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Dienstag, 3. April 2018

Ein Land mit 250.000 oder auch einer Million Einwohnern kann aus eigener Kraft keine europäische Großbank retten.

GeldanlageWie gefährlich sind Zinsangebote aus dem Ausland?

Über Zinsportale wie Savedo oder Weltsparen haben deutsche Anleger viel Geld im europäischen Ausland angelegt. Nun wurde ein Institut in Estland geschlossen. Worauf Kunden jetzt achten müssen.
Eine Kolumne von 
Estnische Hauptstadt Tallin
Getty Images
Estnische Hauptstadt Tallin

Rund 2.000.000.000.000 Euro (2 Billionen Euro) liegen auf tagesfälligen Konten von Bankkunden, Anlegern und Firmen in Deutschland, sagt die Bundesbank. Und für dieses Geld gibt es praktisch keine Zinsen. Im Gegenteil, wer wirklich viel Geld anlegen muss, von dem verlangen immer mehr Banken sogar Strafzinsen.
Viele Kunden klagen zwar und sind überhaupt nicht zufrieden, haben sich im Alltag aber mit den Niedrigzinsen abgefunden. Andere haben die Geduld verloren, sie suchen nach besseren Alternativen für ihr Tagesgeld und Festgeld.
Viele der Unzufriedenen haben in den vergangenen zwei Jahren Zinsportale für sich entdeckt. Das sind Internetdienstleister, die vor allem in der Europäischen Union nach Banken suchen, die bereit sind, mehr Zinsen zu zahlen. Banken in Portugal oder auf Malta, in Bulgarien, Rumänien oder im Baltikum.
In Deutschland sind drei dieser Zinsportale besonders aktiv: Savedo und Zinspilot, die inzwischen zusammengehören, sie haben rund 100.000 Kunden, und ihr großer Konkurrent Weltsparen mit nach eigenen Angaben mehr als 100.000 Kunden. Einige Milliarden Euro wollen diese Zinsportale inzwischen ins Ausland vermittelt haben.
Dabei haben die Vermittler auch deutsche Banken im Portfolio wie die Hanseatic Bank oder die Solarisbank, daneben österreichisch-russische wie die Denizbank, vor allem aber Banken an der Peripherie der EU. Das Risiko bei letzteren: Dort geht öfter mal was schief.
Diesmal in Estland. Vor einigen Tagen hat die Europäische Zentralbank (EZB) auf Antrag der estnischen Behörden die dortige Versobank geschlossen - weil die Bank "systematisch und seit längerer Zeit Gesetze gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gebrochen" habe, wie es in den Erklärungen der Aufsichtsbehörde heißt. Die 1999 gegründete Verso hatte zuletzt für Festgelder, die über drei Jahre angelegt werden, 1,35 Prozent Zinsen pro Jahr angeboten. Das wirkt auch nicht besonders üppig - ist aber immer noch etwas mehr als bei anderen, sichereren Banken, die derzeit maximal 1,21 Prozent bieten, bei den meisten gibt es weniger als ein Prozent. Die estnische Aufsicht hatte die zuständige EZB schon am 8. Februar 2018 gebeten, die Versobank dichtzumachen.
Etwa zur gleichen Zeit gab es bereits Ärger bei einer lettischen Bank mit Namen ABLV, ebenfalls wegen Geldwäschevorwürfen, die diesmal aus den USA kamen. Auch diese Bank wird aktuell abgewickelt. 2014 hatten Spekulanten zudem eine bulgarische Bank an den Rand der Pleite gebracht, bei der auch deutsches Geld angelegt war.
Zu viel versprochen?
Zwei Bankkrisen im Baltikum in zwei Monaten sind allerdings schon eher ungewöhnlich. Im Jahr 2017 hat die Europäische Zentralbank (EZB) in der gesamten EU zwar 41 Banklizenzen wieder kassiert, die meisten allerdings auf Antrag der jeweiligen Bank selbst und europaweit nur in fünf Fällen auf Antrag der Aufsichtsbehörden.
Natürlich kommt die Frage auf: Wie sicher ist das Geld deutscher Sparer bei solchen kleinen Banken in kleinen Ländern? Oder etwas weiter gefasst: Wie sicher ist das Geschäftsmodell von Savedo, Zinspilot und Weltsparen?
Savedo hatte die Festgeldangebote der estnischen Bank im April 2017 in den Vertrieb genommen. Etwa ein Drittel der internationalen Kunden der Versobank ist über Savedo vermittelt worden. Und insgesamt haben die internationalen Kunden mehr als 220 Millionen Euro dort angelegt.
Savedo hatte auf seiner Homepage darauf verwiesen, dass das Euroland Estland über ein gutes Rating bei der Ratingagentur Standard & Poor's verfüge. Savedo versprach außerdem: "Für Sie finden wir die besten Anlageprodukte in Europa. Wir prüfen die Anbieter, übernehmen die bürokratischen Formalitäten und stellen Ihnen alle Dokumente in deutscher Sprache online zur Verfügung." Jetzt will das Zinsportal seinen Anlegern helfen, das Geld schnell zurückzubekommen.

