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Mittwoch, 3. Oktober 2012

Vermisste Steuer-CD aufgetaucht Odyssee der Falciani-CD


Vermisste Steuer-CD aufgetaucht

Odyssee der Falciani-CD

Wirtschaftsnachrichten 
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Die Steuer-CD lag während über eines Jahres in einer Schublade von Evangelos Venizelos.
Die Steuer-CD lag während über eines Jahres in einer Schublade von Evangelos Venizelos. (Bild: Keystone / AP)
In Griechenland ist am Dienstag eine vermisste Steuer-CD wiederaufgetaucht. Tags zuvor hatte der griechische Finanzminister Jannis Stournaras erklärt, er wisse nichts von der Steuer-CD, die fast 2000 Namen von möglichen Steuerhinterziehern enthält.
pg., Athen / -yr.
In Griechenland ist am Dienstag eine vermisste Steuer-CD wiederaufgetaucht. Tags zuvor hatte Finanzminister Jannis Stournaras als Reaktion auf einen Artikel in der «Financial Times» erklärt, er wisse nichts von besagter Steuer-CD, die fast 2000 Namen von Griechen enthalten soll, die bei der Genfer Filiale der britischen Bank HSBC ein Konto haben. Stournaras stellte in Aussicht, die französischen Behörden nötigenfalls um eine Kopie der verlorengeglaubten Steuer-CD zu bitten. 2010 hatte die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde auf Wunsch ihres Amtskollegen Giorgos Papakonstantinou die elektronische Datensammlung nach Athen geliefert. Wie der inzwischen zurückgetretene Papakonstantinou gegenüber der NZZ bestätigt, handelt es sich bei der Steuer-CD um die griechischen Datensätze von Hervé Falciani.

Der Irrweg der Steuer-CD

Falciani hatte 2008 insgesamt 130 000 Datensätze seines Arbeitgebers HSBC entwendet und war damit, nach einer vorübergehenden Festnahme in der Schweiz, nach Frankreich geflüchtet. Sowohl die französischen wie auch die spanischen Steuerfahnder nutzten Falcianis Daten, um jeweils mehrere hundert Steuerbetrüger zu überführen. Anfang Juli wurde Falciani in Barcelona festgenommen. Seither sitzt er in Spanien in Auslieferungshaft, weil ihn die schweizerische Bundesanwaltschaft zur Haft ausgeschrieben hat. Der Entscheid des nationalen Strafgerichtshofs, der Audiencia Nacional, steht noch aus.
Derweil ist in Athen der Weg der wiederaufgetauchten Steuer-CD rekonstruiert worden. Sie lag offenbar während über eines Jahres in einer Schublade von Evangelos Venizelos, einem früheren Finanzminister. Per Eilboten lieferte er sie am Dienstag ins Büro des griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras. Venizelos' Vorgänger Papakonstantinou hatte die Steuer-CD 2010 gemäss eigenen Angaben nicht an die Steuerfahndung weitergeleitet. Er habe kein Vertrauen in die Beamten gehabt, erklärte er. Deshalb habe er aus Falcianis Datensatz persönlich zwanzig Namen aussortiert, die fast zwei Drittel der gesamten Vermögenswerte auf der Liste ausmachten, rund 1,5 Mrd. €.
Die zwanzig Namen habe er dem damaligen Chef der Steuerfahndung übergeben. Bei den Nachforschungen stiess dieser unter anderem auf eine Reederei-Angestellte, die mit einem Jahreseinkommen von 25 000 € in Genf ein Konto mit 500 Mio. € unterhielt. Im Sommer 2011 wurde der Chef der Steuerfahndung im Rahmen einer Regierungsumbildung aus seinem Amt entfernt. Seinen Chauffeur wies er an, die Steuer-CD dem Nachfolger auszuhändigen. Dieser sah aus rechtlichen Gründen von einer Auswertung der Daten ab, da er sie als illegal erworbenes Deliktsgut einstufte. Diese Einschätzung teilte damals sein Vorgesetzter, Finanzminister Venizelos, der die «Lagarde-Liste», wie die Falciani-CD in Griechenland genannt wird, in einer Schublade verstaute. Dort wurde sie jetzt eiligst hervorgeholt, nachdem das Land von einer neuen Welle mit Vorwürfen zu Geldwäscherei und Steuerhinterziehung überrollt worden war.

Verhandeln mit der Schweiz

Das Finanzministerium in Athen liess zunächst offen, ob es die Daten auswerten will. Die Schweiz und Griechenland verhandeln derzeit über ein Steuerabkommen nach dem Muster der Verträge mit Deutschland, Grossbritannien und Österreich.

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