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Sonntag, 14. Oktober 2012

Schäuble nennt Herabstufung Spaniens „Missverständnis“


IWF-JahrestagungSchäuble nennt Herabstufung Spaniens „Missverständnis“

12.10.2012 ·  Die Herabstufung Spaniens durch die Ratingagentur „Standard & Poor’s“ sei ein „Missverständnis, kritisiert Bundesfinanzminister Schäuble. Die Erwartungen der Finanzmärkte an das Land seien „unrealistisch“ gewesen.
Von MANFRED SCHÄFERS UND PATRICK WELTER, TOKIO
© DAPDKritisiert die „unrealistischen“ Erwartungen der Finanzmärkte an Spanien: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Herabstufung der spanischen Kreditwürdigkeit durch die Ratingagentur Standard & Poor’s als ein „Missverständnis“ kritisiert. Zuvor seien „falsche, unrealistische oder unzutreffende Erwartungen“ an den Finanzmärkten geschürt worden sei, sagte Schäuble vor Journalisten in Tokio am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank. 
Hintergrund der Kritik Schäubles ist, dass an den Finanzmärkten auf weitere direkte Bankenhilfen für Spanien spekuliert wird, mit denen die Bankenrisiken des Landes von den Schuldenrisiken Madrids entkoppelt würden. S&P hatte die Senkung der Bonitätsnote von „BBB+“ auf „BBB-“ unter anderem mit Zweifeln begründet, dass eine solche direkte Refinanzierung der Banken - ohne Einbindung der spanischen Regierung - durch die Europäer wirklich komme. Spanien erhielt zwar Hilfe aus dem vorläufigen Hilfsfonds EFSF (die nun auf den dauerhaften Stabilitätsmechanismus ESM überführt wird) für Kreditinstitute mit Problemen, aber Spanien haftet dafür.
Auch wenn unter Druck geratene Banken nach dem Aufbau einer europäischen Bankenaufsicht direkt aus dem ESM refinanziert können werden sollen, ist nach den Worten von Schäuble nicht damit zu rechnen gewesen, dass dies auf die spanischen „Altfälle“ übertragen werden sollte.

Diskussion über mehr Zeit für Reformen in Griechenland

Für Debatten in Tokio sorgt derweil die Forderung der geschäftsführenden Geschäftsführerin des IWF, Christine Lagarde, Griechenland mehr Zeit für seine Reformen zu geben. Bundesbankpräsident Weidmann sagte zurückhaltend: „Es muss klar sein, dass eine Streckung des Anpassungszeitraumes natürlich auch mit höheren Finanzierungen verbunden sein wird.“ Schäuble hatte die Forderung schon zuvor zurückgewiesen.
Der kanadische Finanzminister James Flaherty deutete Verständnis für die Forderung des IWF an. „Es ist wert, darüber nachzudenken”, sagte Flaherty vor Journalisten. Europa befinde sich in der Rezession. „Es gibt ein gewisses Interesse zu versuchen, mehr Wirtschaftswachstum im Euroraum zu schaffen“,  sagte Flaherty. „Wir argumentieren schon seit einiger Zeit, dass einseitige und drakonische Fiskalpolitiken konterproduktiv sind und eine Tendenz haben, zurückzufeuern“, sagte der brasilianische Finanzminister Guido Mantega.

Weidmann: Notenbanken nicht überfordern

Der IWF untermauert seine Forderung mit einer Analyse, dass die fiskalischen Multiplikatoren in der Krise stärker wirkten als zuvor angenommen. Nach Einschätzung des Chefvolkswirts des IWF, Olivier Blanchard, folgt daraus nicht automatisch die Forderung nach neuen fiskalischen Stimuli. Der Fonds verbindet die Analyse aber mit der Aufforderung, dass die Länder aktuell im Volumen und Tempo vorsichtig sein sollten, mit dem sie die Staatsdefizite verringern.
Weidmann warnte in Tokio derweil davor, die Notenbanken zu überfordern. Sorge bereite, dass sich die Hoffnungen und Erwartungen der Politik mehr und mehr auf die Zentralbanken als Problemlöser für konjunkturelle und fiskalische Probleme richteten, sagte Weidmann. Er hob hervor, dass die Geldpolitik kein Allheilmittel darstelle und keine Wunderwaffe sei. Sie könne die Probleme der Krise nicht grundlegend lösen, sondern nur unter Dehnung ihres Mandats finanzieren. „Sie gerät damit auch in das Schlepptau der Fiskalpolitik“, mahnte er. „Der bequeme Ausweg über die Notenpresse ist eben keine Lösung.“
Letztlich sei es Sache der Regierungen, mit fiskalischen und strukturellen Reformen zu handeln.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat unlängst beschlossen, notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Staaten zu kaufen. Bundesbankpräsident Weidmann hatte als einziger im EZB-Rat dagegen gestimmt. Er befürchtet, dass die notwendigen finanzpolitischen und strukturellen Reformen, die zwangsläufig mit politischen Härten verbinden sind, unterlassen werden, wenn die Regierungen sich darauf verlassen können, dass sich eine Lücke im Staatshaushalt notfalls über die Notenbank schließen lässt – und die EZB irgendwann nicht mehr Nein sagen kann, weil sie dafür zu viele Papiere kriselnder Staaten in ihrer Bilanz hat.

Lagarde: Finanzsystem nicht sicherer als vor Lehman

Lagarde erneuerte zur Eröffnung der Sitzung des Lenkungsausschusses des IWF ihre unverblümte Warnung, dass die Regierungen den Schwung bei den Finanzmarktreformen nicht verlieren dürften. „Das Finanzsystem ist nicht viel sicherer als zur Zeit von Lehman“, sagte die IWF-Chefin, auf den Zusammenbuch der Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 bezugnehmend. Diese zugespitzte Beschreibung stößt in Tokio auf gewissen Widerspruch. Timothy Geithner, der Finanzminister der Vereinigten Staaten, sagte: „Das System in den Vereinigten Staaten ist substantiell sicherer als vor der Krise.“ Als Folge der Reformstrategie gebe es heute 400 Milliarden Dollar mehr Eigenkapital im Finanzsystem als vor der Krise, sagte Geithner. Kanadas Notenbankgouverneur Mark Carney, der zugleich dem Finanzstabilitätsrat FSB vorsitzt, sagte vor Journalisten, die größten Banken hätten ihr Eigenkapital um mehr als 25 Prozent erhöht. „Der Kern des Bankensystems hat entscheidende Fortschritte in der Verbesserung der Kapitalisierung gemacht“, sagte Carney.
Schäuble und Weidmann wiesen auf die erreichten Fortschritte hin, die die Länder im Euroraum erzielt haben. Die Euro-Zone habe ihr durchschnittliches Defizit seit dem Jahr 2009 halbiert. Von den internationalen Partnern werde inzwischen sehr positiv zur Kenntnis genommen, dass Europa bei der Bekämpfung seiner Staatsschuldenkrise Fortschritte mache, sagte der Minister.
Weidmann meinte, die notwendigen realwirtschaftlichen Anpassungsprozesse seien im Euro-Raum vorangekommen. Für die deutsche Konjunktur sagte er eine „Seitwärtsbewegung“ im Winterhalbjahr voraus. „Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit in einer schwierigen Situation, die aber kein Grund ist für Schwarzmalerei.“

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