Alice SchwarzerIn Steuersachen zu schweigsam
Als Scharfrichterin der öffentlichen Moral hat die Feministin Alice Schwarzer lange gegen alles gewettert, was ihr nicht ins Weltbild passte. Nun holt ihre eigene Steueraffäre sie ein.
06.06.2014, von JOACHIM JAHN
Jahrzehntelang hat Alice Schwarzer mit provokanten Thesen nicht nur zur Rolle der Frau die Republik aufgemischt und vor allem den Männern nichts geschenkt. Nun ist die Feministin selbst unter Beschuss geraten: Das Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung gegen sie, das zu Jahresbeginn bekannt wurde, ist noch keineswegs beendet. Das hat ihr Berliner Rechtsanwalt am Freitag bestätigt. Staatsanwälte und Steuerfahnder haben am 20. Mai mehrere Wohnungen von ihr durchsucht.
Dabei hatte es so ausgesehen, als hätte die Justiz die Akten längst zugeklappt: Schwarzer hatte sich selbst angezeigt, weil sie über lange Jahre dem Fiskus ein Millionenkonto in der Schweiz verheimlicht hatte. Mit einer Nachzahlung von rund 200.000 Euro für die noch nicht verjährten Steuerschulden und der steilen Selbstrechtfertigung, wegen öffentlicher Angriffe auf sie habe sie in den achtziger Jahren ans Auswandern denken müssen, schien die Straflosigkeit gesichert. Mit „Rufmord“ gegen sie selbst wollten ihre Gegner vor allem ihre aktuelle Kampagne gegen Prostitution schwächen, lautete eine weitere Gegenattacke von ihr, als ihre Verfehlung bekannt wurde.
Wie verschiedene Medien berichten, vermuten die Ermittler nun, dass die 71 Jahre alte Publizistin weitere Einkünfte verschwiegen hat. In diesem Fall wäre es wohl auch mit der erhofften Straffreiheit für das Konto in der Alpenrepublik vorbei: Seit der Bundesgerichtshof und die frühere schwarz-gelbe Koalition die Rechtslage verschärft haben, winkt diese nur noch, wenn ein Steuerkrimineller vollständig reinen Tisch macht.
Schwarzers Anwalt stellt Strafanzeige gegen Unbekannt
Doch die Erklärung ihres Presseanwalts liest sich nicht gerade wie ein vollständiges Dementi. „Die heute in den Medien angestellten Mutmaßungen über die Höhe einer möglichen zusätzlichen Steuerschuld sind falsch“, heißt es darin nur. Und: Er habe bei der Kölner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, „da erneut offenbar Informationen in kürzester Zeit aus den Behörden direkt an die Medien durchgestochen worden sind“. Alice Schwarzer werde sich nicht öffentlich zur Sache äußern; zusammen mit ihren Steuerrechtlern werde sie weiterhin mit den Behörden kooperieren, „um die verbleibenden Restfragen aufzuklären“.
Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Ralf Stegner forderte die Gründerin der Frauenzeitschrift „Emma“ denn auch dazu auf, die neuen Vorwürfe rasch aufzuklären. „Auf der einen Seite stehen das Steuergeheimnis und das Recht auf ein faires Verfahren, in dem die Unschuldsvermutung selbstverständlich auch für Prominente gelten muss“, sagte er. Doch auf der anderen Seite habe gerade sie „mit ihren hochfahrenden moralischen Vorhaltungen gegen andere auch zum Thema Steuerkriminalität die Latte für sich selbst sehr hochgelegt“.
Noch hämischer reagierte der Wetteransager Jörg Kachelmann, der vor vier Jahren vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde. Schwarzer hatte damals ausgesprochen einseitig über den Strafprozess gegen ihn in einem Boulevardblatt berichtet. Kachelmann postete nun prompt im sozialen Netzwerk Twitter: „Ich habe 2010 gelernt, dass sich jeder Idiot Gerichtsberichterstatter nennen darf. Also auch ich. Für wen darf ich zum #Schwarzer-Prozess?“
Angekratzt ist damit das Bild einer streitbaren Frau, die nicht nur ständiger Gast in Fernseh-Talkshows war, sondern sich auch in konservativen Kreisen manchen Respekt erworben hatte. Längst ging es bei ihr nicht nur um die Emanzipation der Frau, das vermeintliche Patriarchat und den legendären „kleinen Unterschied“, auf den sie die Ungleichheit der Geschlechter reduzieren wollte. Manchmal giftig, meist aber charmant stritt sie in Ratesendungen, trat als Entertainerin sogar in einer Kochshow auf.
Mehr zum Thema
Besonders gerne legt sich Schwarzer allerdings mit Frauen an, die sich ihrem vermeintlich progressiven Rollenbild widersetzen. Der aus ihrer Sicht jungen damaligen Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) warf sie vor, sie sei „schlicht ungeeignet“ und ein „hoffnungsloser Fall“. Selbst im links-alternativen Lager kreideten ihr manche Mitstreiterinnen einen autoritären Stil an und bezeichneten sie als „Macho im Rock“.
Als Schwarzers Steuerfall erstmals ruchbar wurde, hatten auch manche Medien Bedenken, darüber zu berichten – das sei schließlich ihre Privatangelegenheit, weil sie sich zu diesem Thema öffentlich nie geäußert habe. Dabei hatte die Vorkämpferin für die Entrechteten keine Scheu, die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zu attackieren, als sie die öffentlichen Gelder für ihren „Frauen-Media-Turm“ – ein Archiv der Frauenbewegung – zusammenstrich. In die Bresche sprang dann mir 600.000 Euro Fördergeld ausgerechnet die von ihr so verachtete Ministerin Schröder.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen