie sich nicht mehr selber. Langjährigen Mitarbeitern in den Verpflegungsdiensten oder beim Reinigungspersonal einer Bank, eines Pharmaunternehmens oder eines Industriekonzerns passierte es schon vor Jahren, dass sie zwar den gleichen Job weiter ausübten, aber für eine andere Firma arbeiteten. Mit den Informatikern hat dieser Trend aber auch das Kerngeschäft der Banken erreicht.
Schon seit längerem ein Thema ist, dass die Grossbanken Stellen in Dienstleistungszentren nach Osteuropa oder Asien verschieben, darunter auch viele IT-Stellen. Weil die Beschäftigten aber zumindest in der selben Firma bleiben, sind dabei gewisse Datenschutz- und Vertraulichkeitsvorgaben gewahrt. Mit der Auslagerung von Mitarbeitern an andere Firmen ändert sich diese Situation. Puncto Datenschutz sagt aber etwa die UBS, dass in der Bewilligung aller Outsourcing- und Offshoring-Aktivitäten klar definierte Standards gelten würden.
Betroffene wägen ab
Für die Arbeitnehmer entsteht eine schwierige Situation. Die Arbeitnehmerorganisationen versuchen, bei Einzelfällen "moralischen Druck" aufzusetzen oder den Dialog zu suchen. Angaben über die Zahl von Betroffenen sind laut den Arbeitnehmerorganisationen nicht leicht herauszufinden, weil Outsourcing-Vorgänge oft still und leise ablaufen. "Es ist aber sicherlich keine kleine Zahl", sagt Denise Chervet. Sie bedauert, dass sich relativ wenig Betroffene bei ihr melden, deren Interessen der SBPV vertreten würde. Durch die Arbeitsplatz-Unsicherheit vor allem in der Banken-IT seien viele letztlich froh, ihre Stelle behalten zu können, auch unter schlechteren Bedingungen.
Betroffene wägen auch andere Faktoren ab. So kann es vorkommen, dass ein Mitarbeiter durch die Auslagerung bessere Konditionen bekommt, etwa bei der Arbeits- oder Ferienzeit. Die Perspektive eines relativ sicheren Jobs kann angesichts der Entlassungswellen bei Grossbanken und generell grossen und industriellen Konzernen bei einer externen, flexiblen Dienstleisterfirma unter Umständen höher sein. Die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes bewerten die Betroffenen letztlich subjektiv.