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Montag, 2. Mai 2016

Schäuble: Auf Arbeitseinkommen sind bis zu 45 Prozent Steuer fällig, Kapitaleinkünfte werden nur mit 25 Prozent Abgeltungsteuer belastet. Ist das gerecht? Ich war nie ein Freund der Abgeltungsteuer. Aber mein Vorgänger Peer Steinbrück hatte recht, als er sie mit dem schönen Satz begründete: Besser 25 Prozent von x als 45 Prozent von nix. Bei der Besteuerung von Kapitaleinkommen stoßen wir in Zeiten der Globalisierung nun mal an Grenzen. /// Die Amerikaner haben eine ganz andere Akzeptanz dafür, in welchem Ausmaß man sich in einer einzigen Generation bereichern kann.

Als Finanzminister sind Sie für Verteilungsfragen zuständig. Verteilt unser Steuersystem zu viel oder zu wenig um – oder genau richtig?
Genau richtig, das gibt es gar nicht. Und das Steuersystem soll ja nicht nur umverteilen. Es muss vor allem die öffentlichen Haushalte ordentlich finanzieren – so, dass einerseits die Wirtschaft funktioniert und andererseits das Gefühl der Fairness nicht verlorengeht.
Arbeitseinkommen sind in Deutschland sehr hoch belastet, Alleinstehende zahlen oft 50 Prozent an Steuern und Abgaben. Ist das zu viel?
Das liegt an den Sozialabgaben und damit auch an einem Sozialsystem, das gerade dem Mittelstand eine gute Absicherung bietet. Die Steuerquote dagegen ist in Deutschland nicht zu hoch, nur dafür bin ich als Finanzminister zuständig.
Das muss man doch addieren?
Natürlich kommt beides zusammen. Der Druck auf das Sozialsystem wächst. Vor allem zwei Dinge erfordern Anpassungen: der erfreuliche medizinische Fortschritt und der demographische Wandel. Wir müssen uns auch fragen, ob wir immer die richtigen Anreize setzen. In Deutschland werden zum Beispiel so viele künstliche Hüftgelenke eingesetzt wie kaum irgendwo sonst auf der Welt. Da fragt man sich, sind wir Deutschen eine hüftkranke Nation, oder hat das vielleicht andere Gründe?
Bei den Renten treiben Sie die Beiträge gerade weiter nach oben.
Das stimmt nicht. Das Problem besteht doch darin, dass heute vor allem viele Frauen im Alter eine niedrige Rente haben, auch wegen veränderter Familienstrukturen: Wenn eine Frau nur von ihren eigenen Beiträgen ihre Rente bestreiten muss, dann reicht das oft nicht sehr weit – gerade bei der Generation, die jetzt schon in Rente ist.
Dafür gibt es die Grundsicherung.
Sie liegt nicht höher als das Existenzminimum, das ohnehin jeder bekommt. Wenn Einzelne nach 40 Jahren Arbeit am Ende nicht mehr Rente bekommen, als wenn man nicht gearbeitet hätte, empfinden das viele als ungerecht.
Auf Arbeitseinkommen sind bis zu 45 Prozent Steuer fällig, Kapitaleinkünfte werden nur mit 25 Prozent Abgeltungsteuer belastet. Ist das gerecht?
Ich war nie ein Freund der Abgeltungsteuer. Aber mein Vorgänger Peer Steinbrück hatte recht, als er sie mit dem schönen Satz begründete: Besser 25 Prozent von x als 45 Prozent von nix. Bei der Besteuerung von Kapitaleinkommen stoßen wir in Zeiten der Globalisierung nun mal an Grenzen.
Sie haben Steuer-CDs gekauft und wollen gegen Offshore-Geschäfte in Panama vorgehen. Sind da noch so viele Löcher offen?
Bevor wir an den Steuersätzen etwas ändern, muss der automatische Informationsaustausch mit allen Ländern funktionieren. Wir müssen auch wissen, wer hinter anonymen Stiftungen oder Briefkastenfirmen steht. Das ist technisch alles gar nicht so einfach. Aber wir sind auf gutem Wege.
Wenn das alles erfüllt ist, schaffen Sie die Abgeltungsteuer ab?
So habe ich das vorgeschlagen. Dann könnten wir in der nächsten Wahlperiode sogar überlegen, den allgemeinen Einkommensteuersatz zu senken.
Eine Flat Tax von 25 Prozent auf alles, wie es der Jurist Paul Kirchhof einst forderte?
irchhof hatte gar keine Vorstellung, wie man an „alles“ überhaupt herankommt. Auf meine Frage nach der Besteuerung juristischer Personen sagte er: Das Problem haben wir noch nicht gelöst. Da fängt’s aber überhaupt erst an!
Warum?
Als ich Steuerrecht gelernt habe, galt noch das Prinzip: Körperschaften sind genauso zu behandeln wie natürliche Personen. Heute machen die meisten Steuersysteme einen Unterschied. Bei den Unternehmen haben wir mit der Körperschafts- und Gewerbesteuer faktisch eine Flat Tax von 30 Prozent.
Welches Gerechtigkeitsargument gibt es bei Privatpersonen für die Progression – also dafür, dass die Steuerlast nicht parallel zum Einkommen ansteigt, sondern überproportional?
Ganz einfach: Dem Chefarzt bleibt noch genug zum Leben übrig, wenn er von seinem Einkommen 45 Prozent abgeben muss. Seine Sekretärin hätte schon bei 25 Prozent Mühe, überhaupt noch ihre Miete zu bezahlen. Würden wir die Progression abschaffen, müssten wir als Ausgleich eine Vermögensteuer einführen.
Warum nicht? Die Steuern auf selbst erarbeitetes Einkommen zu senken und sie auf leistungsloses Vermögen zu erhöhen wie in Amerika – das klingt doch gerecht?
Die Amerikaner haben eine ganz andere Akzeptanz dafür, in welchem Ausmaß man sich in einer einzigen Generation bereichern kann. Die kontinentaleuropäische Tradition ist eine andere. Die Bindung an Vermögen in der Generationenabfolge hat bei uns eine hohe Bedeutung. Das hat, wie auch der Sozialstaat, mit dem höheren Sicherheitsbedürfnis durch Kriege und Katastrophen zu tun.
Dieses europäische Sozialmodell funktioniert so gut wie immer, sagen Sie?
Das kommt darauf an, von wem Sie reden. Von den Eltern mit Abstiegsängsten, die ihre Kinder nach England aufs Internat schicken? Von den Leuten, die sich über die niedrigen Sparzinsen beschweren? Oder von den Hartz-IV-Empfängern, die das alles als Luxusdebatte empfinden?

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