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Donnerstag, 11. Oktober 2012

Wirtschaftsforscher„Wir vermuten, dass Griechenland nicht zu retten ist“

Wirtschaftsforscher„Wir vermuten, dass Griechenland nicht zu retten ist“

Während Bundesfinanzminister Schäuble sich gegen einen weiteren Schuldenschnitt Griechenlands wehrt, sprechen sich Forschungsinstitute dafür aus - auch wenn Athen seine Schulden vermutlich niemals begleichen könne.

Soll es einen weitern Schuldenschnitt für das Land geben? Quelle: dpa
Soll es einen weitern Schuldenschnitt für das Land geben? Quelle: dpa
Berlin/AthenDie führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland befürworten einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland. Es sei unwahrscheinlich, dass Athen seine Schulden jemals werde begleichen können, sagte Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle bei der Vorstellung des gemeinsamen Herbstgutachtens am Donnerstag in Berlin. Daher wäre das Beste, man käme zu einer weiteren Restrukturierung oder Insolvenzlösung unter Beteiligung der Gläubiger.

 Wir vermuten, dass Griechenland nicht zu retten ist“, sagte Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, nannte dies dann aber „etwas platt formuliert“. Eine Umstrukturierung sei nötig. Für Athen dürfte es schwer werden, die weiteren Reformprogramme umzusetzen. Kai Carstensen vom Münchener ifo-Institut verwies darauf, dass in Griechenland Lohnstückkosten im Staatssektor gesunken seien, aber nicht im selben Maße in der Privatwirtschaft. Der entscheidende Punkt für die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands, dass die Preise von Produkten heruntergingen, sei nicht bisher erreicht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte ausweichend auf die Forderung von IWF-Chefin Christine Lagardere, Griechenland müsse mehr Zeit für Reformen gegeben werden. Man werde den Bericht der Troika der internationalen Gläubiger abwarten. „Das ist Grundlage für unsere Bewertung“, sagte sie am Donnerstag in Berlin.
Zugleich räumte sie ein, dass auch die deutsche Wirtschaft von der Rezession in den südlichen Euro-Staaten betroffen werde. Die Bundesregierung wolle deshalb die Binnennachfrage stabilisieren, unter anderem mit den vorgesehenen Steuererleichterungen.


Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hingegen findet deutliche Worte und geht auf Konfrontation zum Internationalen Währungsfonds. Er lehnte am Donnerstag in Tokio kurz vor einer IWF-Tagung dessen Vorschlag ab, dass Griechenland durch einen Forderungsverzicht der staatlichen Gläubiger geholfen werden sollte. Zudem wies er Forderungen des Fonds zurück, Deutschland solle mehr für das Wachstum tun.
„Das ist einer der Vorschläge, die nicht zielführend ist“, merkte er zur Debatte über einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland an. Auch Vorschläge aus dem Fonds, Deutschland möge mehr für die Ankurbelung seiner Binnennachfrage tun, „verraten nicht viel Kenntnis von der Lage in Deutschland“. Äußerungen von IWF-Chefin Christine Lagarde, die den Griechen zwei Jahre mehr zum Erreichen der Konsolidierungsziele geben würde, wollte er nicht kommentieren.

„Wir vermuten, dass Griechenland nicht zu retten ist“

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Schäuble: Einen weiteren Schuldenschnitt kann es nicht geben

Schäuble will nach eigenen Worten die internationalen Partner bei der IWF-Jahrestagung davon überzeugen, dass Europa bei der Bewältigung der Krise auf einem guten Weg ist. Im Übrigen gebe es nicht nur in Europa eine Überschuldung, sagte er mit Blick auf Probleme in den USA oder Japan. „Der Prozess, dass Europa aus den Erfahrungen der Krise lernt, geht voran“, betonte er.
Es gebe kein Euro-Land, dass den geringsten Gedanken daran verschwende, aus der gemeinsamen Währung wieder ausscheren könne. Alle profitierten vom Euro, gerade auch Deutschland. Es gebe Untersuchungen, nach denen die Wirtschaftsleistung in der Euro-Zone um 6,5 Prozent niedriger wäre, wenn es die gemeinsame Währung nicht gäbe, sagte Schäuble.

Euro-Krise Leicht versprochen, rasch gebrochen

In der Krise agieren Politiker angeschlagener Euro-Länder wie der berühmte Pinocchio: Sie erzählen Märchen. Sie wollen die Märkte besänftigen, doch auf Dauer funktioniert das nicht. Selbst Deutschland ist kein Vorbild.
Euro-Krise: Leicht versprochen, rasch gebrochen
Für Griechenland gelte, dass das Land immer wieder betont habe, dass es im Euro bleiben wolle. „Wenn Griechenland das will und die Maßnahmen umsetzt, gibt es niemanden, der Griechenland aus der Euro-Zone drängen will.“ In erster Linie liege es an Griechenland selbst. Wenn der Troika-Bericht von IWF, Europäischer Zentralbank und EU-Kommission zu den Reformschritten positiv ausfalle, könne die nächste Hilfetranche ausgezahlt werden - und wenn nicht, dann nicht. Griechenland müsse erheblich wettbewerbsfähiger werden. Das Land sei zu teuer.
Einen weiteren Schuldenschnitt, dieses Mal zulasten der öffentlichen Gläubiger, kann es nach Schäubles Worten für das Land nicht geben. Dagegen sprächen schon die Rechtsordnungen in den meisten Geberländern. Danach dürften diese Länder nach einem Forderungsverzicht dem Land finanziell nicht mehr unter die Arme greifen, weil dann keine Aussicht mehr bestehe, dass Hilfen zurückgezahlt würden. Deshalb seien solche Vorschläge, wie sie auch vom IWF kommen, nicht von viel Sachkenntnis gekennzeichnet. Zudem habe EZB-Präsident Mario Draghi habe deutlich gemacht, dass für die EZB ein solcher Forderungsverzicht ebenfalls nicht infrage komme.
Euro in der Krise
Unterdessen gibt es wieder schlechte Nachrichten aus Griechenland. Die Arbeitslosenquote ist nach den am Donnerstag von der griechischen Statistikbehörde veröffentlichten Daten binnen Jahresfrist von 17,8 auf 25,1 Prozent gestiegen. Demnach liegt die Quote erstmals seit dem Beginn der Krise über die 25-Prozent-Marke.


Absolut stiegt die Zahl der Arbeitslosen auf mehr als 1,2 Millionen. Das Land steht vor dem sechsten Rezessionsjahr in Folge. Es braucht nach Angaben der Regierung dringend die nächste internationale Hilfstranche in Höhe von 31 Milliarden Euro, andernfalls droht die Staatspleite.

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