Im Young-Money-Blog schreiben wir über Finanzthemen für Einsteiger.

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Alle drei Zinsportale begrenzen nach eigenen Angaben die Anlagesumme ihrer Kunden bei 100.000 Euro, die von der jeweils nationalen Einlagensicherung in Europa garantiert werden muss. Weltsparen vermittelt vorsichtshalber gar nicht an griechische Banken, und bei Zinspilot und Savedo wird außerdem auch kein Geld nach Zypern vermittelt.
Arg groß ist die Nervosität der Sparer offenbar nicht. Und auch die EZB gibt sich gelassen. Die Regeln in der EU seien eindeutig. Wenn ein Kunde wegen einer solchen Situation fünf Tage lang nicht mehr an das Geld auf seinem Konto herankann, muss sich die jeweilige nationale Einlagensicherung schnell kümmern. Und wenn die das nicht kann, weil eine große Bank in einem kleinen Land in Schwierigkeiten ist und die Einlagensicherung das nicht stemmen kann, wird aus der Bankfrage eine politische Frage, dann sei Europa gefragt.
Vor dem Hintergrund empfehlen meine Kollegen bei "Finanztip" aus Prinzip keine Banken in Ländern mit schwächelnden Sicherungssystemen. Ebenso wenig raten sie zu Banken, an deren Solidität sie begründete Zweifel haben - etwa weil sogar eine Ratingagentur keine guten Noten gibt.
Der konkrete Fall bei der Versobank droht die estnische Einlagensicherung wahrscheinlich nicht zu überfordern. Außerdem ist die Bank ja nicht geschlossen worden, weil es an Geld fehlte, sondern weil sie sich nicht an die Gesetze gehalten hat. Geld für die 2.000 estnischen und die gut 3.500 ausländischen Kunden scheint ja da zu sein.
Und doch sollten deutsche Anleger den Warnschuss nicht überhören.
Damit Sie im Krisenfall nicht leer ausgehen, beachten Sie folgende drei Grundregeln:
  • Vergleichen Sie die Zinsangebote auch weiterhin ruhig über die deutschen Grenzen hinaus. Wer nicht vergleicht, verliert. Jedenfalls als Kunde und Kleinanleger. Mehr als ein Prozent für Festgeld sind drin. Für drei Jahre sogar 1,21 Prozent bei der Tochter einer französischen Großbank. Und länger als drei Jahre sollten Sie Ihr Geld heute ohnehin nicht festlegen.
  • Legen Sie aber kein Geld in Ländern an, deren politische und finanzielle Institutionen Sie nicht für stabil und belastbar halten. Das Land sollte ein ordentliches Rating bei den Agenturen haben, mindestens AA oder besser noch AAA. Und beachten Sie: Ein Land mit 250.000 oder auch einer Million Einwohnern kann aus eigener Kraft keine europäische Großbank retten.
  • Legen Sie kein Geld bei einer Bank ohne gute Ratings an. Nur auf die Rettung durch Staaten oder die EU zu setzen, kann zur nervenaufreibenden Strategie werden. Daran erinnern sich zumindest all die früheren Kunden der zyprischen Banken gut.
  • Und wenn Sie Skandalberichte über eine Bank lesen, bei der Sie schon angelegt haben: Vorsicht! Holen Sie Ihr Geld dann lieber sofort zurück. Denn auch über das Rating hinaus sollte sich die Bank durch ein vertrauenswürdiges Geschäft auszeichnen. Schließlich sind alle Geldgeschäfte Vertrauensgeschäfte.
Zum Autor
  • Finanztip
    Hermann-Josef Tenhagen (Jahrgang 1963) ist Chefredakteur von "Finanztip". Der Verbraucher-Ratgeber ist gemeinnützig. "Finanztip" refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links. Mehr dazu hier.

    Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift "Finanztest" geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der "Tageszeitung". Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Bei SPIEGEL ONLINE schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.

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